Gemeinsam lernen, gemeinsam handeln
Ende Juni kamen knapp 30 Jugendliche und junge Erwachsene aus Polen, Tschechien und der Slowakei in Preßburg zusammen, um dort an einer mehrtägigen Internationalen Denkwerkstatt zum Thema Nachhaltigkeit teilzunehmen. Im Rahmen verschiedener Workshops befassten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dabei mit Umweltschutz, Klimagerechtigkeit und Fast Fashion – ließen aber auch den länderübergreifenden Austausch nicht zu kurz kommen.
Unter dem Motto „Gemeinsam lernen, gemeinsam handeln“ fand die Denkwerkstatt vom 24. bis zum 27. Juni im Preßburger „Haus der Begegnung“ statt. Organisiert und verantwortet wurde das Ganze von Julia Herzog, Kulturmanagerin des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) sowohl bei der Allensteiner Gesellschaft Deutscher Minderheit (AGDM) als auch beim Verband der deutschen Gesellschaften in Ermland und Masuren (VdGEM), Dominik Duda, ifa-Kulturmanager beim Bund der Jugend der Deutschen Minderheit (BJDM) in Oppeln, Maximilian Schmidt, ifa-Kulturmanager bei der Landesversammlung der deutschen Vereine in der Tschechischen Republik (LV) mit Sitz in Prag, sowie Maximilian Rößler, ifa-Kulturmanager beim Karpatendeutschen Verein (KDV) in der Slowakei.
Das trinationale Gemeinschaftsprojekt hatte dabei mehrere Ziele, wie Maximilian Rößler erklärt: „Zum einen wollten wir Wissen und Bewusstsein rund um den Themenkomplex Umwelt, Klima, Nachhaltigkeit und Fast Fashion vermitteln. Zum anderen sollte die grenzüberschreitende Begegnung und Interaktion zwischen den jungen Leuten aus Polen, Tschechien und der Slowakei gefördert werden. Ein wichtiges Anliegen war es auch, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dazu zu animieren, sich im Anschluss an das Seminar in ihren jeweiligen Heimatregionen weitergehend mit Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen.“
An der Denkwerkstatt teilgenommen haben 28 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 16 bis 21 Jahren, davon zehn aus der Ermland und Masuren, jeweils sieben aus Schlesien und Tschechien sowie vier aus der Slowakei. Trotz des thematisch komplexen Themas fanden sowohl die theoretischen als auch die praktischen Inhalte des Seminars ausschließlich auf Deutsch statt – wenngleich die vier Kulturmanager „ihren“ jeweiligen Schützlingen gelegentlich mit der ein oder anderen Übersetzung hilfreich zur Seite standen.
Los ging es bereits am Abend des Anreisetages, nachdem auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Polen und Tschechien in der slowakischen Hauptstadt angekommen waren. Um die anfängliche Zurückhaltung der Jugendlichen – die sich zuvor untereinander größtenteils nicht gekannt hatten – abzubauen, wurden unter der Anleitung von Maximilian Schmidt im „Haus der Begegnung“ einige Kennenlern- und Eisbrecherspiele veranstaltet. „Auf diese Weise sollten sie miteinander ins Gespräch kommen und eine Gruppendynamik entwickeln“, so der ifa-Kulturmanager. Und Julia Herzog ergänzt: „Die Stimmung unter den Jugendlichen wurde schnell locker und gelöst. Diese positive Atmosphäre hat uns auch in den folgenden Tagen durchgehend begleitet.“
Klimaworkshop, Zukunftswerkstatt, Länderabend
Am Samstagvormittag (25.06.) begann dann auch der inhaltliche Teil der Denkwerkstatt – und zwar mit einem einführenden Workshop zum Thema Klimagerechtigkeit. Geleitet wurde dieser von Safira Juergens von der Initiative „youngCaritas Wien“ der Caritas Österreich. Die Jugendlichen beschäftigten sich dabei unter anderem mit der Nutzung und dem Verbrauch von Wasser und reflektierten, inwiefern sie selbst sparsam und nachhaltig mit Trinkwasser umgehen. „Dieser Workshop war sehr alltagsbezogen und hat die jungen Leute zum Nachdenken über ihr eigenes Verhalten angeregt. Sie haben dabei viel Neues erfahren“, betont Dominik Duda.
