Chronik Karpatendeutsche

Chronik der heimatvertriebenen Karpatendeutschen


Schauen wir die von Hans Kobialka sorgfältig bearbeitete „Chronik der Karpatendeutschen. Geschichte ihrer Organisationen und Aktivitäten nach 1945“ näher an, dann können wir auf die Leistung der heimatvertriebenen Karpatendeutschen von 1945 bis 2008 dankbar schauen – und staunen.

Das mit viel Bildern, Übersichten und Zitaten versehene Werk kann bei der Karpatendeutsche Landsmannschaft Slowakei, Schlossstraße 92, 70176 Stuttgart, E-Mail: landsmannschaft@karpatenpost.de) erworben werden. Ein Blick in die jüngste Vergangenheit lohnt sich – und lässt hoffen.

Einleitend wird auf das Schicksal der Vertriebenen (Evakuierung, Flucht, Vertreibung) und ihre Not mit unvergesslichen Bildern aufmerksam gemacht: Von den rund 150.000 Deutschen in der Slowakei wurden ca. 120.000 vertrieben, circa 10.000 kamen im Krieg, auf der Flucht oder in Lagern um und circa 5.000 wurden vermisst; etwa 5.000 verblieben in der Slowakei; die Zahlen schwanken in verschiedenen Publikationen.

Chronik Karpatendeutsche
Chronik der Karpatendeutschen. Geschichte ihrer Organisationen und Aktivitäten nach 1945

Gründung von Organisationen

Die Not und Verzweiflung rief „verantwortungsvolle Landsleute“ auf den Plan, die von „christlicher Nächstenliebe erfüllt waren“, helfen wollten und Organisationen gründeten (Hilfskomitee für die evang.-luth. Slowakeideutschen, Hilfsbund Karpatendeutscher Katholiken, Arbeitsgemeinschaft der Karpatendeutschen aus der Slowakei, Karpatendeutsche Landsmannschaft Slowakei e.V./KDLM). Schon beim 5. Bundestreffen der KDLM (mit über 5.000 Teilnehmern!) im August 1957 übernahm die Stadt Karlsruhe die Patenschaft über die Karpatendeutsche Landsmannschaft Slowakei. Nach dem Tod des Bundesvorsitzenden Anton Birkner übte Isidor Lasslob ab 1978 dieses Amt aus, das er 1993 an Oskar Marcy übergab.

Auch an die Landes-, Kreis- und Ortsverbände der KDLM wird anschaulich erinnert. Auf die Presseorgane (Karpatenpost mit den Beilagen Evangelischer Glaubensbote und Karpatenbote) und das Karpatenjahrbuch wird aufmerksam gemacht und ebenso auf das heimatliche Schrifttum mit rund 200 Büchern; sie stehen für Interessierte in der Bibliothek des Karpatendeutschen Kulturwerkes in Karlsruhe-Durlach bereit.

Einfühlende Worte

Schon bald nach der im November 1989 beginnenden politischen Wende fand eine außerordentliche kulturelle Arbeitstagung mit hohen Vertretern der slowakischen Regierung statt, bei der im Auftrag des Ministerpräsidenten Milan Čič Dr. Pavel Pollak mit einfühlenden Worten hervorhob: „Es gibt keine größere Tragödie für die Menschen als den Verlust der Heimat, in der sie seit Jahrhunderten mit ihren Wurzeln fest verankert waren.

Es ist unsere erste Aufgabe, uns bei den Karpatendeutschen für all ihr Leid und das Unglück der Jahre 1944 bis 1946 ehrlich zu entschuldigen. Wir möchten damit den Weg freimachen, um in Brüderschaft, in Freiheit, in christlicher Achtung und Liebe weiterzuschreiten“ (S. 124). Diese dargebotene Hand nahm der Bundesvorsitzende Isidor Lasslob „mit bewegtem Herzen“ entgegen.

KDV-Gründung

Und am 30. September 1990 wurde in Metzenseifen auf einer Versammlung von etwa 125 Delegierten der Karpatendeutsche Verein in der Slowakei begründet, an der Isidor Lasslob und Adalbert Haas anwesend waren. „Die Ziele des Vereins waren die Erneuerung und Festigung der deutschen Kultur und Identität, die Revitalisierung der deutschen Sprache und die Objektivierung der Geschichte“ (S. 131).

Bald folgten über 60 kulturelle Veranstaltungen (Vorträge, Darbietungen, Ausstellungen) in Deutschland mit insgesamt 20.000 (!) Besuchern.

Im November 1993 kamen Staatspräsident Michal Kováč und der Bundespräsident Richard von Weizsäcker in Bonn zusammen, „um auf die Lage der deutschen Minderheit in der Slowakei aufmerksam zu machen“ (S. 147). 2001 gab es einen weiteren Staatsempfang des Bundespräsidenten Johannes Rau für den Staatspräsidenten der Slowakei Rudolf Schuster im Schloss Bellevue in Berlin, an der auch der Bundesvorsitzende Oskar Marczy teilnahm.

Schuster Rudolf
Bei dem Treffen der Präsidenten 2001

Kulturerbe erhalten

Die großartigen sprachwissenschaftlichen Aktivitäten mit über 50 Schriften aus dem Karpatenraum sind besonders Prof. Dr. Tapani Piirainen zu verdanken; als Beispiele seien das „Stadtrechtsbuch von Sillein“ (1972) oder „Das Stadtbuch von Schwedler“ (1993) erwähnt.

Schon 1990 wurde die Deutsch-Tschechoslowakische Historikerkommission von den Außenministern der beiden Länder ins Leben gerufen und seit der Trennung (1. 1. 1993) „arbeitet die Kommission als […] ‘Deutsch-Slowakische Historikerkommission‘“ (S. 152). Die Frage der Zukunft der Karpatendeutschen ließ die Erkenntnis reifen, dass „uns letztlich die Aufgabe bleiben wird das Kulturerbe „für die Nachwelt zu erhalten“ (S. 181). Nach langen Beratungen wurde am 8. Oktober 2004 die „Stiftung Karpatendeutsches Kulturerbe“ gegründet, ihr Ziel ist „Sammlung, Erhaltung, Erforschung und Darstellung der kulturellen Überlieferung der Karpatendeutschen aus der Slowakei.“

Zusammenfassend ist hervorzuheben: Die vielfältige Erinnerungsarbeit der heimatvertriebenen Karpatendeutschen erfolgte im Geist des Friedens, der Freundschaft und Versöhnung. Frauen und Männer der Erlebnisgeneration haben von 1945 bis 2008 ein gutes Beispiel auf dem langen und schwierigen Weg zu einem vereinten Europa gegeben. Ihre vorbildliche Arbeit weist in die Zukunft, sie lässt hoffen: Hoffnung schafft Wirkliches, das lehrt uns die Geschichte. Auf dem Weg zu neuen Ufern ist die Grenzen überschreitende Qualität gefragt: das Humankapital.

Prof. Dr. Dr. Ferdinand Klein