Einsiedel an der Göllnitz

Literaturkränzchen einmal ganz anders

Die Frauen vom Literaturkränzchen in Einsiedel an der Göllnitz/Mníšek nad Hnilcom haben sich vorgenommen, die Begegnungen bei guten Büchern und schönen Gedichten im Jahr 2020 etwas feierlicher zu gestalten.

Ein guter Anlass dazu war die Eröffnung des Hölderlinjahres 2020 im Deutschen Literaturarchiv Marbach zum 250. Geburtstag des deutschen Heimatdichters Friedrich Hölderlin (1770-1843). So haben auch wir unsere Heimatdichter eingeplant, um ihnen die Ehre und die Huldigung zu erweisen für die schönen und gefühlvollen Gedichte, die sie für uns und für die nächsten Generationen geschrieben haben.

Begonnen haben wir mit Karl Konrad (1874-1956) und dem Gedicht „Meine Heimat“. Von Rudolf Göllner (1904-1990) war das Gedicht „Ansiedla!“ (Einsiedler!) dabei. Diese Gedichte haben wir vorgetragen und das nächste Literaturkränzchen geplant. Aber leider kam es ganz anders!

Wir haben beschlossen, das geplante Programm dennoch durchzuführen – aber nicht in unserer Küche, denn wir durften uns nicht treffen. Die Frauen haben die Themen in ausgedruckter Form „zum Mitnehmen“ bekommen und so können sie sie sich zu Hause durchlesen, wann immer sie Lust dazu haben.

In dem Programm war auch unser Heimatdichter Adalbert Mehly. Er ist am 27. März 1891 in Wagendrüssel/Nálepkovo geboren und war wie sein Vater ein erfolgreicher Lehrer. 1912 kam er nach Einsiedel an der Göllnitz, wo er später Direktor der achtklassigen deutschen Volksschule wurde. Er war auch Kantor in der evangelischen Kirchengemeinde, leitete den Männergesangsverein und veranstaltete mehrere Theateraufführungen. Die Idee einen Tanzplatz im Bergsattel des 703 Meter hohen Spitzenberges aufzubauen, hatte Adalbert Mehly. Gedichte schrieb er teils in Einsiedler Mundart, aber auch auf Hochdeutsch. Adalbert Mehly hat seine Gründler in vielen Mundartgedichten gerne in heiterer Weise dargestellt und geneckt wie in diesem Gedicht:

„De Ansiedla“

Ach Jomma Leit, es boa ka Vogl

A Kiepl boa gelëgt ze treign

Ond den hom halt de gutn Jäga

Zelechat duet of allen Seitn,

Di solln vil Joggleëck hobn de Prida

De Ansiedla, de Kieplschießa!

(Kiepl = Kürpel, spitzer Lederschuh, aus dem slow. Krpec)

„Die Einsiedler“

Ach Jammer Leut, es war kein Vogel

Ein Kürpel war gelegt zu trocknen

Und den haben halt die guten Jäger

Zerlöchert dort auf allen Seiten,

Die solln viel Jagdglück haben die Brüder

Die Einsiedler, die Kürpelschießer!

Der hochgeachtete Lehrer lebte nach seiner Pensionierung 1936 in dem „Bienenhaus“, aber schon nach zwei Jahren erwarb er in Kirchdrauf/Spišské Podhradie ein kleines Häuschen, wo er seinen Lebensabend verbrachte. Nach einer Erkrankung kam er ins Krankenhaus in Leutschau/Levoča, wo er am 23. März 1970 verstarb. Dort ist auf dem evangelischen Friedhof auch seine letzte Ruhestätte. Die Gedichte und Geschichten von Adalbert Mehly konnte man in der Monatszeitschrift „Der Gründler“ lesen. Die erste Ausgabe kam am 15. Juli 1925 in Göllnitz heraus, darin findet sich dieses Gedicht:

Gründler

„Auf deiner Bahn, im Dienste deines Volkes

Mögen drei Sterne dauernd vor dir schweben:

Der Stern des Wahren, Guten und Schönen.