Nach der Mittagspause, die die Gruppe für einen kurzen Sightseeing-Ausflug ins Preßburger Stadtzentrum nutzte, führte Maximilian Rößler eine sogenannte Zukunftswerkstatt durch. Hierbei entwickelten die Jugendlichen in mehreren Phasen Ideen für Nachhaltigkeitsprojekte. „In der ersten Phase – der Kritikphase – haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Gruppenarbeit besprochen, in welchen Bereichen ihres Alltags sie Probleme durch Umweltverschmutzung oder den Klimawandel wahrnehmen. In der darauffolgenden Phantasiephase sollten sich die einzelnen Gruppen dann je ein Projekt überlegen, das eines oder mehrere der zuvor identifizierten Probleme angeht“, erklärt Maximilian Rößler das Konzept der Zukunftswerkstatt. „Diese Projektideen wurden vorgestellt und mit den anderen Gruppen diskutiert. Im dritten Schritt – der Verwirklichungsphase – wurde konkret ausgearbeitet, wie man die entwickelten Projektideen auch tatsächlich umsetzen könnte“, so der ifa-Kulturmanager beim KDV weiter.
Am Ende der Zukunftswerkstatt standen einige vielversprechende Projektvorhaben: So hat eine Gruppe zum Beispiel vor, eine Art Fahrraddemonstration zu organisieren, um auf den Ausbau von Radwegen zu drängen; eine andere möchte faltbare Becher kreieren, die bei Musikfestivals zum Einsatz kommen könnten; und eine dritte will die Lebensmittelverschwendung von Kantinen und Restaurants minimieren, indem übriggebliebene Nahrungsmittel an Bedürftige gespendet werden. „Das Ganze war sehr produktiv und ist auch bei den Jugendlichen ausgesprochen gut angekommen“, meint Maximilian Rößler zufrieden. Er hebt zudem hervor, dass während der Werkstatt auch Dr. Marco Just Quiles von der Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland als Berater und Experte eingebunden war. Dieser habe die jungen Leute in den Gruppenarbeitsphasen mit Impulsen und Ideen unterstützt und ihnen hilfreiches Feedback zu ihren jeweiligen Projektideen gegeben. „Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer fanden seinen Input sehr wertvoll“, bestätigt auch Maximilian Schmidt.
Abgerundet wurde der denkintensive Tag mit einem entspannten Länderabend. Dabei präsentierten die Jugendlichen auf eigens vorbereiteten Tischen typische und traditionelle Dinge aus ihren jeweiligen Heimatländern und -regionen, die sie zum Seminar mitgebracht hatten, zum Beispiel Süßigkeiten, Getränke oder Handgemachtes. „Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben die Spezialitäten und Besonderheiten ihrer Heimat vorgestellt und bei den anderen neugierig geschaut und die angebotenen Leckereien probiert. Daneben wurden auch polnische, slowakische und tschechische Lieder gespielt – und gemeinsam getanzt. Es war großartig zu sehen, wie sich die Jugendlichen untereinander integrieren“, sagt Julia Herzog begeistert. „Außerdem haben sie so auch einiges über die Gruppen der deutschen Minderheit in den jeweils anderen Ländern erfahren“, fügt Dominik Duda hinzu.
Fast Fashion, Upcycling, Samenkugeln
Am folgenden Sonntag (26.06.) ging es dann weiter mit den Einheiten der Denkwerkstatt. Diesmal stand zunächst ein Workshop (inklusive Rollenspiel) zum Thema Fast Fashion auf dem Programm, der von Theresa Haschke, Referentin für sozial-ökologische Transformation bei der Christlichen Initiative Romero (CIR), durchgeführt wurde. Die in Münster angesiedelte Organisation setzt sich für ein gerechtes, sozial-ökologisches Wirtschafts- und Gesellschaftssystem sowie für ein solidarisches Miteinander ein – und ist mit diesem Engagement auch in der Bildungsarbeit aktiv. Während der Denkwerkstatt war Theresa Haschke digital aus Deutschland zugeschaltet und ging in ihrem Fast-Fashion-Workshop unter anderem auf den enormen Wasserverbrauch bei der Textilproduktion ein. „Außerdem machte sie eindrucksvoll deutlich, wie hoch der Plastikanteil in unserer Kleidung ist, welche Arbeitsbedingungen in den produzierenden Ländern herrschen und wie viel Energie von der Herstellung über den Transport bis zum Verkauf eines Kleidungsstücks verbraucht wird“, so Dominik Duda.
