Appell für mehr Miteinander

Warum wir mehr Miteinander brauchen

Ich möchte gerne mit unseren Lesern meine Gefühle zu den tragischen Ereignissen im Januar in Altdorf/Spišská Stará Ves teilen. Sechzehn Jahre lang habe ich an der Hotelfachschule Hohe Tatra/Vysoké Tatry unterrichtet. Seit September 2024 arbeite ich an der Polytechnischen Fachmittelschule von J. A. Baťa in Svit. Ich habe meinen Arbeitsplatz hauptsächlich wegen meiner Fächer gewechselt (Deutsch, Geschichte und Religion). Die allgemeine Atmosphäre in der derzeitigen Gesellschaft ist sehr schlecht. Mit Entsetzen haben wir die Nachricht darüber vernommen, was an der Schule passiert ist.

Zu Hause haben wir es mit meiner Frau ausführlich und detailliert besprochen. Auch zuvor die Geste des Schülers, der dem Präsidenten nicht die Hand gegeben hat.

Am Freitag nach dem Messerangriff des Schülers, bei dem zwei Menschen ums Leben kamen, hatten wir in der Früh in der Schule eine außerordentliche Besprechung zur aktuellen Situation. Da ich jetzt auch Ethik unterrichte, habe ich die Möglichkeit, mit den Schülern im Unterricht darüber zu reden. Gleich zu Schulbeginn haben wir über diese Tragödie gesprochen. An diesem Tag hatte ich noch fünf weitere Unterrichtsstunden. Ein Schüler hat es ganz treffend formuliert: „Das Verhalten der Menschen resultiert aus gesellschaftlichem Hass.“ Was soll man dazu noch sagen? Es ist so. Leider. Aber ich habe hinzugefügt, dass der Fisch vom Kopf her stinkt. Ich politisiere im Unterricht nie, ich versuche neutral zu bleiben.

Ich habe in meinem Leben bereits einige Veränderungen erlebt, von denen ich meinen Schülern erzählt habe: Ich wurde 1980 geboren – ich erinnere mich an die letzten Jahre des Sozialismus. Ich sprach über 1989 – die Samtene Revolution, 1993 – die Gründung der Slowakischen Republik, 2000 – das Millennium, 2001 – den Anschlag auf das World Trade Center in den USA und so weiter. Jede Zeit hatte ihre spezifische Gemeinschaft von Menschen, die die Gesellschaft geformt und in eine bestimmte Richtung gelenkt haben.

Auch ich war zwei Wahlperioden lang Abgeordneter im Gemeinderat von Botzdorf/Batizovce, aber wir haben uns immer respektvoll unterhalten und konnten alles ausdiskutieren. Es hat funktioniert, und ich denke, dass es in unserem Dorf auch heute noch perfekt funktioniert. Aber das, was jetzt geschieht, habe ich noch nie erlebt. Höflichkeit und gegenseitiger Respekt unter den Menschen sind verloren gegangen – egal wie wir orientiert sind.

Situation in unserer Gesellschaft

Auch die Schüler nehmen die heutige Situation und das, was in der Gesellschaft passiert, sehr sensibel wahr. Ich unterrichte nun das siebzehnte Schuljahr. In dieser Zeit gab es ein paar angespannte Situationen zwischen mir und den Schülern. Aber das ist normal. Wir konnten immer alles in der Stunde oder im Lehrerzimmer klären. Wenn Grenzen überschritten wurden, haben wir es zusammen mit der Schulberaterin und durch erzieherische Maßnahmen sowie Gespräche mit den Eltern gelöst. Ich hatte nie Angst, zur Arbeit zu gehen.

Auch wir haben eine Tochter. Jeden Morgen bringe ich sie zur Schule in dem Wissen, dass sie dort sicher ist. Aber die derzeitige Situation und das, was passiert, bringt Angst und Unsicherheit mit sich. Ich kann nicht sagen, dass ich Angst habe. In der neuen Schule fühle ich mich sehr wohl und bin zufrieden. Wir können offen und vertrauensvoll mit den Schülern sprechen, auch über ernste private Themen. Wir haben gemeinsam viel Spaß. Unser Internat funktioniert großartig, ebenso die Kommunikation zwischen den Kollegen. Natürlich gibt es immer Schüler, die Hilfe brauchen. Wir sind in ein Mentoring-Projekt eingebunden. An unserer Schule funktioniert das Schülerparlament sehr gut.

