35 Jahre KDV

35 Jahre Karpatendeutscher Verein: Notizen und Erinnerungen

Meine Absicht ist es, einen kurzen Rückblick auf den 35-jährigen Weg des Karpatendeutschen Vereins in der Slowakei zu werfen. Dabei konnte ich mich nicht auf Forschungsarbeiten zu diesem Thema stützen, da solche nicht existieren. Stattdessen greife ich auf mein eigenes Archiv und meine persönlichen Erfahrungen zurück, wie ich diese Zeit vor 35 Jahren im Hinblick auf die deutsche Minderheit in der Tschechoslowakei erlebt habe. In diesem Teil dieser Serie erfahren Sie mehr über die Ereignisse vom März 1990.

Der politisch-symbolische Höhepunkt des ersten Halbjahres 1990 war der Besuch des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker am 15. März, dem 51. Jahrestag des militärischen Einmarschs deutscher Truppen in die Tschechoslowakei. Die Atmosphäre dieses Besuchs war, auch innenpolitisch gesehen, durch die vorherigen Aussagen Václav Havels zur Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg geprägt. Von Weizsäcker war das erste deutsche Staatsoberhaupt, das sich auf tschechoslowakischem Boden für die Verbrechen der deutschen Besatzungspolitik entschuldigte. Havel wiederholte bei dieser Gelegenheit seine These, die er um ein zusätzliches Motiv ergänzte: „Die Vertreibung der Deutschen war nicht nur eine Strafe – es war eine Vergeltung.“

Innenpolitische Geschichtsdebatte

In der Slowakei konnte man in Bezug auf die Karpatendeutschen folgende Sätze lesen: „Die Slowaken stimmen ihm zu, weil er den Mut hatte, der Wahrheit in die Augen zu sehen. Auch hier muss man sich laut entschuldigen. Die Karpatendeutschen waren kein Hindernis für die Slowaken. Ihre Spuren pflegen wir bislang dankenswerterweise. Sie gehören zu unserer Geschichte. Wir heißen sie in der Slowakei immer gerne willkommen.“

Gleichzeitig war aber auch zu lesen: „Die Mitglieder des SZPB (Slowakische Antifaschistische Vereinigung) des Bezirks Prievidza/Priwitz im Hauerland fassten einen Beschluss, wonach mit Entrüstung die charakterlosen Aussagen abgelehnt werden, wegen der Abschiebung der Deutschen nach 1945 ein Bedauern auszusprechen.“

Kirche

Unmittelbar nach dem Fall des Kommunismus hatte der damalige Erzbischof von Prag, František Kardinal Tomášek, für die tschechoslowakische Bischofskonferenz eine Erklärung zur Versöhnung der Völker der damaligen Tschechoslowakei und Deutschlands sowie zur gemeinsamen Verantwortung für die Zukunft Europas herausgegeben. Die tschechischen und slowakischen Bischöfe sprachen ihr Bedauern über die Vertreibung der Deutschen aus ihrer Heimat aus, wobei das ungerechte Prinzip der Kollektivstrafe angewandt wurde.

Zustimmung für einen neuen Verband

Die Versuche der deutschen Sektion der Nationalitätenkommission beim antikommunistischen Bürgerforum, in den ersten zwei Monaten des Jahres 1990 Neuwahlen für die Leitung des bestehenden Kulturverbandes der Deutschen durchzuführen, scheiterten. Die leitenden Personen der deutschen Sektion, an der Spitze mit dem Abgeordneten des Tschechischen Nationalrats Walter Piwerka, riefen daraufhin einen vorbereitenden Ausschuss zur Gründung des Verbandes der Deutschen in der Tschechoslowakei ins Leben.

Im tschechoslowakischen Rundfunk wurde jeden Sonntag zwischen 14 und 15 Uhr ein Programm für die deutsche Minderheit gesendet. Der Verband begann im März 1990 zunächst mit der Herausgabe von Nachrichten, ab Juni 1990 wurde die „Deutsche Zeitung“ veröffentlicht.