Im Anschluss daran folgte der praktische Teil des Seminars. Hierbei konnten die Jugendlichen an zwei von den ifa-Kulturmanagern vorbereiteten Stationen aktiv werden. An der Fashion-Station gab es die Möglichkeit, alte T-Shirts durch sogenanntes Upcycling wieder in neuwertig-brauchbare Kleidungsstücke umzuwandeln. Außerdem konnten ökologische Baumwolltaschen gestaltet werden – die in Zukunft die Nutzung umweltschädlicher Plastiktüten überflüssig machen sollen.
An der zweiten Station haben die Jugendlichen sogenannte Samenkugeln hergestellt. Bei dieser besonderen Form des urbanen Gartenbaus werden aus Ton kleine Kugeln geformt, die wiederrum mit Pflanzensamen und Erde befüllt werden. Diese kann man dann beim Spaziergang durch die Stadt auf eine brachliegende öffentliche Fläche – zum Beispiel eine Verkehrsinsel oder einen Grünstreifen – werfen. Beim nächsten Regen löst sich der natürliche Rohstoff des Tons auf und die Samen beginnen zu keimen – und lassen nach einiger Zeit die gesäten Pflanzenarten gedeihen. „In unserem Fall wurden die Kugeln mit Samen von Wildblumen und Nutzpflanzen gefüllt. Wir hoffen, dass die Jugendlichen damit den urbanen Raum in ihren Heimatstädten ein wenig grüner und schöner machen werden“, sagt Maximilian Rößler.
Bei den Teilnehmenden kamen diese Praxiseinheiten besonders gut an: „Sie haben gar nicht genug bekommen! Alle sind herumgewuselt und waren in Aktion – die Stationenarbeit war für die Gruppe eines der Highlights der Denkwerkstatt, wie sich später auch im Feedback gezeigt hat“, freut sich Julia Herzog.
Abgeschlossen wurde dieser zweite Seminartag am Abend mit einem Vortrag von Dr. Marco Just Quiles, der den Jugendlichen von der Arbeit der Stiftung Verbundenheit berichtete und einen Einblick in die Aktivitäten der deutschsprachigen Gemeinschaften in Südamerika lieferte. Außerdem gab er seinen jungen Zuhörerinnen und Zuhörern weitere Projektideen inklusive Tipps zur Umsetzung mit auf den Weg.
Dann neigte sich die Denkwerkstatt auch „schon“ ihrem Ende zu. Nach einem großen gemeinsamen Abendessen und einem letzten Bummel durch Preßburg fand am Morgen des nächsten Tages noch eine Feedbackrunde statt. Darin zeigten sich die Jugendlichen von den Inhalten und dem Verlauf der Denkwerkstatt begeistert. „Wir sind uns sicher, dass alle aus diesem Projekt etwas mitgenommen haben, zum Beispiel das Bewusstsein, dass jeder von uns ein wenig zu einer umweltfreundlicheren Welt beitragen kann. Und wenn es auch nur vermeintliche Kleinigkeiten wie der Verzicht auf Plastiktüten sind – auch das ist schon ein Beitrag zu einer etwas nachhaltigeren Welt“, so Julia Herzog. Und sie ergänzt: „Die Erkenntnis, dass aktive Beteiligung und Mitgestaltung lohnenswerte Ideale sind, lässt sich nicht zuletzt auch auf den Einsatz für die deutsche Minderheit übertragen. Denn jedes noch so kleine Engagement für eben jene Minderheit – gerade von jungen Leuten – ist essenziell für ihre ‚nachhaltige‘ Zukunft.“
Besonders freut die vier ifa-Kulturmanager, dass die Jugendlichen neue, länderübergreifende Freundschaften geschlossen haben. „Es war schön zu sehen, wie offen sie miteinander umgegangen sind und zum Ende auch ihre Kontaktdaten ausgetauscht haben. Wir hoffen, dass unsere Denkwerkstatt ihnen nun den Impuls gegeben hat, viele kleine Nachhaltigkeitsprojekte in ihren Heimatländern zu starten“, sagen sie einhellig.
Lucas Netter
Die Internationale Denkwerkstatt wurde gefördert durch das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) aus Mitteln des Auswärtigen Amts der Bundesrepublik Deutschland.