Janusz Korczak

Vor allem heute an Janusz Korczaks Credo denken

Auf meinen Karpatenblatt-Beitrag vom 24. Februar 2021 „Janusz Korczak ist zuständig in Krisenzeiten“ versuche ich mit ergänzenden Worten aufmerksam zu machen und achte dabei den Impuls: Wir lernen uns als Menschen im Miteinander nur dann kennen, wenn wir zu uns kommen; wir müssen auf uns zugehen, um zu erfahren, wie es mit uns steht, wer wir wirklich sind.

Für Janusz Korczak, polnischer Arzt, Pädagoge und Schriftstellen, war das Leben seiner 200 Waisenkinder wichtiger als das eigene Leben. Er hätte versuchen können zu fliehen. Aber er wollte „seine Kinder“, nicht im Stich lassen – und wurde mit ihnen aus dem Ghetto, das die deutschen Besatzer errichtet hatten, nach Treblinka deportiert, in die Vernichtung. Doch seine Gedanken leben bei vielen Menschen weiter. Bis heute bringen Korczak und seine Nachfolger uns nahe, wie wertvoll jedes Kind ist.

Ein erfolgreiches Theaterspiel

Um die Kinder von ihrem Leid abzulenken, inszenierte Janusz Korczak mit Fräulein Esther ein Theaterspiel. Am 18. Juli 1942 führen die Kinder das von der NS-Zensur verbotene Spiel „Das Postamt“ des indischen Schriftstellers, Philosophen und Nobelpreisträgers Rabindranath Tagore auf.

Rabindranath Tagore
Rabindranath Tagore (1861-1941)

Das Werk handelt von Amal, einem todkranken Waisenjungen, der sein Bett nicht verlassen darf und nur durch ein Fenster das Leben draußen wahrnehmen kann. Er sehnt sich nach Freiheit, Leben, Licht, Sonne und Natur, möchte wie ein Eichhörnchen Bäume erklettern und Nüsse knacken. In Erwartung eines Briefes des Königs, der ihm Befreiung bringen sollte, schlummert er still und friedlich ein und stirbt.

Mit diesem Spiel bereiteten Korczak und Esther die Kinder auf das Sterben vor. Korczak sitzt nach der Aufführung zusammengekrümmt und traurig in einer Ecke, zahlreiche Gäste verabschieden sich von ihm wortlos mit einem Händedruck.

Diese letzte Aufführung war – wie Korczak in seinem Ghetto-Tagebuch schreibt – „ein Publikumserfolg“. Hände drücken, Lächeln, Versuche, ein herzliches Gespräch anzuknüpfen. Korczak bleibt sich treu: Selbstachtung, Achtung, Wertschätzung und Bewahrung der Würde des anderen Menschen.

Für den Ethiker und Moralwissenschaftler Lawrence Kohlberg ist die Achtung der Würde des Menschen ein universales ethisches Prinzip, dem die ganze Menschheit folgen sollte.

Glaube an das Gute im Menschen

In seinem Beitrag „Erziehung zur Gerechtigkeit“ schreibt Kohlberg: „Janusz Korczak reagiert inmitten des Holocaust sowohl mit einem normalen Ungerechtigkeitssinn als auch mit einer Perspektive jenseits von Gerechtigkeit, die es ihm erlaubte, als Moralerzieher zu leben und mit Gleichmut zu sterben“. Korczaks Glaube an das Gute im Menschen ist sein pädagogisches Credo.

Lawrence Kohlberg (1927 – 1987)
Lawrence Kohlberg (1927 – 1987)

Beim Nachdenken und verweilenden Meditieren über diese existenziellen Fragen kann sich jeder weiterbilden und dankbar wahrnehmen, was ihm Janusz Korczak ans Herz legt: „Möge das Kind wissen, dass es in Gott den Herrn und Freund hat, dass es ihm Liebe, Achtung und Furcht und den Menschen Gutes schuldet.“

Prof. Ferdinand Klein