Der Braunsberg – ein symbolischer Ort der Erinnerung
Es ist ein alter und guter Brauch, Anfang November anlässlich von Allerseelen die Gräber der Verstorbenen und Denkmäler aufzusuchen. Wenn man vor einem Grabmal steht, erinnert man sich an die Familienangehörigen, die dort ihre letzte Ruhe gefunden haben. Wenn man hingegen vor einem Denkmal oder einer Gedenktafel steht, denkt man vor allem an historische Ereignisse oder Personen, zu deren Andenken diese Gedenkstätte errichtet wurde.
Auch die Karpatendeutschen, die nach ihrer Vertreibung eine neue Heimat in Österreich gefunden haben, besuchen seit 1992 regelmäßig im Herbst gemeinsam mit ihren Landsleuten aus der Slowakei die Gedenkstätten der verstorbenen Karpatendeutschen – den Friedhof in Hainburg und das Mahnmal am Braunsberg, nur wenige Kilometer von der slowakischen Grenze entfernt.
Ganz verständlich: Viele unserer vertriebenen Landsleute sind jahrelang zum Braunsberg gefahren, um wenigstens einen Blick in ihre verlorene Heimat werfen zu können. Zur Enthüllung des Gedenksteins am Gipfel kam es jedoch erst am 21. September 1980, also 35 Jahre nach dem Kriegsende.
Geschichte des Gedenksteins
Die Errichtung des Gedenksteins auf dem Braunsberg hatte ebenfalls ihre eigene Geschichte – ein Beispiel für das oft missgünstige Klima, in dem die Vertriebenen in ihren neuen Heimatländern lebten. Einige Tage vor der Enthüllung brachte die Zeitung „Volksstimme“, das Zentralorgan der Kommunistischen Partei Österreichs, einen Artikel mit dem Titel: „Karpatendeutsche Provokation in Hainburg“.
Die Autoren appellierten an den Bürgermeister und den Gemeinderat von Hainburg, die für den 21. September geplante Enthüllung eines Denkmals der karpatendeutschen Landsmannschaften nicht zu gestatten. Wörtlich hieß es in der Resolution: „Die Karpatendeutschen stellten in überwiegender Mehrheit die Mitglieder von SS, Gestapo und Sicherheitsdienst während des Nazifaschismus auf dem Gebiet der heutigen ČSSR.“ Vor diesem „Akt der Provokation“ warnten die Kommunisten weiter: „Die geplante Enthüllung dieses Denkmals und damit die faktische Stärkung reaktionärer Landsmannschaften ist kein Beitrag zur Normalisierung der Beziehungen Österreichs zur ČSSR und kein Beitrag zur Stärkung der Freundschaft zwischen den Völkern Österreichs und der ČSSR.“
Ja, auch im demokratischen Teil Europas gab es vor der Wende 1989 noch viele Stimmen, die nicht anerkennen wollten, dass die Erinnerung an die Leistungen der Vertriebenen nichts mit Revanchismus zu tun hat, sondern vielmehr Ausdruck der Identifikation mit der eigenen Geschichte ist.

Die Völker Osteuropas, die selbst ein tiefes Geschichtsbewusstsein besitzen, mussten verstehen, dass auch deutschsprachige Menschen sich mit ihrer Geschichte identifizieren und sie nicht der Vergessenheit anheimfallen lassen wollen. Mit einer Ideologie hat dies überhaupt nichts zu tun.

Ein symbolischer Ort
Der Braunsberg ist für die Karpatendeutschen zu einem symbolischen Ort der Erinnerung geworden: Von den 346 Metern über dem Meeresspiegel aus bietet sich ein herrlicher Blick über das Marchfeld, auf die Burg Theben mit der Marchmündung, die Kleinen Karpaten und das nur wenige Kilometer entfernte Pressburg. Auf dem Gedenkstein am Gipfel findet man die Inschrift: „Zum Gedenken an die Heimat der Karpatendeutschen, die 1945 aus dem Pressburger-, Hauer- und Zipserland vertrieben wurden.“ Diese Worte sollen an die schwere Zeit der Karpatendeutschen erinnern – sie sollen aber auch ein Appell für Toleranz, Entgegenkommen und Verzeihen sein.
Ondrej Pöss
