
Die blutige Nacht an den Schwedenschanzen
Eines der fürchterlichsten Geschehnisse nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges erlebten die Karpatendeutschen in der Nacht vom 18. auf den 19. Juni 1945 auf den sogenannten Schwedenschanzen unweit von Prerau/Přerov: 267 aus der Evakuation zurückkehrende Zipser sowie Hauerländer wurden von Angehörigen des Infanterieregiments Nr. 17 aus Engerau/Petržalka erschossen. Bis heute mahnt das Ereignis zu Erinnerung und Verantwortung.
🕰️ Ereignisse im Überblick
Einen Monat nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wollten Karpatendeutsche aus der Evakuation in Nordböhmen nach Hause zurückkehren. Schicksalhaft wurde auf ihrem Heimweg die mährische Stadt Prerau, wo zwei Transporte aufeinandertrafen.
18. Juni 1945
Früh morgens
Ein Zug aus Prag kommt am Bahnhof von Prerau an. An Bord: Angehörige des 17. Infanterieregiment aus Engerau.
18. Juni 1945
Am Nachmittag
Am Nebengleis hält ein Zug mit Karpatendeutschen aus Nordböhmen. Sie wollten aus der Evakuierung nach Hause zurückkehren. Am Morgen hatte der Leutnant des Verteidigungsgeheimdienstes, Karol Pazúr, gefordert, die festgehaltenen Deutschen herauszugeben, um sie als Verräter zu bestrafen. Ohne Erfolg. Er kehrt mit dem Regimentsoffizier Bedřich Smetana zu seinen Soldaten an den Bahnhof zurück.
18. Juni 1945
Später Nachmittag
Auf Befehl von Pazúr und Smetana werden die Menschen gewalttätig abgeführt, verhört und des Verrates sowie der Kollaboration mit den Nationalsozialisten beschuldigt. Einige der Beschuldigten hatten Dokumente bei sich, die ihre Unbescholtenheit und ihre slowakische Nationalität belegten. Manche konnten sogar Dokumente vorweisen, die zeigten, dass sie im Slowakischen Nationalaufstand auf der Seite der Partisanen gekämpft hatten.
18. Juni 1945
Abend
Die Soldaten bringen die Evakuierten in die Gemeinde Moštěnice, wo sie erschossen und anschließend in der Ziegelei verbrannt werden sollten. Da diese aber außer Betrieb war, kehren sie zu dem steinernen Barockkreuz bei der Gemeinde Lověšice zurück. Dort müssen Männer mit Schaufeln mitkommen. Sie müssen ein 17 Meter langes Loch graben.
18.-19. Juni 1945
Nacht
Die wehrlosen Zivilisten werden zum nahegelegenen Berg geführt. Sie werden gezwungen, sich bis auf die Unterwäsche auszuziehen. In kleinen Gruppen werden sie erschossen und in einem Massengrab vergraben. Die Wertsachen, die die Opfer bei sich hatten, teilen die Soldaten unter sich auf.
📊 Fakten und Zahlen
Die Nacht an den Schwedenschanzen forderte 267 Opfer:
– 72 Männer
– 120 Frauen
– 75 Kinder unter 15 Jahren
Herkunft der Opfer:
– 131 aus Dobschau/Dobšiná
– 36 aus Drexlerhau/Janova Lehota
– 34 aus Mühlenbach/Mlynica
– 30 aus Kesmark/Kežmarok
– 7 aus Deutschendorf/Poprad
– 7 aus Großschlagendorf/Veľký Slavkov
– 6 aus Matzdorf/Matejovce
– 5 aus Michelsdorf/Stráže pod Tatrami
– 4 aus Einsiedel an der Göllnitz/Mníšek nad Hnilcom
– 3 aus Georgenberg/Spišská Sobota
– 3 aus Altwalddorf/Stará Lesná
– 1 aus Hollumnitz/Holumnica
Überlebende:
7 Menschen schafften es, vor der Hinrichtung zu fliehen.
📌 Ermittlungen
Datum | Ereignis |
---|---|
19. Juni 1945 | Am Abend ordnet der Befehlshaber der sowjetischen Belegschaft die Festnahme von Karol Pazúr an. Doch der hatte sich bereits in die Slowakei abgesetzt. Informationen über die Ermittlungen werden an die Militär- und Sicherheitseinheiten gesendet, sie befassen sich aber nicht mit dem Fall. |
Mitte 1947 |
Eine umfassende Untersuchung beginnt. In der Presse erscheinen erste Meldungen über das Verbrechen. Mit den Ermittlungen, die die Zivilisten betrafen, wird JUDr. František Doležel vom Kreisgereicht in Olmütz betraut. Mit den Ermittlungen gegen die Soldaten Staatsanwalt JUDr. Anton Rašla. Verurteilt wird nur Karol Pazúr. Zunächst sprach das Höhere Militärgericht in Pressburg eine Strafe von sieben Jahren und sechs Monaten Freiheitsentzug aus. Nachdem Pazúr aber dagegen Berufung eingelegt hatte, erhöhte das Höchste Militärgericht in Prag die Strafe auf 20 Jahre. |
1948 | Nach einem Jahr wurde die Haftstrafe durch Präsident Klement Gottwald auf die Hälfte reduziert. |
1952 | Karol Pazúr kommt im Zuge einer Amnestie frei. |
Hinter Gitter wanderte der Mann, der Pazúr angeklagt hatte: Anton Rašla. Der Staatsanwalt wurde zum Häftling, der Mörder Funktionär des Slowakischen Verbandes der antifaschistischen Kämpfer.
