Die Lehrerin Norberta Mayscheider (1844–1911)

Berühmte Zipser: Lehrerin Norberta Mayscheider

Norberta Mayscheider wird von Kesmarker Historikern als „všestranná osvetová pracovníčka“ bezeichnet. Gemeint ist damit ihre vielfältige Tätigkeit, insbesondere ihre Arbeit als Lehrerin an der katholischen Volksschule sowie ihr außergewöhnliches Engagement für Kultur und Kirche.

Dem Kirchenregister von Podolin/Podolínec ist lediglich das Datum der Taufe von Norberta Mayscheider zu entnehmen – der 30. Mai 1844. Ihr genaues Geburtsdatum könnte einige Tage davor liegen. Als Eltern sind János Meischeider und Joanna Morgenbesser eingetragen. Der Nachname des Vaters wird hier noch mit „ei“ geschrieben. Er ändert sich bei den Geburten weiterer Kinder erst zu Maischaider und schließlich zu Mayscheider.

Für das Doppel-s im Namen der Mutter wurde die damals übliche Schreibweise mit einem langen und einem kurzen s verwendet. Im Taufeintrag finden sich daher die beiden Zeichen ſ (langes s) und s (rundes s). Aus dem Eintrag geht außerdem hervor, dass der Vater Organist (ungarisch: Orgonás) in Kesmark war.

Die Lehrerin Norberta Mayscheider (1844–1911)
Der Taufeintrag für Norberta Mayscheider im Kirchenbuch von Podolin. In den beiden Spalten rechts sind die Namen der Taufpaten und des Pfarrers aufgeführt.

Die Mutter Joanna kam als geborene Morgenbesser aus einer angesehenen Podoliner Familie. Norberta und ihre Geschwister wurden nicht in Kesmark, sondern in Podolin geboren. Das Leben der Familie war religiös geprägt und beeinflusste maßgeblich die Entwicklung von Norberta und ihren Geschwistern.

Leider sind keine Fotografien von Norberta bekannt. Selbst ihre Grabstätte in Kesmark existiert heute nicht mehr – mehr als einhundert Jahre nach ihrem Tod am 2. April 1911. Das liegt vielleicht auch daran, dass sie unverheiratet blieb und keine direkten Nachkommen hatte. Bestand haben jedoch die zahlreichen Meldungen der Zeitungen dieser Zeit. Die Karpathen-Post und die Kaschauer Zeitung berichteten über mehr als 20 Jahre hinweg – vor allem zwischen 1887 und 1911 – von Norberta Mayscheider als einer engagierten und erfolgreichen Lehrerin, die sich stark für das kulturelle und kirchliche Leben Kesmarks engagierte.

Die Lehrerin Norberta Mayscheider (1844–1911)
Der gute Ruf von Norberta Mayscheider als Lehrerin drang bis nach Kaschau. In der Kaschauer Zeitung vom 2. Juli 1889 heißt es, dass ihre Schülerinnen sowohl in Deutsch als auch in Ungarisch mit ihrer guten Handschrift glänzten, gut rechnen konnten und gut erzogen waren.

Ordnung auch ohne extra „Benimm-Unterricht“

Derzeit wird gerne darüber diskutiert, ob Schulen neben ihrem Bildungsauftrag auch genügend Einfluss auf die Erziehung der Heranwachsenden nehmen. In Berlin sprachen sich bei einer schon etwas länger zurückliegenden Umfrage 72 Prozent der Befragten für einen „Benimm-Unterricht“ in den Schulen als extra Fach aus. Es sollte gutes Benehmen, Höflichkeit und Ordnung vermitteln. Die größte Zustimmung für ein solches Fach kam mit 80 Prozent von Befragten über 50 Jahren, die geringste Zustimmung von den unter 29-Jährigen mit immerhin noch 50 Prozent.