Durch sie geführt, wirst nie den Pfad du fehlen.“

Berühmter Wegbereiter der Moderne

Längere Zeit haben wir im Haus der Begegnung die deutsche Zeitschrift „Frau im Spiegel“ lesen können. Dort stand viel Interessantes. In der Rubrik „Kultur“ waren Meisterwerke zum Mitreden abgedruckt wie die Frage „Wissen Sie noch, wer die berühmten Sonnenblumen malte?“ Das wussten wir und erfuhren im Internet: Vincent Willem van Gogh ist 1853 in Groot-Zundert in den Niederlanden geboren. Gestorben ist er 1890 im französischen Auvers-sur-Oise. Er war Maler und Zeichner, gilt als einer der Begründer der modernen Malerei. Nach gegenwärtigem Wissensstand hinterließ er 864 Gemälde und über 1.000 Zeichnungen, die allesamt in den letzten zehn Jahren seines Lebens entstanden sind. Vincent van Gogh führte einen umfangreichen Briefwechsel, der eine Fülle von Hinweisen auf sein malerisches Werk enthält und selbst von literarischem Rang ist.

Eines der bekanntesten Bilder von Vincent van Gogh sind die Sonnenblumen. Wir haben sie auf einer Ansichtskarte und gerade die war der Anlass, dass wir Vincent van Gogh und seine Malereien in unser Programm aufgenommen haben. Das Buch „VAN GOGH“ (2018) hat Olaf Mextorf zusammengestellt. Es ist ein Genuss in diesem Buch zu blättern und die Malereien und Porträts des Künstlers zu bewundern. Wir haben uns an den 130. Todestag des Künstlers erinnert, von dem dieses Zitat stammt: „Wenn man die Natur wahrhaft liebt, so findet man sie überall schön.“

Thomas Mann Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull

Auch Thomas Mann haben wir in unserem Programm gehabt. Geboren ist er 1875 in Lübeck und 1955 in Zürich gestorben. Er war ein deutscher Schriftsteller und einer der bedeutendsten Erzähler des 20. Jahrhunderts. Mit ihm erreichte der moderne deutsche Roman den Anschluss an die Weltliteratur. 1929 erhielt er den Nobelpreis für Literatur. Über Thomas Mann sprachen wir schon öfter. Diesmal haben wir „Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ ausgewählt. Darin blickt der 40-jährige Felix auf ein Leben voller Eskapaden zurück. Das Buch ist amüsant und nicht langweilig. Man wird beim Lesen in die damalige Zeit mitgenommen.

Hölderlin-Jahr 2020

Zum Friedrich-Hölderlin-Jahr waren mehrere Veranstaltungen geplant, doch es wurden nur wenige durchgeführt. Die Stadt Laufen am Neckar hat das Hölderlinhaus, in dem der deutsche Dichter, Übersetzer, Philosoph und Hauslehrer am 20. März 1770 geboren ist, renoviert und es ist seit Juli 2020 für die Besucher geöffnet. Friedrich Hölderlin gilt als einer der größten Lyriker der Welt. Die Coronakrise macht sein Werk wieder aktuell. Hölderlins Verse aus seiner 1803 vollendeten Hymne „Patmos“ sind sprichwörtlich wieder aktuell geworden, das zeigt sich gerade in diesen Corona-Zeiten. Menschen posten sie auf Facebook.

Die Schriftstellerin und deutsche PEN-Präsidentin Regula Venske (1955 in Minden geboren, lebt in Hamburg) zitiert sie, um zum 250. Geburtstag des Dichters darauf aufmerksam zu machen, wie sehr manche von Hölderlins Gedichten nicht nur sie durch das ganze Leben begleiten. „Für mich ist Hölderlin bei aller Rätselhaftigkeit der größte Dichter deutscher Sprache“, urteilt sie. Zum Glück können wir uns seinen Gedichten heute unbefangen nähern und sie lesen wie Musik. Friedrich Hölderlin sagte einmal: „Es ist nichts so klein und wenig, woran man sich begeistern könnte.“

Ilse Stupák