Das Weihnachtsfest in Schmöllnitz
Pfarrer Franz Zawatzky hielt seine Erinnerungen an Weihnachten in Schmöllnitz/Smolník in diesem Text fest, der 2020 im Band 2 der „ZIPSER TRILOGIE: Unterzipser erzählen“ herauskam. Die Trilogie gaben Ferdinand Klein, Anna Klein-Krušinová und Aranka Stigloher-Liptak im Verlag ViViT Kesmark heraus.
Vor dem Weihnachtsfest lebte Jung und Alt in großer Vorfreude. So schnell wie möglich sehnten alle heimlich diesen wunderschönen Tag herbei. Die Eltern, vor allem die guten Mütter, bereiteten die Kinder auf das herannahende Fest vor. Trotz vieler Tagesarbeit schenkten sie ihren Kindern ein Plauderstündchen, erzählten die Weihnachtsgeschichte, sangen mit ihnen Weihnachtslieder und übten kleine Weihnachtsgedichte ein. Der Vater oder die älteren Geschwister halfen, eine tragbare Weihnachtskrippe anzufertigen, damit die Kinder am Heiligen Abend die Verwandten, Nachbarn und auch andere aufsuchen konnten, um ihnen in Wort und Lied, aber auch durch die anschauliche Darstellung in der Krippe das Weihnachtsgeheimnis zu vergegenwärtigen.
Endlich kam der erwartete Heilige Abend. Es war ein ganz anderer als alle Abende im Jahr. Bis 12 Uhr mittags musste die Hausarbeit geschafft sein. Am Nachmittag wurden nur noch die letzten Vorbereitungen zur Feier getroffen. Der am Vorabend geschmückte Christbaum wurde aus der Kammer in das Wohnzimmer getragen, wobei die Kleinkinder weggeschickt wurden. In der Mitte des weißen Tischtuchs stand eine große Kerze und in der rechten oberen Ecke lag ein runder Kuchen aus Hefeteig. Darauf befand sich ein runder Laib Brot und obenauf ein Mohnhorn. Unter diese drei Sachen legte der Vater eine Schüssel mit Äpfeln, Nüssen, Feigen und Johannesbrot, daneben eine andere Schüssel mit abgekochten getrockneten Pflaumen, ein Glas Honig und einen großen Teller mit Weihnachtsgebäck. In jedem Teller lag eine hausgebackene Oblate. Für die Erwachsenen stand auf dem Tisch eine Flasche Schnaps und die Spezialität der Schmöllnitzer: die „Letschen“, ein Mohngericht, zubereitet aus den Hefeteigstangerln, die in kleine Stücke in eine Schüssel gebrochen wurden und reichlich mit gemahlenem Mohn und Honigzuckerwasser übergossen und eingeweicht wurden. Unter dem Christbaum standen das Kripplein und die Geschenke.
Dieses so feierlich vorbereitete Zimmer durfte vor 18 Uhr nicht betreten werden. Nach getaner Arbeit im Stall und der Vorbereitung des Abendessens in der Küche wusch sich jeder und zog ein Festgewand an. Vor 6 Uhr ging der Vater ins Zimmer, zündete die Kerzen am Tisch und die Kerzen am Christbaum an. Jemand anderer ging in den Garten mit einem hellklingenden Glöcklein. Sobald die Kirchenglocken das Abendgeläut begannen, begann auch er, einige Male mit seinem Glöcklein zu läuten, während er vom Garten kommend zur Haustür ging. Jetzt war der Augenblick da, an dem sich alle im Haus in das Wohnzimmer begaben. Vor dem erleuchteten Christbaum stellten sich alle auf, und ehrfurchtsvoll begann der Vater, den Engel des Herrn anzubeten; anschließend sprach er die Gebete für die Verstorbenen und das Tischgebet. Alle beteten mit und stimmten das Stille-Nacht-Lied an.
Man wünschte sich nun ein gesegnetes Weihnachtsfest. Doch bevor das Essen begann, kam der Höhepunkt für die Kinder – die Verteilung der Weihnachtsgeschenke durch die Mutter. Inzwischen nahm Vater von all den guten Sachen vom Tisch ein Stückchen weg und mischte dies in einem Teller durcheinander. Davon warf er ein wenig in das Feuer, etwas bekamen die Haustiere. Den Rest warf er über das Hausdach, damit jegliches Unheil vom Haus ferngehalten werde. Erst jetzt durften die Speisen probiert werden: Die Oblate mit Honig aß man als erstes. Es folgten gebackene Forellen vom Schmöllnitzer Teich mit Kartoffelsalat und zuletzt kamen die „Mohn-Letschen“. Je reichlicher man davon gegessen hatte, umso mehr Geld werde man das ganze Jahr hindurch haben, sagte man.
