Literaturkränzchen in Einsiedel an der Göllnitz
Die Frauen vom „Literaturkränzchen“ haben die Gelegenheit genutzt, um sich wieder bei guten Büchern und schönen Gedichten zu treffen. Johann Wolfgang von Goethe hat einmal gesagt: „Ein neues Jahr hat seine Pflichten, ein neuer Morgen ruft zur frischen Tat. Stets wünsche ich ein fröhliches Verrichten und Mut und Kraft zur Arbeit früh und spät.“
Das Jahr 2022 bringt mit sich die Erinnerung an den Juli 1992, als wir die erste Ausgabe des Karpatenblattes in den Händen gehalten haben. Es war der 1. Jahrgang – die Folge 0. Dank des Internets kann man die erste Seite noch heute lesen. Für unser „Literaturkränzchen“ ist es das 22. Lesejahr, in dem wir viel Schönes und Fröhliches – wie Goethe in seinem Zitat schreibt – verrichtet haben. Dazu gehören die Nachmittage mit deutscher Poesie und Prosa im großen Saal im Haus der Begegnung, an denen auch die benachbarten Ortsgruppen teilgenommen haben. Es waren angenehme Begegnungen!
Gedichte, die Kraft spenden
Unseren Nachmittag haben wir mit einem wertvollen „Literaturkalender 2022“ begonnen. Das ist ein Wochenkalender mit 53 Gedichten von der Antike bis zur Gegenwart. Dazu gehören 53 hochwertige, stimmungsvolle Fotografien. Wir haben daraus das Gedicht „Die Linde“ von Annette von Droste-Hülshoff gelesen. Die Autorin wurde 1797 in Hülshoff bei Münster geboren und ist 1848 in Meersburg am Bodensee gestorben. Ihre Gedichte geben immer wieder ein wenig Kraft, Mut und Freude für den Alltag.
Im Programm hatten wir außerdem die Autorin Dörte Hansen, die 1964 in Husum/Nordfriesland geboren wurde. Sie lernte in der Grundschule, dass es neben Plattdeutsch noch andere Sprachen auf der Welt gibt. Die Begeisterung darüber führte sie zum Studium etlicher Sprachen wie Gälisch, Finnisch oder Baskisch und schließlich promovierte sie in Linguistik. Danach arbeitete sie als Autorin für Hörfunk und Print, bis ihr gefeierter Debütroman „Altes Land“ 2015 erschien und zu einem Bestsellererfolg wurde.
Ihr zweiter Roman „Mittagsstunde“ erschien 2018 und wurde zum Spiegel-Jahresbestseller. Dieses Zweitwerk haben wir uns auch im Literaturkränzchen vorgenommen. Es ist ein Roman über ihre nordfriesische Heimat, über die Landschaft und über die Menschen, die diese Landschaft geprägt haben. Einfühlsam und humorvoll beschreibt Dörte Hansen die Veränderungen im Dorf, das Leben, Lust und Leid, das Schicksal und wie weit es vom Menschen zu beeinflussen ist. Wenn man das Buch gelesen hat, möchte man gerne noch länger in der Geschichte verweilen. Es lohnt sich, diesen Roman zu lesen und die Bilder, die vor dem inneren Auge entstehen, könnten auch Material für einen Film liefern.
Das Treffen der Mantaken
Das „Unterzipser Mantakentreffen“ im Hof des Hauses der Begegnung war immer ein kleiner Feiertag für die ganze Unterzips. Das Mantakentreffen hat ein wichtiges Ziel: unsere Mundart – das Mantakische – zu pflegen, zu erhalten und sie an die jüngeren Generationen weiterzugeben. Die Mundart ist die erste Muttersprache, sie ist einzigartig und verwurzelt uns in unserer Heimat. Jede Ortsgruppe hat zu diesem Treffen ein wertvolles Programm mitgebracht – Gedichte, Lieder und kurze Szenen in der Mundart wurden vorgetragen. Manche Worte spricht man überall anders aus, aber man versteht alles. In der Corona-Zeit hat das „Unterzipser Mantakentreffen“ nicht stattfinden können, so haben wir uns entschieden, beim „Literaturkränzchen“ ab und zu Mantakisch zu sprechen. Diesmal haben wir aus dem Buch „Bergstädte der Unterzips“ (Stuttgart, 1983) den Teil zu den „Einsiedler Sagen“ ausgewählt. Als Erste war die „Sage vom Stadjukal“ an der Reihe und wir haben sie in unserer Mundart erzählt. Es ist uns ganz gut gelungen.
Das Buch des Tages
Die Buchhandlung „Panta Rhei“ präsentiert jeden Abend im Ersten Slowakischen Fernsehen das Buch des Tages. So sind wir auf das Buch „Meno mám zo studničky“ („Ich habe den Namen vom Brunnen“) von Božena Slančíková Timrava aufmerksam geworden und haben es prompt bestellt. Die Slowakische Post hat es in ein paar Tagen gebracht. Wir haben es gelesen und darüber gesprochen. Božena Slančíková Timrava, eigentlich Božena Slančíková ist 1867 in Polichno, Österreich-Ungarn, heute Slowakei, in die Familie eines evangelischen Pfarrers geboren. Gestorben ist sie 1951 in Lučenec, Tschechoslowakei. Sie war eine slowakische Schriftstellerin und Dramatikerin. In einigen Werken kommt sie jedoch der literarischen Moderne nah. In ihren Erzählungen und Novellen beschreibt sie mit ironischem Blick das Leben auf dem slowakischen Land. Božena Slančíková Timrava hat zwei Jahre die Schule in Polichno besucht, dann wurden sie und ihre Schwestern vom Vater unterrichtet. Die Prüfungen haben sie in der Stadt abgelegt, wo sie die ungarische und deutsche Konversation gemeistert haben. In ihrem Lebenslauf schrieb die Autorin: „Mein Schriftstellername ist der Name eines Brunnens im Polichna-Gemeindegebiet. Dieser Brunnen machte sich alle Ehre, weil er zu keiner Zeit ohne Wasser war.“
Zum 190. Todestag von Goethe
Bei unserem Literaturkränzchen sprachen wir auch über Johann Wolfgang von Goethe. Er ist 1749 in Frankfurt am Main geboren, gestorben ist er 1832 in Weimar. Dieses Jahr jährt sich der 190. Todestag dieses Dichterfürsten und so werden wir jedes „Literaturkränzchen“ in diesem Jahr mit einem seiner Gedichte schließen. Diesmal war es das Gedicht „Ungeduld“:
Immer wieder in die Weite,
Über Länder an das Meer,
Phantasien, in der Breite
Schwebt am Ufer hin und her!
Neu ist immer die Erfahrung:
Immer ist dem Herzen bang,
Schmerzen sind der Jugend Nahrung,
Tränen seliger Lobgesang.
Frau Emme Wenzel – eine ehemalige Einsiedlerin – hat uns aus Deutschland angerufen und gemeint: „Im Karpatenblatt suche ich immer als Erstes Eure Artikel über das Literaturkränzchen. Das erfreut mich immer sehr. Den Adventabend habt ihr wunderschön zusammengestellt. Wir gratulieren Euch und wünschen weiterhin solche gefühlvollen Treffen mit Literatur!“ Liebe Frau Emme Wenzel! Wir bedanken uns für Ihre netten und aufbauenden Worte. Es ist für uns eine große Ehre, wenn wir solche Worte hören können. Sie schenken uns Mut, Kraft und Ausdauer weiter zu machen. Danke!
Ilse Stupák