Kolumne: Schmidts Katze
Čau, čau und mňau! Ich darf mich vorstellen: Ich bin Schmidts Katze, höre auf den Namen Mourinka, bin eine tschechische Katze, die tschechoslowakisch erzogen wurde und habe ein paar deutsche Gene in mir, weil ich im früheren Sudetenland geboren wurde, genauer gesagt im Böhmischen Mittelgebirge, in der Nähe der alten Bischofsstadt Leitmeritz. Dort hat bei meiner Geburt der Herr Schmidt gelebt, auf einem früheren deutschen Bauernhof. Ganz schön kompliziert, oder?
Ich kann es aber auch vereinfachen: Ich lebe heute in Prag, und der Herr Schmidt opfert sich für mich auf – er ist mein Sklave, Butler oder Dosenöffner – ganz, wie Sie wollen. Mit anderen Worten: Ich bin die Chefin unseres gemeinsamen Haushalts und bestimme damit, wo es langgeht. Dass der Herr Schmidt neben seiner Sklavenarbeit für mich auch noch für ganz viele Zeitungen über Tschechien und die Slowakei schreibt, ist ein Glück für mich. Da fällt es nicht mehr ins Gewicht, wenn ich ihm einmal im Monat die Leviten lese: Damit die ganze Welt von meinem schweren Schicksal Kenntnis nehmen kann, diktiere ich Herrn Schmidt herzzerreißende Szenen meines harten Lebens bei ihm, die er bisher für das in Prag erscheinende LandesEcho für die in Tschechien lebenden Deutschen aufgeschrieben hat. Jetzt sollen endlich auch die Karpatendeutschen erfahren, was ich alles so durchmachen muss.
Sie merken vielleicht, dass ich etwas vorwitzig bin. Denn eigentlich habe ich das schönste Leben, das man als Katze haben kann. Aber das kann ich natürlich nicht eingestehen. Diese Sklaven haben immer noch erhebliche Reserven, uns Vierbeinern das Dasein auf unserer Erde zu verschönern. Wenn ich schreibe „auf unserer Erde“, bedeutet das nichts anderes, als dass wir Katzen die Weltherrschaft haben. Na gut, na ja, es fehlt noch eine Klitzekleinigkeit dafür: Es müssten dazu noch Kühlschränke entwickelt werden, die wir Katzen allein aufmachen können. Aber dann wäre unser Leben wiederum langweilig. Wir bräuchten ja unsere Sklaven nicht mehr.
Um mich weiter vorzustellen: Ich bin mehrsprachig, verstehe Deutsch, Tschechisch, Slowakisch, Russisch, Englisch, Französisch, Spanisch, Katalanisch, Italienisch, Alt-Griechisch, Latein, Dänisch, Finnisch, Ungarisch, diverse chinesische und afrikanische Dialekte, und sogar Hebräisch! Ich antworte in der Regel aber nur: „mňau“. Dabei gehöre ich einer gesprächigen Rasse an – ich bin eine Maine-Coon-Katze, eine amerikanische Waldkatze, die als sehr anhänglich, furchtbar lieb und etwas schwatzhaft gilt. Ich bin in Wahrheit aber nicht reinrassig, sondern eine Katze „vom Bahnhof“. Mein wunderhübsches Fell sieht von der Grundfarbe her grau aus, hat aber rote und schwarze Töne in sich. Kurz gesagt: Ich bin eine Schönheit. Was sage ich: Ich bin die Schönheit schlechthin! Eine Katze, in die man sich einfach verlieben muss!
So, jetzt habe ich mich Ihnen vorgestellt. Fehlt noch, Ihnen mitzuteilen, dass ich dreifache Mutter inzwischen erwachsener Racker bin und mich in meinem achten Lebensjahr befinde. Heiratsanträge nehme ich nicht mehr entgegen, ich habe meinen Butler ja bereits gefunden. Kastriert bin ich auch, was mich jedoch nicht davon abhält, das eine oder andere Techtlemechtle einzugehen. Mann gönnt sich ja sonst nichts.
Bleiben Sie schön neugierig, nächsten Monat mehr von mir!
Schmidts Katze Mourinka und ihr Butler Hans-Jörg Schmidt