Am 12. März 1990 erteilte das tschechische Innenministerium dem Verband der Deutschen in der Tschechoslowakei die Genehmigung zur Ausübung seiner Tätigkeit. Sein Wirkungsbereich erstreckte sich auf das gesamte Gebiet der Tschechoslowakei. Es wurde empfohlen, vorbereitende Ausschüsse für Ortsgruppen zu bilden, welche dies in der Slowakei auch dem örtlichen VPN (Verejnosť proti násiliu, Öffentlichkeit gegen Gewalt) mitteilen sollten.

Mit dem vorbereitenden Ausschuss stand seit dessen Gründung Gabriele Kintzler aus Deutschendorf/Poprad in schriftlichem Kontakt. In der erhaltenen März-Korrespondenz bot sie die Veröffentlichung von Informationen über den entstehenden Verband an.

35 Jahre Karpatendeutscher Verein: Notizen und Erinnerungen
Aus der Korrespondenz mit dem Ausschuss

Nationalitätenausschuss

Am 29. März trafen sich im Gebäude des Bürgerforums in Prag unter der Leitung des stellvertretenden Regierungschefs Ján Čarnogurský Vertreter der Minderheiten der Roma, Ukrainer, Polen und Deutschen zur Formierung des Nationalitätenausschusses auf Ebene der Föderalversammlung. An den Vorbereitungsarbeiten sollten zwei Vertreter der deutschen Minderheit teilnehmen. Wie mir Dr. Čarnogurský später in einem persönlichen Gespräch sagte, rechnete er auch mit der Teilnahme der Karpatendeutschen.

Die Oberzips wird aktiv

In der Zeitung „Východ“, die in Kaschau/Košice und Deutschendorf/Poprad am 2. März 1990 erschien, schilderte Julius Kiss im Artikel mit dem Titel „Povedať pravdu o krivdách“ („Die Wahrheit über das Unrecht sagen“) kurz die Geschichte der Zipser Deutschen. Dort war auch eine klare Stellungnahme zu lesen: „Es geht um die Menschen, denen Unrecht getan wurde. Es ist an der Zeit, darüber zu sprechen, aber auch darüber nachzudenken (…) Sicherlich ist eine Rückkehr zu dem pulsierenden kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Leben wie in der Ersten Republik nicht möglich.“

35 Jahre Karpatendeutscher Verein: Notizen und Erinnerungen
Artikel von Julius Kiss vom 2. März 1990

Er schlug konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Identität der Zipser Deutschen vor und meinte abschließend, dass man einen Kulturverein oder einen Bürgerkreis deutscher Nationalität gründen könne – damals bezog er sich jedoch nur auf die Zipser. Er erwähnte außerdem, dass sich in Kesmark/Kežmarok bereits Initiatoren gefunden hätten, die mit den Vorbereitungen für einen Ausschuss begonnen hätten.

Neue Gesellschaft

In Pressburg/Bratislava wurde am 2. März 1990 die „Gesellschaft der slowakisch-deutschen Freundschaft“ gegründet. Ihr erklärtes Hauptziel war die Beseitigung der in der Vergangenheit entstandenen Vorurteile und gegenseitigen „Deformierungen“ im Wissen übereinander – im Geiste der Ideale von Helsinki. Die Vereinigung wollte dazu beitragen, dass Deutschland von seinen Nachbarn nicht als Gefahr, sondern als Helfer und Integrator eines neuen Europas wahrgenommen werde.

Die Gesellschaft versuchte, auch Karpatendeutsche als Mitglieder zu gewinnen. Einige, insbesondere aus der Unterzips, traten bei. Dennoch entwickelte sich die Tätigkeit der Gesellschaft nicht weiter.

Österreich hilft

Am 19. März 1990 trafen die ersten beiden Busse mit slowakischen Studenten auf dem Hof der Universität für Bodenkultur in Wien ein. Sie wurden vom damaligen Vizekanzler und Bundesminister für Wissenschaft und Kultur, Dr. Erhard Busek, begrüßt.

Der Pendelbus verkehrte täglich bis zum Ende des Sommersemesters zwischen Pressburg und Wien und transportierte Studenten aus der gesamten Slowakei. So erhielten 144 slowakische Studenten die Möglichkeit, die Hochschulsysteme der Slowakei und Österreichs miteinander zu vergleichen.

Dr. Ondrej Pöss