100 Jahre Blasorchester Stoß
„Das Blasorchester ist seit seiner Entstehung ein fester Bestandteil unserer Gemeinde”, heißt es in einer Broschüre, die die Gemeinde Stoß/Štós anlässlich des 100-jährigen Bestehens ihrer Blaskapelle herausbrachte. Autor Gabriel Müller schildert darin weiter die Entwicklung des 1925 gegründeten Orchesters.
Es war das Verdienst von Gustav Wlaszlovits (1897–1978), im Jahr 1925 die Musiker des Ortes in einem Orchester zu organisieren und dem damals vom Bergbau und der Schmiedekunst geprägten Ort ein musikalisches Aushängeschild zu verleihen.
In Stoß spielte Blasmusik stets eine bedeutende Rolle. So ist eine Jagd in den Wäldern um den Ort ohne das Horn nicht vorstellbar. Auch bei Veranstaltungen der evangelischen und katholischen Kirche, die beide bis heute eigene Gotteshäuser in Stoß haben, war und ist Musik aus Blechblasinstrumenten zu hören.

Das Blasorchester Stoß im Jahr 1925
Der Unternehmer Gustav Wlaszlovits war Musikliebhaber und spielte selbst mehrere Instrumente. Seine Messerschmiede stand im Jahr 1925 auf dem Höhepunkt ihres wirtschaftlichen Erfolgs. Mit einer Beschäftigtenzahl von 212 arbeiteten dort so viele Menschen wie nie zuvor. Er kannte viele seiner Arbeitskräfte persönlich und sah unter diesen und den anderen im Ort tätigen Handwerkern genügend junge und fähige Musiker, die gut in ein musikalisches Ensemble passen könnten. Für ihn war auch der sich immer mehr entwickelnde, benachbarte Kurort Bad Stoß ein Ort, zu dem ein gutes Orchester gehörte.


Vom Sommer bis zum Herbst 1925 dauerte das Finden und Ausstatten der Musiker. Im Herbst begannen die musikalischen Proben, die Gustav Wlaszlovits selbst leitete. Noch im Jahr 1925 gab das Orchester dann am 30. Dezember sein erstes Konzert. Unter dem Titel „Liederabend“ wurden Melodien von Béla Zerkovitz gespielt. Es lag nicht nur an der nachweihnachtlichen Stimmung, dass die Aufführung zu einem triumphalen Erfolg wurde. Das Orchester hatte etwas geschafft, das in dieser Zeit der beginnenden Wirtschaftskrise sehr schwer war – es hatte mit seiner Musik Menschen glücklich gemacht.
Ende und Neuanfang
Gustav Wlaszlovits sah seine Hauptaufgabe weiterhin in der Führung der Messerschmiede. Nach dem erfolgreichen ersten Auftritt des Blasorchesters widmete er aber auch diesem viel Zeit. Er war daher nicht böse, wenn man ihn nun oft als „Herr Dirigent“ ansprach. Nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs und der Einberufung junger Musiker musste die Orchesterarbeit jedoch reduziert und schließlich eingestellt werden.
Die Lage nach Kriegsende brachte andere Probleme. Statt um Musik ging es um das einfache Überleben. Wlaszlovits’ Firma und Eigentum wurden verstaatlicht. Er selbst verließ seine Heimat nicht und führte ein bescheidenes Leben (vgl. KB 1/2020). Neue Lebensimpulse bekam das Blasorchester im Jahr 1955. Die in der Gewerkschaft ROH der verstaatlichten Messerschmiede mit dem Namen Sandrik Štós organisierten Mitarbeiter erinnerten an die erfolgreiche Musikkapelle und erreichten deren Wiederaufbau.
Jubiläumskonzert – von Rückblende zur Musikshow
Auf die Anfänge und den Weg des Blasorchesters blickten die Musiker kürzlich in einem Jubiläumskonzert zurück. Es fand am 13. September im großen Saal des Gemeindehauses Stoß statt. Die Rückblende erfolgte multimedial – mit Videos, kurzen Redebeiträgen und natürlich viel Musik. So wurden die verstorbenen Orchesterleiter Mikuláš Butkay (1911–1980), Gerhard Roth (1932–2021) und Peter Hartmann (1953–2011) geehrt, einige Auftritte des Orchesters der letzten 70 Jahre in Bild und Ton in Erinnerung gebracht und die aktuellen Mitglieder des Orchesters vorgestellt. Auch an die gute musikalische Zusammenarbeit mit dem karpatendeutschen Sänger und Musiker Johann König (1953–2020) wurde erinnert.


Die musikalische Variabilität und Vielseitigkeit des Blasorchesters überraschte einige der vielen Gäste im Saal. So steigerte sich der Applaus mit jedem vorgetragenen Stück, von denen man einige nur einer professionellen Big Band zugetraut hätte. Als Beispiel sei das von Bobby Charles (1938–2010) komponierte „See You Later, Alligator“ genannt, das zu dem musikalischen Mix von der Melniker Polka über ungarische Melodien bis hin zu Samba-Klängen und sogar einem Ausschnitt aus der Oper “Kráľ duchov” (Erlkönig) gehörte. Diesen dirigierte deren Komponist Marek Piaček, der aus Bratislava angereist war.


Am Ende ging es natürlich nicht ohne eine Zugabe. Das Blasorchester Stoß zeigte mit diesem erfolgreichen Jubiläumskonzert, dass es auch zukünftig einen festen Platz in der Musikszene haben wird – wie bisher über die Grenzen der Slowakei hinaus.
Dr. Heinz Schleusener
