Ein Jahr Slowakei in zwölf Lektionen
„Es war ein einziges Glück, dass wir das machen konnten“, sagt Inkus Illner, spricht man sie auf ihren Aufenthalt in der Slowakei an. Die Grund- und Hauptschullehrerin aus Koblenz am Rhein hat am Ende ihrer Dienstzeit ein Jahr (+ ein Jahr Verlängerung) in der Slowakei unterrichtet. Was sie dabei erlebt hat, erfährt man nun in der Publikation „Bratislava in 12 Lektionen – Alltag in der Slowakei“.
Karpatenblatt: Wie kam denn die Idee auf, ein Buch über Ihre Erlebnisse in der Slowakei zu schreiben?
Inkus Illner: Wir haben bei unseren Reisen davor immer häufig auf die Bücher „Ein Jahr in …“ zurückgegriffen. Für Bratislava/Pressburg gab es so etwas nicht. Mir kamen während unserer Zeit in der Slowakei immer wieder so Sätze in den Sinn, die ich aufgeschrieben habe, weil ich dachte, dass sie gut in ein Buch passen würden. Ich hab‘ dann immer weiter geschrieben und mir hat es einfach auch Spaß gemacht, unsere Erlebnisse festzuhalten. Außerdem hatten wir ja nicht so viele sozialen Kontakte wie in Koblenz, so dass ich neben meiner Berufstätigkeit auch Zeit hatte, zu schreiben.
Ihre Aufzeichnungen gehen ja sehr ins Detail. Wie muss man sich denn den Schreibprozess vorstellen?
Ich habe meine Erlebnisse alle paar Tage aufgeschrieben. Es war nicht so, als ob ich Tagebuch geschrieben hätte. Ich hatte eher so ein Bedürfnis, festzuhalten, wie es uns ergangen ist, aber auch ein Bedürfnis vorzubereiten, zu lesen und aufzuschreiben, was wir in der Freizeit anschauen, besichtigen wollten, und etwas mehr in die Geschichte der Slowakei einzutauchen.
Das Schreiben hat mich das ganze Jahr über begleitet, aber am Schluss bei unserer großen Slowakei-Reise muss ich sagen, musste ich mich auch etwas dazu zwingen, nicht weil mich das Gesehene nicht beeindruckt hätte – im Gegenteil – , sondern weil es mich auch viel Zeit gekostet hat. Aber sonst hat das Schreiben einfach alle paar Tage dazugehört.
Sie geben in Ihrem Buch auch ganz viele Reisetipps. Welche Ziele würden Sie denn jemandem, der das Land gar nicht kennt, ans Herz legen?
Bratislava würde ich auf jeden Fall besonders empfehlen. Wir haben auch eine Reise von Bratislava nach Košice gemacht. Das war einfach landschaftlich, von den Orten her und in vieler Hinsicht sehr, sehr beeindruckend. Es kommt natürlich drauf an, wie viel Zeit jemand mitbringt, aber ich würde jedem raten, auch durch das Land zu reisen… und vorher natürlich mein Buch zu lesen!
Sie sind ohne Slowakischkenntnisse in die Slowakei gekommen. Wie sind Sie sprachlich zurechtgekommen?
Die Schule begann im September und ab November hatten wir dann eine Sprachlehrerin, aber ich habe mich mit der Sprache sehr schwer getan. Nach den ersten Stunden haben wir immer, wenn wir in der Stadt waren, versucht, die Werbung zu lesen – das hat dann irgendwann ein bisschen geklappt.
Wir sind ja auch heute noch öfter in der Slowakei und dann fallen mir manchmal wieder Wörter oder Sätze aus unserem Alltagsleben ein, die ich irgendwann so abspulen konnte. Aber ansonsten hatte ich mir da mehr versprochen. Ich dachte, dass ich in einem bzw. zwei Jahren mehr sprechen kann.
Wie ist die Verständigung in der Schule abgelaufen?
Es war ja gewünscht, dass ich ausschließlich deutsch spreche und deshalb war es beruflich nicht notwendig, slowakisch zu lernen. In der Schule war ich im Lehrerzimmer der Deutschlehrerinnen untergebracht, dem Kabinett. Da sprachen sowieso alle deutsch. Und im Unterricht hab ich mir dann im Laufe der Zeit Begriffe oder auch ganze Sätze angeeignet, selten zur Disziplinierung, häufig zur Freude der Schüler, die mich gerne auch mal mit vokalfreien Zungenbrechern auf die Probe stellen wollten.
Was waren die größten Unterschiede zwischen den deutschen und den slowakischen Schülern?
Mir wurde von den Schülern sehr viel Respekt entgegengebracht. Ich hatte selten Disziplinprobleme. Schon durch die für uns ungewohnte Anrede „Frau Lehrerin“ fühlte ich mich sehr geehrt. Die Schüler waren auch was Auswendiglernen oder Lernen allgemein betrifft, sehr viel belastbarer. Das fand ich sehr beeindruckend.