Obwohl es so ein spezielles Unterrichtsfach zur Zeit von Norberta Mayscheider nicht gab, schaffte sie es offensichtlich „nebenbei“ in den von ihr unterrichteten Mädchenklassen gute Ordnung zu vermitteln. Jedenfalls zeigen das die Berichte. In ihnen ist unter anderem zu lesen:

„(…) die Mädchen sind sauber angezogen, rein gewaschen, sorgfältig gekämmt; in den Bänken sitzen sie gerade, beißen nicht die Nägel ab und stemmen sich nicht mit den Ellenbogen an. Man merkt es den Kindern an, daß in jeder Richtung umsichtig und sorgfältig die Feile angelegt wurde (…) Die Mädchen antworten auf Kreuz- und Querfragen prompt und logisch und sind im Kopf- und Tafelrechnen geübt.“ Abschließend heißt es: „Fräulein Mayscheider ist eben nicht nur eine tüchtige Mädchenlehrerin, sondern auch, was wenigstens ebenso schwer wiegt, eine sorgsame Erzieherin.“

Die Lehrerin Norberta Mayscheider (1844–1911)
Die Kaschauer Zeitung zählte 1898 in einer Mitteilung über das 25-jährige Dienstjubiläum die Verdienste von Norberta Mayscheider auf.

Engagement für Kultur

Norberta Mayscheider unterrichtete in den 3. bis 6. Klassen der Kesmarker katholischen Volksschule. Musik gehörte ebenfalls zu ihren Unterrichtsfächern. Mit ihrer ganzen Kraft war sie bemüht, ihre Schüler über den Schulunterricht hinaus für Gesang, Rezitation und Theaterspiel zu begeistern.

Das erworbene Können wurde bei verschiedenen Veranstaltungen präsentiert. Davon gab es in Kesmark nicht wenige, wie die Teeabende des Diakonie-Vereins, die der „Gesellschaft zur Bekleidung armer und nothdürftiger Schulkinder“ mit dem Namen „Der Kinderfreund“ oder die Auftritte des Kesmarker Dilettanten-Theaters (damalige Bezeichnung für Laien-Theater) beim Schützenverein sowie vor Gästen der Stadt. Norberta Mayscheider unterstützte auch das evangelisch ausgerichtete Kesmarker Lyzeum bei der Auswahl und dem Einstudieren von Liedern und Rezitationen zu gesellschaftlichen Ereignissen der Stadt.

Hochgeachtet

Lehrerin war sie mit Herz und Seele, damit erwarb sie die Achtung und den Respekt, vielleicht sogar die Zuneigung der Schulkinder. Dafür sprechen die Ereignisse um die Ehrung der Lehrerin zu ihrem 25-jährigen Dienstjubiläum, an der sich viele Schülerinnen aktiv beteiligten. Von diesen wurde sie liebevoll „Tante Berta“ genannt. Zu diesem Jubiläum ehrte man sie mit einem Festbankett im Hotel Kesmark. An diesem nahm, wie man schrieb „die ganze Intelligenz, darunter viele Damen – über 100 Personen – theil und wurden die Verdienste der Thätigkeit der Jubilarin auf dem Gebiete der Erziehung und des gesellschaftlichen Lebens gepriesen“.

Bei Theatervorstellungen des Diakonie-Vereins am 11. und 12. März 1911 in Kesmark war sie am Programm beteiligt, die unter ihrer Regie einstudierten Tanzeinlagen fanden besonderes Lob. Groß war daher die Bestürzung, als bald darauf ihr plötzlicher Tod bekannt wurde. Am 1. April 1911, während der Rückfahrt vom Besuch eines Neffen in Kassahámor/Košické Hámre, erlitt Norberta Mayscheider einen Schlaganfall und starb am darauffolgenden Morgen in ihrer Wohnung. Am 4. April 1911 wurde sie unter „ungemein großer Beteiligung“ beerdigt.

Dr. Heinz Schleusener