Blick auf Schwedler

In Schwedler mit Kindern auf dem Weg zu unseren Wurzeln

Wir, Ing. Gabriela Ivančová und Prof. Dr. Ferdinand Klein, versuchten besonders mit den Kindern und Enkelkindern in unserem Heimatort Schwedler/Švedlár, uns an die Vergangenheit zu erinnern und die Gegenwart zu gestalten. Wir dürfen unsere Wurzeln nicht vergessen und müssen Erinnerungskultur pflegen. Gemeinsam arbeiteten Gabriela Ivančová, Aranka Stigloher und Ferdinand Klein an dem Text, den Gabi in der DVD „Unsere Wurzeln“ mit Hingabe, Herzenskraft und Zuversicht feierlich vorgetragen hat.

Wir gehen von unseren persönlichen Erfahrungen aus und erkennen, dass es in einer von Kriegen und Katastrophen gebeutelten Zeit geboten ist, der Freude der Enkel- und Urenkelgeneration in Schwedler zu folgen. Gerade die Kinder lehren uns beim Sommersprachlager im August 2024: Sie pflegen mit ihren Begleitern bei der Spurensuche eine grundlegende Kultur des Erinnerns an die Geschichte, Tradition und Bräuche unserer Vorfahren. Ihr Denken und Handeln ist voller Lebens-, Lern- und Spielfreude.

DVD Cover "Unsere Wurzeln"
Die Vorder- und Rückseite der DVD der OG Schwedler des KDVs „Unsere Wurzeln“

Bildungs- und Kulturarbeit an zwei erinnerungswürdigen Beispielen

Wir führten in der Begegnungsstätte mit jeweils 25 Kindern aus Schwedler und der Unterzips fünf einwöchige Bildungs- und Kulturseminare durch und besuchten Dobschau/Dobšiná und Einsiedel an der Göllnitz/Mníšek nad Hnilcom. In der Dobschauer Kirche standen wir vor der Gedenktafel, die an 110 Dobschauer erinnert, die beim Massaker von Prerau/Přerov ihr Leben lassen mussten. Sie waren sechs Wochen nach Kriegsende auf dem Weg zurück in ihre Heimat und wurden in der Nacht vom 18. zum 19. Juni 1945 in Prerau ermordet. Insgesamt mussten 267 unschuldige Karpatendeutsche aus Dobschau, Drexlerhau/Janova Lehota, Mühlenbach/Mlynica, Kesmark/Kežmarok und anderen Zipser Orten ihr Leben lassen. Die Kinder hörten der Erzählung von Frau Gömöryová und ihrer Schwester Frau Hollá über die Prerauer Tragödie aufmerksam zu. Sie waren tief ergriffen und fragten: Wie konnte das passieren? Wir verharrten schweigend im Gebet.

In der Begegnungsstätte Einsiedel fand eine Veranstaltung mit Frau Ilse Stupák, der Hauptakteurin des Literaturkränzchens, und ihrem Team statt. Den Kindern und Frauen des literarischen Gesprächskreises erzählte Fredi die Lebensgeschichte des Arztes und Pädagogen Janusz Korczak, der Anfang August 1942 mit seinen 200 Waisenkindern und seiner Mitarbeiterin Stefánia Wilczyńska das Warschauer Ghetto verlassen musste und im Vernichtungslager Treblinka ermordet wurde. Die Menschen wurden zu Nummern degradiert, ihre Spuren verloren sich in der schrecklichen Anonymität der Massendeportation. Das anschließende Gespräch mit den Kindern und dann mit den Erwachsenen hat die Kinder tief bewegt. Sie fühlten sich angesprochen und stellten herzergreifende Fragen. Am nächsten Tag hielten sie das Erlebte in Bildern fest, die in der Begegnungsstätte zu sehen sind. Die Kinder haben über ihre Bilder erzählt. Das zeigen die folgenden Beispiele.

Ein Bild von Tanja (10 Jahre)
Tanja (10 Jahre): Korczak und Frau Stefa mit ihren Kindern

Tatiana (10 Jahre) sagte zu ihrem Kunstwerk sinngemäß: „Korczak hat die Kinder sehr lieb. Die Kinder sind sehr traurig. Fast alle Kinder weinen. Ein Kind kniet und weint. Auch Frau Stefa weint. Sie gehen Hand in Hand, sie gehen mit Korczak und Frau Stefa. Zwei Kinder tragen ihre Puppen mit. Korczak geht gerade (aufrecht). Er schaut nach vorne. Korczak trägt ein Kind auf dem Arm. Soldaten bewachen die Gruppe“.

Kinderbildnis Janusz Korczaks
Natalia (8 Jahre): Korczak schaut  traurig


Natalia (8 Jahre) sagte zu ihrem Kunstwerk: „Korczak schaut aufmerksam. Er ist sehr traurig. Er hat Tränen in den Augen. Er weint, weil den Kindern Unrecht geschieht. Er sieht alles mit großen Augen, er hört alles mit offenen Ohren.“ Wir erkennen: Korczak setzte dem Mord unschuldiger Menschen seine Humanität und Liebe entgegen. Er war für die Kinder ein Mensch, der ihnen Sicherheit gab.

Erinnerungskultur pflegen ist ein Gebot

Wir, Gabi und Fredi, gestalten zusammen mit unseren Familien und mit den uns anvertrauten Kindern in der frohen Lebensgrundform SPIEL unsere Erinnerungsarbeit. Wir danken allen, die unser Denken und Handeln weitertragen und hoffen, dass die Sprache und Kultur unserer Vorfahren in Erinnerung bleibt und unter den gegebenen Bedingungen der Zeit in Schwedler weiter lebendig gestaltet wird. Mit dieser Hoffnung glauben wir an eine Kraft, die über den Menschen hinausreicht und im Geistigen liegt. Hier kann sich das gemeinsame Haus Europa in kleinen Lebenseinheiten weiterentwickeln. Wir erinnern an Dietrich Bonhoeffer, der als Christ, Humanist und Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg ermordet wurde. In seinem Werk „Freiheit ist ein Werk von Worten“ schreibt Bonhoeffer:


„Je schöner und voller die Erinnerung,
desto schwerer ist die Trennung.
Aber die Dankbarkeit wandelt die
Erinnerung in eine stille Freude.
Man trägt das vergangene Schöne
nicht wie einen Stachel,
sondern wie ein kostbares Geschenk in sich.“

Gabriela Ivančová, Ferdinand Klein