Berühmte Zipser: Der Philosoph Jonathan Haberern
Jonathan Haberern stammt aus der Oberzips und war ein bedeutender Philosoph und Pädagoge des 19. Jahrhunderts, dessen Studienreisen ihn sogar bis nach Deutschland führten.
Jonathan Haberern wurde am 16. Januar 1816 in Felka/Velká als Sohn des Zwillich-Webermeisters Paul Haberern und seiner Frau Susanna Seltenreich geboren und einen Tag später getauft. Der historisch interessierte Leser wird jetzt fragen, ob diese Angaben korrekt sind. Tatsächlich ist in vielen Publikationen der 17. Januar 1818 als Geburtstag zu finden. Es scheint, dass ein einmal falsch angegebenes Datum stets übernommen wurde, ohne einmal selbst in das deutschsprachige Geburtsregister von Felka zu schauen. Dort sind sein Geburts- und Taufeintrag (2. und 3. Spalte) gut zu lesen.
Studium auch in Deutschland
Jonathan besuchte in Kesmark die Volksschule und ab 1829 das evangelische Lyzeum. Sein Studium an dieser Einrichtung wurde für das Erlernen der ungarischen Sprache von 1832 bis 1833 in Mischkolz/Miskolc unterbrochen. Es folgte die Ausbildung zum Lehrer im etwa 60 Kilometer südwestlich von Deutschendorf/Poprad gelegenen Theißholz (ung. Tiszolc), dem heutigen Tisovec. Jonathan Haberern bestand dort 1838 die Lehrerprüfung. Es schlossen sich weitere Studien an, für jeweils ein Jahr an den Universitäten in Jena, Tübingen und Berlin.
Erzieher beim Grafen Mikes
Mit einem Lehrerexamen in der Tasche war es üblich, zunächst als Lehrer und Erzieher die Kinder von Adligen oder reichen Bürgern auszubilden. Im Jahr 1842 kehrte Jonathan nach Ungarn zurück und wurde Erzieher im Haus des Grafen Mikes de Zabola in Siebenbürgen. Das Wappen der Familie Mikes weist ein besonderes Detail auf – es enthält im oberen linken Teil ein Patriarchenkreuz (Doppelkreuz), das aus einem Dreiberg (Hügel mit drei Wölbungen, die mittlere Wölbung ist erhöht) ragt. Dieses Kreuz war auch das Erkennungszeichen der Könige von Ungarn und hat daher, neben anderen Bezeichnungen, auch den Namen ungarisches Kreuz. Genau dieses Element wurde 1990 zum Staatswappen der seit 1993 eigenständigen Slowakei bestimmt.
Bildung und Reisen mit István Szirmay
Drei Jahre später, 1845, kümmerte sich Jonathan Haberern zunächst im bei Sárospatak gelegenen Tolcsva um István Szirmay, den Sohn von Àdám Szirmay (1781–1848). István war zu diesem Zeitpunkt bereits 41 Jahre alt. Mit ihm reiste er nach Berlin und später, 1849, nach Bonn. Im Jahr 1851 unternahmen beide Studienreisen nach Frankreich, England und Schottland. Sie müssen sich vor allem mit Besonderheiten der Zipser Mundart in der deutschen Sprache und mit Philosophie befasst haben.
Interessant ist in diesem Zusammenhang der Aufenthalt in Berlin. Jonathan Haberern hielt vor der 1815 gegründeten „Berlinischen Gesellschaft für deutsche Sprache und Altertumskunde“ einen Vortrag über die Spracheigentümlichkeiten (Idiotismen) des Zipser Dialekts. Der Vortrag muss die Anwesenden überzeugt haben, denn sie wählten ihn im Jahr 1851 zum ordentlichen Mitglied der Gesellschaft.
Lehrer und Direktor am Gymnasium von Szarvas
Im Herbst 1851 kehrte er über die Schweiz zurück, um am Lutherischen Gymnasium von Szarvas, einer etwa 160 Kilometer südöstlich von Budapest gelegenen Stadt, als Lehrer für Philosophie, Griechisch und Deutsch zu arbeiten. Sehr bald, 1854, wurde er Direktor der Schule. Der in Buchform gedruckte Bericht der „Hauptschule Augustinischen Glauben“ von Szarvas für das Schuljahr 1855/56 weist Jonathan Haberern als deren Direktor (Szerkesztette) und Herausgeber (Igazgató) des Berichts aus.
Privatdozent und Dozent an der Pester Universität
Das Amt des Direktors beendete er 1866. Er wollte an einer Universität lehren und wissenschaftlich arbeiten. Die Ungarische Akademie der Wissenschaften nahm ihn am 30. Januar 1867 als korrespondierendes Mitglied auf. An der Universität Pest begann er 1871 als Privatdozent für Geschichte der griechischen Philosophie. Bald darauf wurde er als ordentlicher Dozent berufen, die nächste Stufe in der Rangordnung der Hochschullehrer einer Universität.
Vermutlich aus gesundheitlichen Gründen gab er Anfang 1880 seine Lehrtätigkeit auf. In Budapest, das 1873 aus dem Zusammenschluss der Städte Pest und Buda entstanden war, starb Jonathan Haberern am 8. April 1880. Sein Grab befindet sich auf dem Nationalfriedhof (Nemzeti Sírkert) in der Budapester Fiumei út. Auch auf dem Grabstein ist 1818 als Geburtsjahr zu lesen. Geehrt wird das Lebenswerk von Jonathan Haberern unter anderen durch den Zipser Pál Hunfalvy (Paul Hundsdorfer). Dieser hielt am 28. März 1881 für den verstorbenen Landsmann vor der Ungarischen Akademie der Wissenschaften eine Gedenkrede. Jonathans Sohn Jonathan Pál (1855–1936), ein Arzt (Urologe) und Lehrer, war von 1888 bis 1927 Chefarzt des Budapester St. Rókus-Krankenhauses und Autor verschiedener Publikationen zur Urologie. Er war einer der Gründer und erster Präsident der seit 1922 bestehenden ungarischen chirurgischen Gesellschaft.
Dr. Heinz Schleusener