Berühmte Zipser: Der Arzt und Botaniker Samuel Genersich
Samuel Genersich aus Kesmark/Kežmarok war nicht nur in seinem Beruf als Arzt erfolgreich. Sein Interesse für die Botanik führte zu einer umfangreichen Erfassung und Einordnung von Pflanzen, vor allem aus dem Gebiet der Hohen Tatra. Durch ihn wurde das Interesse der Botaniker auf die Zips gelenkt. Er führte das Klassifikationsschema von Carl von Linné, die Taxonomie, im damaligen Ungarn ein.
Vor mehr als einem Vierteljahrhundert, am 15. Februar 1768, wurde Samuel Genersich in Kesmark/Kežmarok geboren. Seine später ebenfalls Berühmtheit erlangten Brüder Christian (*1759) und Johann (*1761) waren zu diesen Zeitpunkt bereits neun bzw. sieben Jahre alt. Wie seine Brüder besuchte Samuel nach der Volksschule das Kesmarker Gymnasium.
Muttersprache Deutsch
Über die sprachliche Ausbildung der Kesmarker Gymnasiasten dieser Zeit schreibt Samuel Weber den interessanten Satz „Es scheint damals allgemeine Sitte gewesen zu sein, dass die jüngeren Studenten neben der deutschen Muttersprache auch das Ungarische, und das Slavische erlernten.“
Von seinen älteren Brüdern wissen wir, wo sie Ungarisch und Slowakisch lernten – in Debrecen und Ober-Szalana/Vyšná Slaná (ung. Felső-Sajó).
Zum Studium nach Wien
Es folgte die Mittelschule, die er „vorzüglich absolvierte“, und danach das Studium, das sein Herzenswunsch war – das der Medizin. Samuel besuchte dazu die Hochschule in Wien. Das Studium schloss er erfolgreich mit dem Doktorat ab.
Physikus in Leutschau
Nun zog es Samuel wieder in die Heimat zurück. In seiner Geburtsstadt konnte er das erworbene ärztliche Wissen und Geschick beweisen. Dazu kam seine Freundlichkeit und die unverkennbare Liebe zum Beruf. So wurde er schnell über die Stadtgrenzen bekannt.
Nach sechs Jahren bot ihm die Stadt Leutschau/Levoča die Stelle des Stadtphysikus (Stadtarztes) an. Diese Position, die heute der eines Leiters des öffentlichen Gesundheitswesens entspricht, nahm Samuel Genersich an. Er zog nach Leutschau, übte diese Funktion neben seiner Tätigkeit als Arzt aus und hielt dieser Stadt bis zu seinem Lebensende die Treue.
Großen Anteil daran hatte auch seine Frau, Johanna Fabriczy. In ihrer Ehe wurden zwischen 1809 und 1817 fünf Kinder geboren.
Bekämpfer der Rinderpest
Im Jahr 1829 erreichte die Rinderpest auch die Zips und damit Leutschau. In seiner Funktion als Stadtarzt wurde Samuel Genersich beauftragt, die Bevölkerung über ihr Verhalten zu belehren. Seine Schrift „Belehrung für das Publikum der königl. Greystadt Leutschau in Hinsicht der hier sich geäusserten und in der Umgegend von allen Seiten sich kundgebenden Rindviehseuche“ enthielt Verhaltensregeln für das Erkennen und den Umgang mit der Rinderpest, die noch bis ins 20. Jahrhundert galten.
Zweite oder doch erste Liebe?
Es ist schwer zu glauben, dass Samuel Genersich in erster Linie Arzt war. Die Pflanzenwelt zog ihn gleichermaßen in seinen Bann. Mit seinen Sammlungen von Pflanzen, vor allem aus der Bergwelt der Hohen Tatra, den genauen Beschreibungen und Systematisierungen wurde er über die Zips hinaus bekannt.
Eine Art Vorreiter des GPS
Wenn heute der Besitzer eines Smartphones seine geografische Position mit einem kurzen Blick auf die entsprechende App erfährt, dann sollte er an Samuel Genersich denken. Dessen Aufzeichnungen lesen sich wie ein gedrucktes Bewegungsprotokoll einer solchen App.
Samuel hat für fast alle Pflanzen sehr genau den Fundort notiert und in seinem Buch über die Flora der Zips aufgelistet. So können wir mehr als 200 Jahre später nicht nur seinen Bewegungsradius gut erkennen, sondern auch die damaligen Pflanzenstandorte mit den heutigen vergleichen.
Fundorte und Buch
Sein Buch über die Pflanzenwelt der Zips machte ihn bei den Botanikern weltweit bekannt. In diesem führte er auf 74 Seiten 950 Pflanzen auf. Den Fundort gab er in Deutsch an, die Namen der Pflanzen in lateinischer Sprache.
Zu den Fundorten zählen solche Plätze wie der hinter dem Zipser Calvario Jerusalem, dem Kreuzweg am Zipser Kapitel, gelegene Galgenberg, wo er unter anderem das Leinblatt (thesium linophyllum) fand.
Am rechten Ufer der Popper am Goldsberg entdeckte er das schmalblättrige Lungenkraut (pulmonia angustifolia).
Vor allem die Ufer der Seen und Flüsse (z.B. Pflocksee, Grüner See, Roter See, Schwarzer See, Hernad, Leibitzbach, Popper, Weißes Wasser) suchte er gründlich ab, sammelte und registrierte die Pflanzen.
Bekannt und geehrt
Mit Thomas Mauksch, dem Naturfreund Gregor von Berzeviczy, dem englischen Forschungsreisenden Robert Townson (1762-1827) und den führenden Botanikern dieser Zeit Georg Vahlenberg aus Schweden (1780-1851) und dem Ungarn Pál Kitaibel (1757-1817) stand er in engem Kontakt.
Die Botanische Gesellschaft zu Regensburg wählte ihn 1806 zum Ehrenmitglied, das ungarische Nationalmuseum in Budapest bewahrt botanische Manuskripte von Genersich auf.
Leben in Leutschau vollendet
Samuel Genersich, der unvergessene Zipser Arzt und Botaniker, starb am 2. September 1844 in Levoča. Sein 1871 von der Tochter gewidmeter Grabstein zerfiel nach und nach.
Auch die Gräber seiner Brüder sind nicht erhalten. Das Bild zeigt den von der Budapester Antal-Genersich-Stiftung und der Semmelweis-Universität inzwischen originalgetreu rekonstruieren, einzigen an einen der Genersich-Brüder erinnernden Grabstein.
Dr. Heinz Schleusener