Die Medien haben einen großen Einfluss auf die Denkweise junger Menschen. Sie verbringen viel Zeit online. Leider überwiegen in den Medien heutzutage negative Nachrichten. Vor zwanzig Jahren, als ich an der Universität war, sagte uns ein Professor, wir sollten „Gute Nachrichten“ schauen. Ich schaue mir zum Beispiel gerne die Regionalnachrichten im Slowakischen Fernsehen an.

Leider wüten Kriege auf der ganzen Welt. Wir haben an unserer Schule viele Schüler aus der Ukraine. Auch im Nahen Osten herrscht Krieg. Ich beschäftige mich intensiv mit der jüdischen Geschichte unserer Region, demnächst wird ein Podcast veröffentlicht, den wir mit Veronika H. Tóthová aufgenommen haben, darüber, wie ich Geschichte auf eine andere Art unterrichte.

An unserer Schule gibt es auch Roma-Schüler. Ich mache keine Unterschiede und versuche, die Schüler so zu erziehen, dass sie sich gegenseitig als Menschen mit gleichen Rechten und Pflichten respektieren.

Was ist Demokratie?

Auf die Frage, was Demokratie ist, bekam ich einmal die Antwort: „Freiheit. Man kann seine Meinung frei äußern.“ Ja, aber ich ergänzte, dass Demokratie auch Verantwortung bedeutet. Das ist sehr wichtig. Verantwortung für mein Handeln, meine Entscheidungen.

In den Nachrichten war auch die Information zu hören, dass Schulpsychologen fehlen – auf 500 Schüler kommt nur ein Psychologe. Ich bin kein Psychologe, aber ich bin Ehemann, Vater, Schwiegersohn und Klassenlehrer. Ich denke, es braucht nicht viel. Man muss mit den Kindern sprechen. Das beginnt zu Hause, in der natürlichen Umgebung zwischen Eltern und Kindern. Wir reden sehr viel und über alles.

In den letzten Jahren ist mir bewusst geworden, welche große Macht Lehrer auch in der heutigen Zeit haben, wenn es darum geht, das Denken junger Menschen zu formen. Sie haben viele Möglichkeiten, aber in erster Linie müssen sie selbst ein Vorbild sein. Jeder Klassenlehrer ist auch ein Psychologe. Ich verbringe viel Zeit mit meiner Klasse. Seit September sind wir zusammen und wir lernen uns immer noch kennen. Doch über die Jahre entsteht zwischen Lehrern und Schülern eine Art Bindung – fast schon familiär, würde ich sagen.

Eine Klassenleitung zu haben, ist eine enorme Verantwortung, die ich sehr schätze. Wenn es ein Problem gibt, lösen wir es gemeinsam im Gespräch  – Schüler, Eltern, ich, die Schulleitung und andere Verantwortliche.

Legen wir die Handys beiseite (auch ich) und reden wir miteinander. In der Schule gibt es dafür Raum – in den Pausen, im Ethik-, Gemeinschaftskunde- oder Geschichtsunterricht. Hören wir einander zu, achten wir auf die Menschen um uns herum. Finden wir jeden Tag mindestens einen Grund zur Freude und um zufrieden auf dieser Welt zu leben. Und wenn wir bemerken, dass jemand Hilfe braucht, dann müssen wir frühzeitig reagieren.

Ich ergänze noch, dass ich als gläubiger Mensch, Kantor, Musiker und Historiker – gemeinsam mit meiner Familie – diese Sicht teile. Zum Abschluss möchte ich noch stellvertretend die Gedanken der 15-jährigen Bianka, einer meiner Schülerinnen, mit euch teilen:

„Ich sehe unsere Gesellschaft so, dass Technologie und soziale Netzwerke sowohl die Jugend als auch die ältere Generation beeinflussen. Ich war selbst Zeugin von Mobbing und Cybermobbing in der Grundschule – auch gegen mich selbst. Diese Generation wird von schlechten Vorbildern in den sozialen Medien beeinflusst. Manche Kinder haben schlechte Vorbilder, obwohl sie sich Menschen zum Vorbild nehmen sollten, die Gutes tun. Doch oft hängt es auch davon ab, in welchem Umfeld sie leben, welche Beziehung sie zu ihrer Familie haben. Manche werden zu schlechten Dingen gezwungen oder haben psychische Probleme. Wenn wir wollen, dass sich die Gesellschaft verändert, muss es zu Hause, in der Familie, beginnen. Mobbing und Probleme in der Schule sollten aufhören, denn Schüler und Lehrer haben das Recht, sich in der Schule sicher zu fühlen.“

Mgr. Vladimír Andraš
Polytechnische Fachmittelschule von J. A. Baťa in Svit