Unsere aus den Ankern gerissene Welt
Es ist erstaunlich und kaum zu fassen, wie die Welt sich in kurzer Zeit so vollkommenen verändert hat. Der Krieg in der Ukraine spricht seine eigene Sprache. Begriffe und Vorstellungen, die noch vor ein paar Tagen als unumstößlich in der militärischen und politischen Lehre und Praxis galten, sind heute schon gänzlich überholt und veraltet.
Wenn man die Weltlage vom Donnerstag, dem 24. Februar, dem Tag, an dem die russische Invasion anfing, mit der heutigen Lage vergleicht, so wird man zweifellos feststellen, dass die Welt seitdem zusammengerückt ist. Diese Entwicklung schien nur wenige Tage zuvor gänzlich unwahrscheinlich.
Der Plan des Kremls
Die Invasion hatte sich Putin wohl vollkommen anders vorgestellt. Doch in Moskau hatte man anscheinend die Geduld und Zähigkeit der Ukrainer nicht erwartet. Der Widerstandswille der ukrainischen Armee und vor allem der Zivilbevölkerung hat nicht nur die Invasion unerwartet in die Länge gezogen, sondern auch zu einer Welle der Solidarität im Rest der Welt geführt. Dieser Entwicklung ist es wohl auch zu verdanken, dass die EU und weite Teile der Welt so schnelle und harte Sanktionen in die Wege geleitet haben. Es ist klar, dass Herr Putin und seine oligarchische Clique diesen Widerstand weder erwartet noch verstanden haben und ihn vermutlich auch niemals verstehen werden. Ihre Wunschvorstellung, die Ukraine sei ein Teil Russlands, liegt in Trümmern. Die ukrainische Bevölkerung hat deutlich gezeigt, dass sie nicht Teil Russlands sein will. Doch mit dem Zusammenbrechen dieses Traumes greift die russische Armee zu immer grausameren Mitteln und einem Krieg gegen die Bevölkerung.
Geschichtliche Probe
Nun geht es aber nicht an, einen ganzen Erdball einfach in der grauen Hoffnungslosigkeit versinken zu lassen, bloß weil eine kleine egoistische Führungsclique kein Einsehen haben will. Der Konflikt, der im Februar ausbrach, hätte, wenn ihrerseits auch nur ein letzter Rest von Einsicht und gutem Willen vorhanden gewesen wäre, mit ein paar Handbewegungen gelöst werden können. Putin und seine Mitläufer haben das nicht gewollt. Sie entschlossen sich stattdessen dazu, gegen das ukrainische Volk in den Krieg zu ziehen. Die ukrainische Bevölkerung ist sich dabei durchaus im Klaren darüber, dass es nun um sein Überleben kämpfen muss. Dieses Wissen hat wohl auch den Widerstandswillen der Menschen befeuert und letztlich das Kriegsgeschehen maßgeblich verändert.
In diesem aufgezwungenen Krieg stehen die Menschen vor einer geschichtlichen Probe, die über die Existenz der Ukraine entscheidet. Die Menschen machen sich da keine Illusionen mehr. Sie sind sich im Klaren darüber, dass sie siegen müssen, wenn die Ukraine überhaupt weiter existieren will. Nicht nur die Technik entscheidet im Krieg, sondern auch der Geist, der Wille und die kämpferische Entschlossenheit der Bevölkerung. Selbst im Angesicht der russischen Übermacht bleiben die Ukrainerinnen und Ukrainer unbeugsam.
Folgerung
Wir Karpatendeutschen haben auch klar erkannt, dass wir der Unvernunft und dem Widersinn in der politischen und militärischen Führung in Moskau, aber auch deren Mitläufern und der von Fake News wimmelnden Propaganda in so manchen Medien ein Ende bereiten müssen. Und zwar in unser aller Interesse – all derer, die das Herz am rechten Fleck haben.
Wir schweben nicht mehr in Wolkenkuckucksheimen, während die anderen in der Welt die Gas- und Ölvorkommen in Besitz nehmen, um uns zu erpressen. Wir wollen leben, aber auch leben lassen.
Wir wollen aber mit allen demokratisch denkenden Menschen Europas, einschließlich derer der Ukraine und Russlands, nach einer neuen und modernen Verfahrensweise suchen, da die alte sich als unzulänglich erwiesen hat. Sie führte zur Katastrophe dieses Krieges, ließ die Völker von einer Krise in die andere taumeln und hat jetzt wiederum die Weltmächte vor die militärische Bewährungsprobe gestellt. Eine solche Ordnung kann nicht gut sein.
Sie muss durch eine neue, bessere ersetzt werden und zwar sind wir alle dazu aufgerufen, hier gangbarere Wege zu suchen und sie aufzuzeigen. Dabei müssen diejenigen mit einbezogen werden, die unter der alten Ordnung am meisten zu leiden haben. Das ist das ukrainische Volk, das um seine Freiheit und heldenhaft um das nackte Leben kämpft. Das sind unschuldige Frauen und Kinder, die als Flüchtlinge an unser Gewissen und unsere Herzen pochen. Wir sind alle für sie da, wollen ihnen gerne mit Rat und Tat jederzeit und hilfsbereit zur Seite stehen. Dieser Krieg geht uns schließlich alle an.
Oswald Lipták