Der Pfarrer und Mykologe Karl Kalchbrenner (1807–1886)

Berühmte Zipser: Pfarrer und Mykologe Karl Kalchbrenner

Sammeln Sie Pilze? Dann könnten Sie schon einmal auf den Namen Karl Kalchbrenner gestoßen sein. Bis heute ist dieser Name Pilzforschern (Mykologen) und Pflanzengeografen weltweit ein Begriff. In Wallendorf/Spišské Vlachy, wo Kalchbrenner über ein halbes Jahrhundert lebte und wirkte, ist der ehemalige Pfarrer und Ober-Superintendent der 16 Zipser Städte unvergessen. Am 5. Juni 2021 erinnerte die Stadt anlässlich seines 135. Todestages an diesen bemerkenswerten Mann, der als junger Pfarrer nach Wallendorf kam, dort heiratete und sich als Wallendorfer und Zipser fühlte.

Der damaligen Presse ist zu entnehmen, dass Karl Kalchbrenner in der Zips vor allem als Mensch und Pfarrer geschätzt und gewürdigt wurde. Seine dichterische Begabung und sein gesangliches Können bewies er bei gesellschaftlichen Veranstaltungen durch das Vortragen eigener, gereimter Trinksprüche und dem Singen Zipser Lieder. Letzteres brachte ihm den Beinamen „Sänger der Karpathen“ ein.

Nicht nur die Karpathen-Post und die Kaschauer Zeitung würdigten in ihren Nachrichten vom Tod Kalchbrenners den Verstorbenen in längeren Beiträgen, auch überregional wurde berichtet. Die Budapester Sonntagszeitung „VASÁRNAPI UJSÁG“ widmete ihm sogar die gesamte Titelseite und die Hälfte der zweiten Seite. In diesem Nachruf wurden seine Arbeiten zur Mykologie in den Vordergrund gestellt, also das, was Kalchbrenner über Österreich-Ungarn und Europa hinaus berühmt gemacht hatte.

Vasárnapi Újság
Titelausschnitt der Budapester „Vasárnapi Újság“ (Sonntagszeitung), die Kalchbrenner auf den ersten beiden Seiten würdigt

Pfarrer wie der Vater

Karl Kalchbrenner wurde am 5. Mai 1807 in Petőfalva, dem heutigen Pöttelsdorf, als Sohn des evangelischen Pfarrers Josef Kalchbrenner und dessen Frau Rosina Karolina Fábri geboren. Nach der Volksschule besuchte er das Gymnasium in Győr und wechselte dann ans evangelische Gymnasium in Sopron. Heute verläuft zwischen diesen beiden Orten die österreichisch-ungarische Grenze.

Als sein Vater 1818 nach Pest wechselte, ging es für ihn im dortigen Piaristen-Gymnasium und in Schemnitz/Banská Štiavnica weiter. Die Zeit in Győr diente zum Vervollkommnen der ungarischen Sprachkenntnisse. Es folgte das Studium der Theologie in Sopron und Halle. Das Studium an einer deutschen theologischen Fakultät war damals erforderlich, damit der Seelsorger sein Amt in ungarischer und deutscher Sprache ausführen konnte. Nach der Rückkehr und der Weihe zum Pastor arbeitete er als Kaplan neben seinem Vater. Sehr bald berief die Kirchengemeinde Wallendorf/Spišské Vlachy (ung. Szepesolaszi) den jungen Theologen. Karl Kalchbrenner folgte dem Ruf und machte diesen Ort und die Zips zu seiner Heimat. Hier heiratete er die Slowakin Matilda Štavnická, mit der er drei Kinder hatte.

Als Kind bereits Pilzesammler

Bereits als Kind zog es ihn in die Wälder des Soproner- und Rosalien-Gebirges. Vor allem die zahlreichen dort wachsenden Pilze interessierten ihn. Er lernte sie zu unterscheiden und versorgte mit seinen Funden auch in die heimische Küche. All das geriet während seiner Studienzeit in den Hintergrund. In Halle soll er trotz mehrfacher Aufforderung den Botanischen Garten der Stadt nicht einmal besucht haben.

Das änderte sich in Wallendorf, nachdem ihm Ärzte mehr Zeit in der freien Natur empfahlen. Er wandte sich der Botanik zu und sammelte Pflanzen. In den nördlich von Wallendorf gelegenen Kalkfelsen des Dreveník (Skalné mesto Kamenný raj) entdeckte er das hier bisher unbekannte Sauergrasgewächs Carex pediformis (Ostrica tlapkatá). Später findet er in den Bergen der Zips die „Poa capillifolia“, die später ihm zu Ehren den Namenszusatz „Kalchbr“ erhält. Er berichtet darüber in Zeitschriften und auf Konferenzen von Naturforschern. Weiterhin interessieren ihn die Moose und Algen der Zips und er publiziert dazu Übersichten. Schließlich wendet sich Kalchbrenner den Pilzen zu.

Weltweite Anerkennung als Mykologe

Sein erstes größeres Werk unter insgesamt etwa 60 Veröffentlichungen heißt „A szepesi gombák jegyzéke“ (Verzeichnis der Pilze in der Zips) und beschreibt 1.334 Pilzarten. Es macht ihn 1864 zum korrespondierenden und 1872 zum ordentlichen Mitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. Die von 1873 bis 1877 erschienenen Bücher „Icones selectae mycetum Hungariae (Ausgewählte Bilder von Membranpilzen)“ und „Szibériai és délamerikai gombák Icones selectae mycetum Hungariae (Sibirische und südamerikanische Pilze, 1878)“ bringen ihm endgültig einen Platz unter den Größen der Pilzkunde. Er korrespondiert mit mykologischen Forschern der ganzen Welt.

Einband eines seiner Werke über Pilze Sibiriens und Südamerikas
Einband eines seiner Werke über Pilze Sibiriens und Südamerikas

Die Liste der Pilze mit seinem Namenszusatz ist lang. Mit Friedrich Hazslinsky und Stephan Schulzer von Müggenburg war er einer der drei großen Mykologen Ungarns. Karl Kalchbrenner stirbt nach langem Leiden am 5. Juni 1886 in Wallendorf. Sein Grab existiert bis heute.

Dr. Heinz Schleusener