Gleich im ersten Jahr saß ich in der Jury für das Sprachdiplom. Bei der Prüfung müssen die Schüler immer ein Hobby, ein Interessengebiet vorstellen und da hab‘ ich gesehen, wie intensiv die Schüler sich mit einer Sache beschäftigen. In Deutschland nehme ich eher wahr, dass sich Jugendliche auf dem einen oder anderen Gebiet mal mehr oder weniger ausprobieren.
In der Slowakei waren Schüler dabei, die haben erst einmal eine Tasche mit Pokalen ausgepackt und waren zum Beispiel Meister im Judo oder Schwimmen. Wenn dort ein Schüler einem Interesse oder einer Freizeitbeschäftigung nachging, dann wurde dieses Hobby sehr ernsthaft und intensiv betrieben.
Sie haben während Ihrer Zeit in der Slowakei auch Erfahrungen mit den Karpatendeutschen gemacht. Wie sahen die denn aus?
Relativ zu Beginn meiner Dienstzeit wurde ich gefragt, ob ich nicht mit einer Gruppe jüngerer Schülerinnen und Schüler bei einem Treffen der Karpatendeutschen auftreten könnte. So kam es dann zu meinem ersten Kontakt bei diesem internationalen Pressburger Treffen. Wir wurden sehr freundlich empfangen und mein Mann wurde gleich von einem netten älteren Herren in ein Gespräch verwickelt.
Überhaupt waren sehr viele ältere Leute da. Auch sehr viele Menschen mit Trachten habe ich gesehen, das ist ja für mich als gebürtige Norddeutsche eher ungewöhnlich. Sehr beeindruckt hat mich Frau Stolár als Organisatorin des Treffens. Sie war mir schon von unserer Konrektorin mit großem Respekt angekündigt worden und freute sich so ganz offensichtlich, dass jemand Neues aus Deutschland gekommen war.
Wie gestaltete sich nach dem Pressburger Treffen der Kontakt mit den Karpatendeutschen?
In unserer Zeit in Bratislava gab es dann noch mehrere Treffen wie zum Beispiel einen Sprachwettbewerb oder eine Nikolofeier im Haus der Begegnung in der Nähe unserer Schule. Unsere Konrektorin hat mich auch auf das Karpatenblatt aufmerksam gemacht, auf das ich mich dann immer schon sehr gefreut hab‘. Denn das waren ja Artikel auf Deutsch über das Land, in dem wir jetzt lebten. Und vieles war für uns informativ und hilfreich.
Sie haben es ja sogar auf das Titelblatt des Karpatenblattes geschafft. Wie kam es denn dazu?
Ja, das war ein Foto von meinem ersten Auftritt mit den Schülern bei dem erwähnten internationalen Pressburger Treffen. Ich hab‘ mich so gefreut und war auch ein bisschen stolz, als ich es in der Schule entdeckt hab‘. Das Titelblatt habe ich dann auch in meinem Buch benutzt.
Was ist Ihnen aus Ihrer Zeit in der Slowakei besonders in Erinnerung geblieben?
Insgesamt fanden wir die Zeit in dieser geschichtsträchtigen Gegend außerordentlich spannend. Da könnte ich mich jetzt gar nicht für einzelne Erlebnisse oder Besonderheiten entscheiden. Hier trafen so viele Völker und Nationalitäten zusammen und lebten in einem friedlichen Miteinander. Auf einem Kollegiumsausflug nach Budapest zum Beispiel sprach eine ältere Kollegin mit uns deutsch – auf muttersprachlichem Niveau – , mit dem Kellner ungarisch und mit den übrigen Lehrerinnen slowakisch. Auf mein Erstaunen hin erwiderte sie: „Das ist normal, ich bin doch eine alte Pressburgerin!“
Ich muss sagen, es war insgesamt ein einziges Glück, dass wir das machen konnten, auch beruflich. Ich hab es als große Bereicherung empfunden, dass ich am Ende meiner Dienstzeit noch einmal die Chance bekommen habe, ein Land – und aus familiärer Sicht auch speziell die Slowakei – auf diese Weise kennenzulernen.
Was würden Sie einer Lehrerin oder einem Lehrer empfehlen, der vor der Entscheidung steht, eine bestimmte Zeit in der Slowakei zu unterrichten?
Ich würde sagen: Mach es auf jeden Fall.
Zur Person
Inkus Illner, in Norddeutschland aufgewachsen, lebt aber schon seit fast 40 Jahren im Rheinland. Sie war viele Jahre als Grund- und Hauptschullehrerin in Schleswig-Holstein, in Rheinland-Pfalz und gegen Ende ihrer Dienstzeit zwei Jahre in der Slowakei tätig. Ihr Vater stammt übrigens aus Mähren. „Bratislava in 12 Lektionen“ ist ihr erstes Buch.
Fotos: Inkus Illner privat