Der schöpferische Mensch achtet den dreifachen Kontakt

Der schöpferische Mensch achtet den dreifachen Kontakt

Heute werden leistungsstarke Menschen gebraucht, die fähig sind, sich in die fortwährend wandelnden Lebens- und Berufsverhältnisse hineinzustellen und daraus Kraft für ein gemeinsames humanes Weiterkommen schöpfen. Wie kann ihnen das gelingen? Auf diese grundlegende Frage versuche ich meine Antwort zu geben.

Wir leben in einer Zeitenwende von hoher Dynamik. Sich die Welt in zehn Jahren vorzustellen, ist überwältigend und verunsichernd. Nicht nur die neue Medienwelt, sondern auch Kriege, wirtschaftliche Unsicherheit sowie Sorgen um Erde und Klima bewegen unser Denken und Handeln. Heute dominiert im gesellschaftlichen Leben und in den Sozialwissenschaften ein technokratisch-ökonomisches Menschenbild, das für das spätere Weiterkommen nützlich sein soll und als Kompetenzförderung gefordert wird. Hier werden lebendige Beziehungszusammenhänge auf messbare Fakten reduziert, die man analysieren und kategorisieren kann und den persönlichen Sinn des Handelns weitgehend ausblenden. Gerade das Phänomen der Beschleunigung, das eng mit ökonomischen Herrschaftsinteressen und gesellschaftlichem Profitdenken zusammenhängt, fordert uns heraus.

Unsere demokratische Gesellschaft tut sich schwer, marginalisierte Gruppen zu achten, denn es dominieren Leistungssteigerung und Konkurrenzdenken, die Selektion erzeugen und den schwächeren Menschen verdrängen. Auf diese skizzierte Zeitsituation kann mit dem dreifachen Kontakt geantwortet werden, den wir den Hamburger Psychologen und Pädagogen Inghard Langer, Friedemann Schulz von Thun und Reinhard Tausch verdanken.

Dreifacher Kontakt

Die drei Persönlichkeiten standen mitten im Leben. Sie gingen von der erlebten Praxis aus, die durch ruhiges Innehalten und Nachdenken ein bewussteres Handeln ermöglicht. Durch ihre empathische Haltung waren sie bemüht, dem Bedürfnis des anderen Menschen zu entsprechen. Es geht um einen Kontakt des Einzelnen mit sich selbst, mit dem Anderen und mit dem Inhalt.

Der schöpferische Mensch achtet den dreifachen Kontakt
Dieser feinfühlende Kontakt geht auf den amerikanischen Psychotherapeuten Carl Rogers (1902-1987) zurück.

Rogers erkannte bei seiner Arbeit diese drei Aspekte der Haltung, die für hilfreiche zwischenmenschliche Beziehungen charakteristisch sind und die eigenen Ressourcen sowie die Ressourcen des anderen Menschen fördern.

Carl Rogers
Carl Rogers

Diese Erkenntnis trifft für die Kontakte zwischen den Menschen überhaupt zu, sie gewinnt ihre besondere Bedeutung für die kollegiale Zusammenarbeit und Teamarbeit.

Mein Interesse konzentriert sich auf die beziehungsorientierte Situation. Sie ist für die Lebenspraxis höchst aktuell, denn sie achtet die Würde des anderen Menschen:

  • Sich um empathisches (einfühlendes) Verstehen und uneingeschränkte Wertschätzung des anderen Menschen bemühen und ihn ohne Vorbedingungen akzeptieren.
  • Sich um Klärung der eigenen Gedanken bemühen und sich für die Bedürfnisse des anderen Menschen öffnen, um mit ihm in einen wechselseitigen Austausch zu kommen.
  • Sich um eine verständliche und klare Sprache bemühen, die den anderen Menschen zum Mitdenken und Mitfühlen einlädt.

Die drei Aspekte der Haltung lassen sich nur theoretisch voneinander trennen. Sie sind für ein feinfühlendes leistungsstarkes Handeln im Leben und besonders im herausfordernden Beruf bedeutsam. Es geht um ein authentisches Leben durch Empathie, um die Fähigkeit und Bereitschaft die Empfindungen, Gefühle, Beweggründe und Gedanken des anderen Menschen nachzuempfinden und zu verstehen.

Fazit

Dem individuellen Menschen, der die drei Haltungs-Momente in sich vereint, liegt ein Menschenbild zugrunde, das die Einzigartigkeit des Anderen achtet. Diese achtsame Haltung zeichnet die Würde der Praxis im demokratischen Rechtsstaat aus und fördert ein bewusstes leistungsstarkes Denken und Handeln.

Prof. Dr. Ferdinand Klein