Holzschnitt, der Ärzte bei der Arbeit zeigt.

Von Bergbauärzten und Bergbauchirurgen

Der ärztliche Beruf ist seit Hippokrates bis heute mit Würde und Anerkennung verbunden. Ärzte sind Hüter der Gesundheit und des Lebens. In den von Deutschen bewohnten Bergbaugebieten des Königreichs Ungarn fand das Erbe von Agricola und Paracelsus großen Anklang. Die Wegbereiter der Arbeitsmedizin legten wichtige Grundlagen, auf denen sich dann die Berufsmedizin entfaltete und das Leben unserer Vorfahren über Jahrhunderte hinweg beeinflusste.

Ein bedeutender Meilenstein in der Erforschung von Berufskrankheiten war das Werk “De morbis artificium diatriba” (1700) von Bernardino Ramazzini, einem Professor an der medizinischen Fakultät von Modena im 17. Jahrhundert. Ramazzini beschrieb die Arbeitsbedingungen und Krankheiten von mehr als fünfzig verschiedenen Berufen, darunter Bergleute, Seifensieder, Walzer, Fischer und Schriftsteller. Er identifizierte Krankheiten, die sowohl auf Quecksilbervergiftung als auch auf falsche Körperhaltung bei bestimmten Arbeiten zurückzuführen waren. Seine Forschung basierte auf praktischer Erfahrung und eigenen Beobachtungen.

Der karpatendeutsche Beitrag zur Entwicklung der Arbeitsmedizin

Obwohl Ramazzini das niederungarische Bergbaugebiet nie persönlich besuchte, beeinflusste sein Buch die dortigen Verhältnisse. Der deutsche Arzt Johann Christian Gottlieb Ackermann übersetzte das Werk ins Deutsche, und es fand in unseren Bergbaugebieten sowie in der gesamten Monarchie Anklang.

Im 18. Jahrhundert verfassten zwei gebürtige Neusohler bemerkenswerte Dissertationen zur Arbeitsmedizin an der Medizinischen Fakultät der Universität Halle. Stefan Anton Kochlatsch untersuchte die Ursachen der Morbidität bei Bergleuten und Metallurgen, während Gottfried Moller die gesundheitlichen Auswirkungen der Bergwerksluft erforschte. Diese Dissertationen trugen dazu bei, die Arbeitsbedingungen der Berg- und Hüttenarbeiter besser zu verstehen.

Der Arzt Zacharias Gottlieb Huszty, Stadtarzt von Preßburg (heute Bratislava), setzte sich ebenfalls für die Berufsmedizin und die Einrichtung von Bergbaukrankenhäusern ein. Die Gesundheit und Sicherheit der Arbeiter wurden zu einer “öffentlichen Pflicht”, und die Arbeitsmedizin erlangte einen wichtigen Stellenwert in der medizinischen Forschung. Wie aber  war es denn um die Bergleute und die Mediziner damals bestellt?

Katastrophale Lebensbedingungen als Krankheitsursache

Die Pflicht, die Patienten zu Hause zu besuchen, bot den Ärzten die wertvolle Chance, die Lebensumstände ihrer Patienten besser kennenzulernen. Die waren oft erschütternd. Sie lebten in Holzhäusern, die von mehreren Familien bewohnt wurden. Die Unterkünfte waren schlecht belüftet, und es gab nur begrenzte Lebensmittelvorräte. Die Ärzte bemängelten aber nicht nur die Ernährung, sondern auch den übermäßigen Alkoholkonsum. Zudem lehnten viele Bergleute medizinische Behandlungen ab. Doktor Johann Georg Hoffinger schlug daher vor, in Schemnitz/Banská Štiavnica ein Krankenhaus in sonniger Lage zu errichten, um die Kosten durch erhöhte Arbeitsproduktivität genesener Berg– und Hüttenleute auszugleichen.

Bildnis des Mediziners Johann Georg Hoffinger
Der Arzt Johann Georg Hoffinger war in Schemnitz als Kameralphysicus tätig.

Im 18. Jahrhundert waren Informationen über Ärzte oft bruchstückhaft. Ein Reskript von 1601 schrieb die Ernennung eines Bergbaukammerarztes in Schemnitz fest. Bergbauärzte erhielten Gehalt, freie Unterkunft, Naturalien und eine Pferdekutsche. Die Gesundheitsversorgung der Bergleute lag in den Händen der Bergbaustädte wie Kremnitz/Kremnica, Schemnitz und Neusohl/Banská Bystrica. Diese hatten meist einen gemeinsamen Arzt.

Aufgrund des Ärztemangels wurden die Funktionen oft kombiniert. Der Arzt war nicht nur für die Bergkammern zuständig, sondern auch Stadtarzt. Später wurde er als Physikus bezeichnet. Die Stadtärzte hatten viel zu tun, da es in jeder Bergbaustadt tausende Arbeiter gab. Die Chirurgen des Neusohler Bergbaureviers teilten deshalb ihre Bezirke, um die Bergleute besser zu betreuen. Im 18. Jahrhundert gab es in Neusohl sogar bis zu vier Chirurgen.

Bild, dass den Bergbau in Schemnitz graphisch darstellt.
Für die Bergleute im Schemnitzer Revier war die Entwicklung der Medizin ein Segen.

Spezialisierte Ärzte und Chirurgen

Im Bergbaugebiet der heutigen Mittelslowakei gab es im 17. Jahrhundert eine spezielle medizinische Kategorie für Bergleute und ihre Familien. Wundpfleger, Bader und Barbiere spielten wichtige Rollen. Bergbauwundärzte behandelten spezifische Krankheiten und Verletzungen und führten riskante Operationen durch. Bei schwereren Erkrankungen wurde ein Bergbaumediziner hinzugezogen. Das Gehalt der Chirurgen war niedriger als das der Ärzte, wurde aber unter Maria Theresia mehrmals angepasst. 1751 wurden vier Bergbau-Chirurgen mit Erinnerungsmedaillen ausgezeichnet.

Chirurgie galt ursprünglich als Handwerk und die Chirurgen waren in Zünften organisiert. Ein Universitätsstudium war bis Ende des 18. Jahrhunderts nicht erforderlich. Die neue chirurgische Akademie in Frankreich (1731) und Reformen in Mitteleuropa verbesserten den Status der Chirurgen. Die Regeln für Wundchirurgen der Monarchie wurden  in der Reichsärzteordnung von 1753 und der Allgemeinen Ärzteordnung von 1770 festgelegt.

Medizinisches Wissen für Zukunft

Unsere deutschen Vorfahren konnten sich über viele Jahrhunderte hinweg immer auf die Unterstützung von Ärzten verlassen, was wirklich ein großes Glück war. Bergbau und Bergbau-Medizin waren immer untrennbar miteinander verbunden. Wir sind sehr dankbar und voller Respekt vor den Menschen, die uns so viel Wissen und noch mehr Fürsorge vermittelt haben. Sie haben unseren Ahnen große Dienste erwiesen. Wir wissen das sehr zu schätzen. Und wir sind dankbar, dass wir heute in einer Zeit leben, in der wir dieses Wissen nutzen können, um die Herausforderungen von morgen zu meistern.

Oswald Lipták