Bedřich Smetana, einer der Mitorganisatoren des Massakers, wurde zwar für andere Verbrechen verurteilt, die er in der Slowakei begangen hatte, jedoch nicht inhaftiert. Es gelang ihm, ins Ausland zu fliehen, wo er schließlich auch verstarb.
Gegen František Vaculík, der Einzige, der aus der Gegend stammte und sich aktiv an der Ermordung beteiligte, wurde lediglich ermittelt.
Die anderen beteiligten Soldaten, von denen einige auch aus Dobschau stammten, wurden nicht verurteilt. Sie waren aber der Verachtung der Mitbürger ausgesetzt, deshalb zogen einige auch aus Dobschau weg.
🕯️ Orte des Gedenkens
An den Schwedenschanzen erinnert heute eine Gedenkstätte an das Massaker. Viele der damaligen Opfer ruhen in anonymen Gräbern. Das Gedenken bleibt eine Mahnung gegen Hass, Rache und Gewalt.
Einen maßgeblichen Beitrag zur Aufarbeitung der tragischen Ereignisse leistete der Historiker Dr. František Hýbl aus Prerau. Die Ergebnisse seiner Forschungen fasste er in mehreren Büchern und zahlreichen Artikeln zusammen. Außerdem erinnern Mahnmale, Kreuze und Tafeln an das Massaker.




Auch in der Slowakei wurden Denkmäler für die ermordeten ehemaligen deutschen Mitbürger errichtet – in Dobschau/Dobšiná, Mühlenbach/Mlynica, Kesmark/Kežmarok, Schwedler/Švedlár und Drexlerhau/Janova Lehota.








🕯️ Veranstaltungen zum 80. Jahrestag
Zum 80. Jahrestag des Massakers von Prerau finden in der Slowakei und Tschechien mehrere Gedenkveranstaltungen statt. So laden beispielsweise das Slowakische Nationalmuseum-Museum der Kultur der Karpatendeutschen das Verlagshaus der Palacký-Universität Olomouc am 19. Juni 2025 um 16 Uhr in das Museum in Pressburg/Bratislava ein. Dort findet eine moderierte öffentliche Diskussion zur Veröffentlichung der Publikation „Temné obilie – Masaker na Švédskych šancích pri Přerove“ (Dunkles Getreide – Das Massaker an den Schwedenschanzen bei Prerau) statt. Das Buch arbeitet die Geschichte auf und vermittelt sie unter anderem in Comic-Form. Historiker aus der Slowakei und Tschechien beleuchten bei der Veranstaltung die Ursachen, Folgen und Deutungen des Massakers im historischen und gegenwärtigen Kontext.
Das SNM-Museum der Kultur der Karpatendeutschen hat zum 80. Jahrestag des Massakers auch eine neue Ausstellung vorbereitet. Sie wird im Rahmen des Kultur- und Begegnungsfestes der Karpatendeutschen am 20. Juni 2025 um 15 Uhr im Museum in Kesmark/Kežmarok eröffnet. Unter dem Titel „80 Jahre – Tragödie der Karpatendeutschen an den Schwedenschanzen“ erfahren die Besucher mehr über die historischen Zusammenhänge, die Ereignisse und Folgen der blutigen Nacht vom 18. auf den 19. Juni 1945.
Auch am Ort des Geschehens wird der Ereignisse vor 80 Jahren gedacht. Hier finden Sie die Veranstaltungen im Überblick:
📍 Buchpräsentation & Diskussion – Pressburg/Bratislava
Datum: Donnerstag, 19. Juni 2025
Uhrzeit: 16–17.30 Uhr
Ort: SNM – Museum der Kultur der Karpatendeutschen, Žižkova 14, Bratislava
Anlass: Veröffentlichung der Publikation „Temné obilie – Masaker na Švédskych šancích pri Přerove“
Eintritt: frei
📍 Ausstellungseröffnung – Kesmark/Kežmarok
Datum: Freitag, 20. Juni 2025
Uhrzeit: 15 Uhr
Ort: Museum Kežmarok, MUDr. Alexandra 11, Kežmarok
Anlass: Vernissage der Ausstellung „80 Jahre – Tragödie der Karpatendeutschen an den Schwedenschanzen“
📍 Feierliche Messe und Totengedenken – Prerau/Přerov
Datum: Sonntag, 22. Juni 2025
Uhrzeit: ab 10.30 Uhr
Ort: Sankt-Laurentius-Kirche (Kostel svatého Vavřince), Přerov
Anlass: Messe und Totengedenken für die Opfer des Massakers an den Schwedenschanzen organisiert von der römisch-katholischen Pfarrei Prerau
📍 Gemeinsames Gebet an den Schwedenschanzen – Prerau/Přerov
Datum: Sonntag, 22. Juni 2025
Uhrzeit: 14.30 Uhr
Ort: Schwedenschanzen, Přerov
Anlass: Gedenkveranstaltung für die Opfer der blutigen Nacht vom 18. auf den 19. Juni 1945
📍 Läuten der Versöhnungsglocken – Prerau/Přerov
Datum: Sonntag, 22. Juni 2025
Uhrzeit: 15 Uhr
Ort: Sankt-Laurentius-Kirche (Kostel svatého Vavřince), Přerov
Anlass: Im Herbst 2022 wurden in der Glockengießerei Rudolf Perner in Passau zwei Glocken als Zeichen der Versöhnung gegossen und im Juni 2023 in die Sankt-Laurentius-Kirche in Prerau überführt. Auf der großen Glocke sind die Namen der Familien der getöteten Kinder sowie die Gemeinden, aus denen sie stammten, verewigt. Diese Glocken werden anlässlich des 80. Jahrestages der tragischen Ereignisse feierlich gesegnet und erstmals erklingen.