Teilnehmer von Jugend debattiert

Wo beginnt kritisches Denken?

Am 4. April 2025 wurde das Gymnasium Metodova in Pressburg/Bratislava zur Bühne eines rhetorischen Wettstreits. Beim Schulverbundfinale West von „Jugend debattiert“ stellten sich talentierte junge Debattantinnen und Debattanten einer Frage von brennender Aktualität: Soll die Verwendung von Künstlicher Intelligenz im Unterricht an slowakischen Schulen gefördert werden?

Der Wettbewerb blickt in Deutschland auf eine lange Tradition zurück und ist seit 2016 auch in der Slowakei verankert. Sein Ziel: Jugendliche dazu befähigen, sich differenziert mit gesellschaftlich relevanten Fragestellungen auseinanderzusetzen – auf Deutsch, mit klarer Argumentation und präziser Sprache. Das Schulverbundfinale bildet dabei den Auftakt einer mehrstufigen Qualifikationsrunde bis hin zum Landesfinale – und für besonders erfolgreiche Teilnehmende sogar bis auf internationale Ebene.

Diskutieren heißt denken – und wachsen

Zwölf engagierte Jugendliche, zwei gegensätzliche Positionen, ein gemeinsames Ziel: argumentieren, überzeugen und klar eine Haltung vertreten. Welche Seite sie vertreten würden – Pro1, Pro2, Contra1 oder Contra2 – erfuhren die Teilnehmenden erst kurz vor Beginn der Debatte.

„Die kurzfristige Zuteilung der Debattenseite ist stets eine besondere Herausforderung“, sagt Sebastián Husár, der mit seiner überzeugenden Präsentation ins Halbfinale einzog. „Aber gerade das macht die Debatte so spannend – man muss seine Position glaubwürdig vertreten, ganz gleich, auf welcher Seite man steht.“

Die Debatte als Bühne für Gedanken

Klar strukturierte Phasen wie Eröffnungsreden, der Austausch von Argumenten und Gegenargumenten sowie Schlussreden mit abschließenden Stellungnahmen – der Ablauf schien streng geregelt zu sein. Doch er entfaltete sich in der Realität als vielschichtiger, spannungsgeladener Dialog, mit Raum für Spontaneität und persönliche Nuancen. Auch wenn der Klang eines Glockenschlags das formale Ende jeder Rede markierte, bestimmten nicht starre Vorgaben, sondern Überzeugungskraft und sprachliche Genauigkeit den Verlauf des Diskurses.

Inhaltlich kreisten die Debatten um zentrale Fragen, die Schule und Gesellschaft gleichermaßen betreffen: Wo liegt die Grenze zwischen Nutzen und Überforderung? Wie lassen sich Lehrkräfte angemessen auf den digitalen Wandel vorbereiten? Und was bedeutet der frühe Kontakt mit KI für die Entwicklung von Kreativität und Originalität bei Kindern und Jugendlichen?

Die jungen Debattierenden begegneten diesen komplexen Themen mit bemerkenswerter analytischer Schärfe und gleichzeitig mit spürbarem Einfühlungsvermögen.

Expertise am Jurypult

Die Beiträge bewertete eine fünfköpfige Jury, geleitet von Susanne Depuydt von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen. Mit ihr nahmen Yannick Baumann, der ifa-Kulturmanager beim Karpatendeutschen Verein, Karl T. Beier, Landesprogrammlehrkraft Baden-Württemberg von der Grundschule Za kasárňou 2, DAAD-Lektor Jan König sowie Michaela Tokárová, eine ehemalige Finalistin, Platz. Die Jury achtete nicht nur auf sprachliche Präzision, sondern ebenso auf argumentative Tiefe, Überzeugungskraft und einen respektvollen Dialog.

Jurymitglied Jan König betonte: „Wir haben von allen Teilnehmenden hervorragende Leistungen gesehen. Die Schülerinnen und Schüler waren mit viel Engagement bei den Debatten dabei. Davor habe ich großen Respekt.“

Debattieren als demokratische Praxis

„In Zeiten von Hassrede und Beleidigungen ist es wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler lernen, mit Argumenten zu überzeugen“, meint König. „Nicht wer am lautesten schreit, sondern der, der das bessere Argument hat, gewinnt eine solche Debatte. Das sollten wir als Gesellschaft insgesamt wieder einüben.“

Warum das Debattieren im schulischen Kontext so bedeutsam ist, bringt Eliška Kandráčová, Alumna des Wettbewerbs, prägnant auf den Punkt: „Es verbindet rhetorische Fähigkeiten mit der Kompetenz zum kritischen und differenzierten Denken. In einer Zeit, in der viele die Ansicht vertreten, Wahrheit sei relativ, ist es entscheidend, dass junge Menschen nicht nur lernen, ihre Überzeugungen fundiert zu vertreten, sondern auch, die Wahrheit zu erkennen.“

Wer zieht ins Halbfinale ein?

Vier Teilnehmende setzten sich im Schulverbundfinale West durch: Barbora Marková, Sebastián Husár, Jana Šulíková und Eliška Dorčáková. Im Halbfinale am 12. Juni 2025 treffen sie in der Hauptstadt auf die vier besten Debattierenden aus dem Schulverbundfinale in Kaschau/Košice – insgesamt acht junge Redetalente, die sich in zwei direkten Debatten gegenüberstehen werden.

Das große Finale der besten vier findet dann am 13. Juni 2025 in der Bibliothek des Goethe-Instituts statt. Man darf gespannt sein, wer dort mit starken Argumenten und klarem Profil überzeugt – und sich den Einzug ins internationale Finale sichert.

Lucia Vlčeková