
Die Slowakei und die Sache mit der Sachertorte
Kaum jemandem ist die Kleinstadt Zelis/Želiezovce (ung. Zselíz) in der Slowakei ein Begriff. Wenn man sie dennoch kennt, dann wahrscheinlich vor allem als Wirkungsstätte Franz Schuberts, der dort die Töchter des Grafen Johann-Karl (ung. János Károly) Eszterházy unterrichtete. Wenige wissen aber, dass auch der junge Wiener Tortenerfinder Franz Sacher durch die Gattin des Grafen an diesen Ort kam.
Gerade mal 26 Jahre war Franz Sacher alt, als er 1842 seine Stelle am Hof der Eszterházy in Zelis antrat. In Wien war er zu dieser Zeit bereits eine Berühmtheit und seine Sacher-Torte, die er als Lehrbub des Fürsten Metternich erfand, in der gehobenen Gesellschaft der Hauptstadt wortwörtlich in aller Munde.



Eduard Sacher erblickt in der heutigen Slowakei das Licht der Welt
Dies war für Rosina Gräfin Festetics, die Ehefrau des Grafen Johann-Karl Grund genug, den talentierten jungen Burschen an ihren Sommersitz in Zelis zu holen. Mit ihm reiste seine Freundin und spätere Frau Rosalia Wieninger, die in Zelis am 8. Februar 1843 den zweiten Sohn der Familie Eduard gebar.
Ziel der Gräfin und des Grafen war es, die Herrschaft Zelis weiterzuentwickeln und so holte man neben dem berühmten Wiener Koch und Tortenkünstler auch den nicht weniger berühmten Komponisten Franz Schubert als Musiklehrer für die Fürstentöchter Marie-Theresie und Karoline in die Provinz. Für die Gestaltung des Landschaftsparks im englischen Stil engagierte man führende Landschaftsgärtner und die Gründung von vier Maierhöfen sollte die wirtschaftliche Entwicklung des Landstriches fördern.
Lehrjahre in Wien und Europa
Doch den jungen Eduard Sacher hielt es nicht lange im damals ungarischen (heute slowakischen) Zelis. In Wien absolvierte er eine Kochausbildung im Palais Schwarzenberg und begann direkt im Anschluss eine Lehre beim k.u.k. Hofzuckerbäcker Demel, wo er seine eigene Interpretation der berühmten Torte seines Vaters erschuf.



Nach Auslandsaufenthalten in Lyon, Paris und London kehrte er 1866 nach Wien zurück und eröffnete ein Wein- und Delikatessengeschäft im Palais Todesco. 1867 leitete er das Restaurant Dreher auf der Pariser Weltausstellung. 1868 übernahm er die „Restauration“ am Konstantinhügel im Prater, wo bedeutende königliche Gäste und sogar der deutsche Kaiser Wilhelm I. zu Gast waren.
Sacher als erfolgreicher Hotelier
Der endgültige Durchbruch gelang Sacher 1876 mit der Gründung des Hotels Sacher in direkter Nähe zur Wiener Staatsoper, das schnell zu einer der besten Adressen der Stadt avancierte. Am 22. November 1892 starb Eduard Sacher als gemachter Mann. Das Hotel in Wien führte seine Witwe und zweite Frau Anna Maria Sacher erfolgreich weiter. Allerdings überlebte das Haus die Wirtschaftskrise der 1920er Jahre nicht und musste 1934 Konkurs anmelden.
Der „Wiener Tortenkrieg“
Doch selbst nach seinem Tod wurde es um den Namen Eduard Sacher nicht still. Sein gleichnamiger Sohn übertrug dem Hofzuckerbäcker Demel das Rezept der „Original Sacher-Torte“, was in einem Rechtsstreit – mit dem mittlerweile von der Familie Gürtler geführten Hotel Sacher – endete. Das Hotel Sacher verkaufte nämlich seine Torte als „Original Sacher-Torte“ auch außerhalb des Hauses. Beide Tortenvarianten unterscheiden sich nur marginal. Die Version des Zuckerbäckers Demel besitzt nur eine Schicht Marillenmarmelade unter der Kuvertüre, wohingegen die Torte des Hotels Sacher eine zweite Marmeladenschicht in der Mitte aufweist.
Die Einigung erfolgte außergerichtlich. Das Hotel Sacher verkauft seine Torte daher heute als „Original Sacher-Torte“, beim Konditor Demel trägt sie nun den Namen „Eduard Sacher-Torte“.
Egal, welche der beiden Torten Sie bevorzugen, denken Sie beim nächsten Genuss der Schokoladentorte mit der Marillenschicht an Zelis in der Slowakei, wo die Geschichte des Hotels Sacher ihren Anfang nahm.
Yannick Baumann