
Von Paracelsus bis zur Royal Society und École royale: Wissenschaftliche Reisen
Im 16. Jahrhundert erkannten Gelehrte und Bergbauexperten die Bedeutung des ungarischen Bergbaus und reisten trotz der Unruhen immer häufiger nach Ungarn. Die deutsche Sprache spielte dabei eine zentrale Rolle als Verkehrssprache des frühneuzeitlichen Montanwesens, da fast die gesamte Fachliteratur auf Deutsch verfasst oder schnell übersetzt wurde.
Ab Mitte des 16. Jahrhunderts waren die von Deutschen besiedelten Gebiete Ungarns, neben dem Harz und Sachsen, ein beliebtes Ziel für Besichtigungen in den bedeutenden mitteleuropäischen Bergbaurevieren. Dabei erstellten sie wichtige Reiseberichte, die einige Bilder über unsere von Deutschen geprägten und bewohnten Bergbaugebiete liefern.
Recherchen zu diesen Reiseberichten zeigen, wie wichtig der ungarische Bergbau war. Westeuropäische Experten gelangten in die habsburgischen Bergbaugebiete, reisten ins böhmische Erzgebirge, über Prag und Pressburg bis ins niederungarische Bergbaugebiet. Die meisten fuhren weiter ins oberungarische Bergbaugebiet, zweigten ab und fuhren durch Nordungarn zurück. Die weitere Route führte dann entweder über die Salzminen in Groß Salze/Wieliczka und Schlesien, oder bis nach Siebenbürgen und in die Bergbauregionen im Banat. Besuche in Bergwerken im Harz dienten dem Vergleich mitteleuropäischer Reviere.
Anfänge der wissenschaftlichen Reisetätigkeit
Der erste bekannte Gelehrte des 16. Jahrhunderts, der die Bergstädte Niederungarns besuchte, war der Schweizer Arzt und Alchemist Paracelsus (ca. 1493 – 1541). In seine Fußstapfen traten seine jüngeren Kollegen und ideologischen Anhänger, der Deutsche Johann Agricola (1590 – 1668) und die Franzosen Jean Beguin (ca. 1550 – ca. 1620) und Jean-Baptiste Morin (1583 – 1656). Ihre wichtigsten Gesprächspartner waren der einheimische Arzt und Chemiker Johann Ruland (1575 – 1638) sowie der Bergmann und mehrfache Richter von Schemnitz/Banská Štiavnica Ulrich Reutter (1563 – 1619). Agricola und Beguin bereisten Ungarn einige Jahre vor J.-B. Morin, dessen Reisebericht von 1615 als einziger erhalten ist.

Der lothringische Arzt Jean Beguin war ein berühmter Wissenschaftler, der die Lehren des Paracelsus weiterentwickelte. Er studierte Medizin und reiste 1612 durch die Bergwerke Mitteleuropas. Nach seiner Rückkehr ließ er sich in Paris nieder und eröffnete dort eine eigene Schule für Pharmazie und Chemie mit einem Labor. Sein berühmtestes Buch ist das „Tyrocinium Chymicum“, das als erstes Lehrbuch der Chemie gilt und oft nachgedruckt wurde.
Jean Baptiste Morin begann mit 16 Jahren ein Studium an der Universität Aix-en-Provence. Danach studierte er ab 1611 Medizin in Avignon und schloss 1613 mit dem Doktortitel ab. Er arbeitete für den Bischof von Boulogne-sur-Mer, der ihn auf eine Studienreise nach Holland, in die deutschen Länder und die Habsburgermonarchie schickte. Morin war auch als Astrologe tätig und forschte auf dem Gebiet der Optik und astronomischen Beobachtungen. Von 1630 bis zu seinem Tod war er Professor für Mathematik in Paris. Eine Auswahl aus Morins Reisebericht über die Habsburgermonarchie wurde im 18. Jahrhundert in englischer Übersetzung veröffentlicht, was verursachte, dass er irrtümlich für einen Engländer gehalten wurde.
Im Gegensatz zu J.-B. Morin war der Arzt und Naturforscher Edward Browne (1644–1708) ein echter Brite und reiste in den Jahren 1669 und 1671 nach Ungarn. Er hatte persönliche und politische Gründe dafür. Die Mitglieder von Gelehrtengesellschaften in Westeuropa lernten durch Bücher von Alchemisten und Iatrochemisten aus Westeuropa vom ungarischen Bergbau. 1660 wurde in London die Royal Society gegründet, eine Gelehrtengesellschaft, die die „neue Wissenschaft“ von Francis Bacon weiterentwickelte. Die besten britischen Wissenschaftler forschten dort gemeinsam und folgten Bacons Ideen zur Sammlung und Bewertung von Fakten. Das Motto der Gesellschaft lautet: „Nullius in verba“ (Nach niemandes Worten).

Die Royal Society und die sechs Jahre später gegründete französische Académie Royale des Sciences sind neue Arten von Institutionen, die sich mit dem kollektiven und systematischen Studium von Naturwissenschaften beschäftigen. Dabei wenden sie klare Methoden an und veröffentlichen ihre Ergebnisse.
Die zweite Phase der Montanreisen
Der Höhepunkt der ersten Phase der Montanreisen in die Länder der Habsburgermonarchie war eine Reise für zwei junge Studenten der École royale, finanziert von der französischen Staatsverwaltung. Antoine-Gabriel Jars (1732–1769) und Jean-Pierre-François Guillot-Duhamel (1730–1816) waren zwei Studenten der École royale des ponts et chaussées, einer der ersten technischen Hochschulen. Sie lernten den sächsischen Ingenieur König kennen, der kurz zuvor Schlüters Buch über die Metallurgie ins Französische übersetzt hatte. Das hatte Einfluss auf ihre berufliche Ausrichtung und ihren Forschungsweg. Neben dem Bergbau und der Metallurgie unterrichtete er beide Fächer auch auf Deutsch, dessen Kenntnis auf dem Gebiet des montanistischen Wissens eine Notwendigkeit war – auch auf der École royale.
Fazit
Die Reisen und Berichte dieser Gelehrten und Bergbauexperten verdeutlichen die zentrale Rolle des ungarischen Bergbaus im 16. Jahrhundert und die Bedeutung der deutschen Sprache als Verkehrssprache des Montanwesens. Ihre Arbeiten und Entdeckungen trugen wesentlich zur Verbreitung von Wissen und zur Entwicklung der Wissenschaften bei, was die Grundlage für viele spätere Fortschritte legte.
Oswald Lipták