„Ich wollte mehr über meine Vorfahren erfahren“
Andrés Ruiz Böhman hat schon in mehreren Staaten gelebt. Zur Zeit besucht er die 7. Klasse des Ladislav Novomeský-Gymnasiums in Preßburg/Bratislava. In unserem Gespräch verrät er, wie er zum Karpatendeutschen Verein kam, wer die „Huncokári“ sind und was er über seine Zeitgenossen denkt.
Heutzutage hört man oft, dass die Jugendlichen in der Slowakei nicht aktiv genug sind. Du hast in mehreren Ländern gelebt. Wie würdest du die Jugendlichen in unterschiedlichen Ländern vergleichen?
In vielen Aspekten sind sich heutzutage viele Jugendliche in den meisten Ländern der westlichen Welt durch die starke Globalisierung der letzten Jahrzehnte sehr ähnlich. Sie haben denselben Humor, dieselben Ideen, politische Meinungen, sie schauen dieselben Filme, sie hören die gleiche Musik. Doch es wäre sicher falsch zu sagen, dass alle gleich sind. Wenn ich zum Beispiel die Jugendlichen in Bratislava mit denen in der nur 80 Kilometer entfernten Stadt Wien (wo ich vorher gelebt habe) vergleiche, sind deutliche Unterschiede zu erkennen. Dies hat meiner Meinung nach vor allem mit zwei Faktoren zu tun: einerseits mit den soziopolitischen Umständen im jeweiligen Land in den letzten 60 Jahren und andererseits mit der Mentalität der Völker. Ich würde die Österreicher als extrovertierter bezeichnen, davon geht dann auch die Aktivität aus. Sie werden von klein auf zu einem ausgeprägten Selbstbewusstsein erzogen; sie werden dazu hingeführt, immer ihre eigene Meinung zu präsentieren. Die Slowaken sind in solchen Aspekten passiver und zurückhaltender. Dies kann man zum Beispiel in der Schule relativ klar beobachten.
Du hast auch ein interessantes Projekt gemacht, das etwas mit dem Karpatendeutschen Verein zu tun hat, was war das?
Ja, ich habe bei der diesjährigen Geschichtsolympiade mitgemacht, wo ich mit dem Thema „Huncokári“ angetreten bin. Der Begriff kommt von dem Wort „Holzhacker“ und wurde im Laufe der Jahre „slowakisiert“. Dabei handelte sich um eine Gruppe von ethnisch deutschen, beziehungsweise österreichischen Personen, die ab dem 18. Jahrhundert in das Gebiet der Kleinen Karpaten eingewandert waren und dort bis zum Jahr 1945 in endogenen Kommunitäten abseits der slowakischen Bevölkerung in den Wäldern lebten. Ich habe mir dieses Thema ausgesucht, weil es den meisten Leuten wenig bekannt ist. Das finde ich schade, weil es sich um einen sehr interessanten Bestandteil unserer regionalen Geschichte handelt. Außerdem waren auch einige meiner Vorfahren ein Teil dieser ethnischen Gruppe und ich sah diesen Wettbewerb als eine gute Möglichkeit, mehr über meinen Wurzeln zu erfahren. Da sich aber nur wenige Historiker mit der Geschichte der Holzhacker beschäftigt haben, war es relativ schwierig, relevante Quellen für meine Arbeit zu finden. Ich bin dann zufällig auf eine sehr gute Publikation vom Leiter des Museums der Kultur der Karpatendeutschen, Herrn Pöss, gestoßen, die sich mit diesem Thema beschäftigt. Dadurch bin ich auf die Idee gekommen, einen Termin mit ihm zu vereinbaren. Und so kam ich erstmals in Kontakt mit dem Museum und auch mit dem Karpatendeutschen Verein.
Was sind aktuelle Jugendthemen?
Ich glaube das aktuellste Jugendthema in den letzten Jahren war und ist das Klima. Wir hatten die Möglichkeit, das Phänomen Greta Thunberg und die massiven, weltweiten „Fridays for Future“-Proteste zu beobachten. Das war wirklich etwas Einzigartiges, was die meisten Jugendlichen aus vielen Ländern vereint hat. Allerdings glaube ich persönlich, dass sich nach dieser Krise die Aufmerksamkeit der Jugendlichen auch auf andere Themen fokussieren sollte. Dank Corona wird auch meine Generation eine desaströse ökonomische Situation erben und wir werden es sein, die für die Folgen dieser Situation noch lange büßen werden.
Was planst du für deine Zukunft?
Ich bin jetzt in der siebten Klasse, nächstes Jahr steht also die Matura an. Danach werde ich höchstwahrscheinlich an der Uni Wien studieren, ganz genau weiß ich es aber noch nicht. Da ich mein ganzes Leben gereist und umgezogen bin, kann ich mir ein Leben an nur einem Ort nur schwer vorstellen. Ich werde versuchen, mir einen Job zu suchen, der mir diesen Wunsch erfüllen kann. Idealerweise würde ich gerne Diplomat werden wie meine Eltern, aber ich weiß nicht, wie realistisch das ist; es gibt heutzutage schon zu viele Leute, die sich um solche Stellen bewerben. Und so viele Diplomaten werden auch nicht gebraucht. Was ich studieren werde, weiß ich noch nicht genau, sicher ist aber, dass es etwas in der humanistischen Richtung sein wird.
Das Gespräch führte Hubert. Er interviewt das ganze Jahr über Mitglieder der Karpatendeutschen Jugend für die Reihe „KDJ auf ein Wort“.