
Literaturkränzchen in Einsiedel an der Göllnitz
Es war ein schöner, sonniger Winternachmittag und wir hatten in Einsiedel an der Göllnitz/Mníšek nad Hnilcom das erste Literaturkränzchen im Jahr 2025 organisiert. So trafen sich die Frauen in unserer Küche, um über gute Bücher zu sprechen, gefühlvolle Gedichte vorzutragen und immer auch etwas Interessantes zu entdecken.
Wir begannen mit August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798–1874) und einem seiner Gedichte – ein Text, der immer aktuell bleibt:
Das alte Jahr vergangen ist,
das neue Jahr beginnt.
Wir danken Gott zu dieser Frist.
Wohl uns, dass wir noch sind!
Wir sehn aufs alte Jahr zurück
und haben neuen Mut:
Ein neues Jahr, ein neues Glück.
Die Zeit ist immer gut.
Ein neues Jahr, ein neues Glück.
Wir ziehen froh hinein.
Und: Vorwärts, vorwärts, nie zurück!
soll unsre Losung sein.
Anschließend lasen wir die Glückwünsche, die uns zum Jahreswechsel erreicht hatten.
Ein Blick auf Dietrich Bonhoeffer
In unsere kleine Kulturchronik wurde das erste Programm dieses Jahres eingetragen. Unsere Aufmerksamkeit galt diesmal Dietrich Bonhoeffer. Er war ein Theologe und christlich geprägter Dichter. Geboren wurde er am 4. Februar 1906 in Breslau als sechstes von acht Kindern. Sein Vater war Arzt und Neurologe, seine Mutter Lehrerin. Sie unterrichtete die Kinder in den ersten Jahren zu Hause und sorgte für eine christliche Erziehung.
Diesmal wählten wir sein Gedicht „Wer bin ich?“ – eines der letzten, das er in seiner Gefängniszelle in Berlin-Tegel im Juli 1944 verfasste. Er legte es einem Brief an seinen Freund Eberhard Bethge bei. Das Gedicht war ursprünglich für seine Verlobte Maria von Wedemeyer bestimmt. Darin beschreibt er seine Gefühle nach einem Besuch von Maria im Gefängnis. „Im Traum erscheint nur ihr Bild erneut“, heißt es im Gedicht. „Über deine Nähe erwach’ ich mitten in tiefer Nacht. Und erschrecke – bist du mir wieder verloren?“
Wir nahmen außerdem das Buch „Bonhoeffers große Liebe“ von Fabian Vogt zur Hand. Ein junger Jesuitenpater besuchte Maria von Wedemeyer 1967 in Boston, um mit ihr über ihren Verlobten Dietrich Bonhoeffer zu sprechen. Zum ersten Mal ließ sie sich darauf ein. Fabian Vogt erzählt einfühlsam die Liebesgeschichte eines der berühmtesten Paare der Welt. Zu Weihnachten 1944/45 schrieb Dietrich Bonhoeffer sein bekanntes Gedicht „Von guten Mächten“:
Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.
Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.
Dieses Gedicht war für seine Eltern und für Maria bestimmt. Es entstammt dem Briefwechsel mit Maria, die ihn einmal pro Woche in der Militärhaftanstalt Berlin-Tegel besuchen konnte. Es war sein letztes Gedicht. Wie alle Werke von Dietrich Bonhoeffer schenkt es Kraft und Zuversicht.
Dietrich Bonhoeffer wurde am 9. April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet. Eines seiner Zitate bleibt uns als Ermutigung: „Man muss sich durch die kleinen Gedanken, die einen ärgern, immer wieder hindurchfinden zu den großen Gedanken, die einen stärken.“


Literatur und Kunst entdecken
Gut, dass es das Karpatenblatt gibt! Täglich kann man dort – auch online – Neues, Schönes und Interessantes aus den Ortsgruppen des Karpatendeutschen Vereins erfahren. So war es auch in der April-Ausgabe 2020. Auf Seite 6 erschien der Artikel „Singen mit Mutti im Herzen“. Darin zitierte Adriána Oswaldová aus Krickerhau/Handlová Peter Handkes Lied „Vom Kindsein“. Darin heißt es: Als das Kind war, wusste es nicht, dass es Kind war, alles war ihm beseelt und alle Seelen waren eins.
Beim Schreiben dieses Artikels erinnerte sich Adriána Oswaldová an den Film „Der Himmel über Berlin“, für den Peter Handke 1986 das Lied „Vom Kindsein“ verfasste. Wir kennen sein Buch „Kindergeschichte“ schon länger. Dafür erhielt er 2019 den Literaturnobelpreis. Wir lasen es und sprachen darüber. Peter Handke wurde 1942 in Griffen in Kärnten (Österreich) geboren. Neugierig geworden, suchten wir nach dem vollständigen Text des Liedes „Vom Kindsein“ – das Internet machte es uns möglich. Wir lasen es gemeinsam und trugen es vor. Ohne den Artikel im Karpatenblatt hätten wir davon nichts erfahren.
Ein Blick auf die Kunst
Auch in der Quizsendung „Gefragt – Gejagt“ kann man viel Interessantes lernen. Darin wurde etwa gefragt: Welcher berühmte Maler trägt den Vornamen Claude? Die Antwort: Monet. Eine andere Frage lautete: Welcher berühmte Maler hat das teuerste Heuschober-Gemälde geschaffen? Richtig war: Claude Monet.
Diese Fragen weckten unser Interesse an Monet. Zwei Bücher halfen uns dabei, mehr über ihn zu erfahren. Claude Monet war ein bedeutender französischer Maler des Impressionismus. Er wurde 1840 in Paris geboren und verstarb 1926 in Giverny in Frankreich. Seine berühmten Werke zeigen faszinierende Licht- und Naturdarstellungen, darunter die weltberühmten Seerosengemälde und die Getreideschober auf den Feldern seines Grundstücks in Giverny. Im Jahr 1902 sagte Monet: „Mein schönstes Paradies ist mein Garten – der Seerosenteich in Giverny“. Unsere Lehrerin, Mgr. Rose Wenzel, war kürzlich in Wien und besuchte die Galerie Albertina, wo sie Werke von Claude Monet bewundern konnte. Begeistert berichtete sie uns davon.
Abschluss und Ausblick
Zum Abschluss trugen wir ein Gedicht von Lion Feuchtwanger (1884–1958) vor:
Wie schnell zerstreuen sich
Unrast und Verzweiflung
in der Stille der Natur.
Grübeleien darüber,
was man hätte tun und
was man hätte lassen sollen,
sie führen zu nichts.
Beim nächsten Literaturkränzchen wird Lion Feuchtwanger unser Schwerpunktthema sein. Die Frauen von der Singgruppe „Spitzenberg“ brachten zum Abschluss das Lied „Nun ade, du mein lieb Heimatland“ mit, das wir gemeinsam sangen.
Ilse Stupák