Nach dem Essen wurden Weihnachtslieder gesungen. Aber auch draußen unter den Fenstern erklangen von Verwandten und Nachbarsleuten Weihnachtslieder. Es klopfte an die Stubentür und ein Bub kam mit seinem Kripplein herein. Er stellte es auf dem Tisch ab und sprach sein Weihnachtsgedicht:
Laufet ihr Hirten, lauft allen zu gleich,
nehmet Schalmeien und Pfeifen mit euch.
Lauft nach Bethlehem in den Stall,
grüßt das Kindelein allzumal.
Gelobt sei Jesu Christus!
So gingen sie von Haus zu Haus und luden alle zum Gottesdienst ins Gotteshaus zur Anbetung nach Bethlehem ein, wo Christus gegenwärtig war. Schnell vergingen die Stunden des Abends. Als um halb 12 Uhr Mitternacht die große Urbanglocke zum ersten Mal ertönte, begann man sich zum Kirchgang zur Mitternachtsmesse warm anzuziehen, denn die Kirchen war nicht geheizt. Um dreiviertel 12 Uhr läutete es zum zweiten Mal. Da musste man schon in der Kirche sein, um einen Sitzplatz zu bekommen. Um 12 Uhr Mitternacht läuteten alle Glocken, und die Christmette begann. Während des Intrareblasens gingen sechs Fackelträger, die Ministranten und der Pfarrer zum Altar, um die erste Weihnachtsmesse zu feiern. Das Ergreifende war, als die Ministranten mit den Glöckchen das Zeichen zur Opferung gaben: Da wurde am Chor mit der Tuba ein Hirtenlied geblasen, danach auch von Orgel, Klarinetten und Posaunen begleitet. (Der Komponist dieser Weihnachtsmusik, des Pastorales, war der Chorleiter Josef Fischer aus Schmöllnitz). In der Kirche wurde es mäuschenstill und vom Hauptportal kommend zogen durch die Kirche zum Altar die Hirten des Ortes zum Opfergang. Der erste trug auf seinen Schultern ein reingewaschenes, mit Bändern und Kerzen geschmücktes Mutterlamm als Opfergabe um den Altar. Jeder fühlte sich in den Stall von Bethlehem versetzt. Und bei der Wandlung kniete jeder in Ehrfurcht nieder und betete. Draußen verkündeten in die große Stille der Nacht die tiefen Töne der großen Glocke und Böllerschüsse aus der Schießbude auf der Sommerlehne die frohe Botschaft des Kommens des Gottessohnes in unsere Welt.
Nach Beendigung der Mitternachtsmesse beeilte sich jeder, um nach Hause zu kommen. Die Mädchen achteten darauf, wer sie auf dem Heimweg zuerst ansprach, denn aus dieser Familie sollte der künftige Bräutigam kommen.
Im Morgengrauen besuchte der Kuhhirte seine Kuhbesitzer. Auf der Trompete blies er einige Weihnachtsweisen und wünschte für das ganze Jahr einen reichlichen Kuhsegen. Um 7 Uhr wurde in der Kirche das Hirtenamt gehalten, und um 9 Uhr wurde das Weihnachtshochamt, das ganz besonders festlich gefeiert wurde. „Da Prudavoota“ (Brudervater) zog von seinem Haus unter den Klängen der Bergkapelle mit seinem Stellvertreter und den sechs Fackelträgern zum Rathaus. Von dort nahmen sie Schlägel und Eisen mit, die Symbole des Bergwesens. Sie luden den Richter, die ganze Gemeindevertretung und die Vertreter von der Grube zum Kirchgang ein. Gemeinsam gingen sie zur Pfarrei und holten den Pfarrer ab. Bis zur Kirchentür spielte die Kapelle flotte Märsche. In der Kirche nahmen der Brudervater und sein Stellvertreter vor dem Altar Aufstellung. Richter, Gemeindevertretung und die Vertreter der Grube nahmen auf den ersten Bänken Platz. Nun begann das feierliche Hochamt, umrahmt von einer lateinisch gesungenen Figuralmesse. Zur Opferung erklang wieder das besondere Hirtenstück der Mette. Bei der Wandlung schlug in der großen Stille der Hammer dreimal auf das Eisen. Draußen erschallten Böllerschüsse und luden zur Anbetung des gegenwärtigen Gottessohnes ein.
Nach dem Gottesdienst zog man wieder feierlich aus der Kirche. Am Portal wartete die Bergkapelle. Es wurde zunächst der Pfarrer nach Hause begleitet. Er lud alle auf ein Gläschen Glühwein oder Schnaps und ein Paar Würstel ein. Nach dem Stehimbiss ging man zu einem kurzen Plausch zurück auf das Rathaus in die warme Ratsstube. Danach gingen alle zu ihren Familien zum Weihnachtsfestmahl.
Die Weihnachtstage waren Tage, die der Familie gehörten und viel Frohsinn brachten. Möge Weihnachten seinen ursprünglichen Sinn nach für immer ein Fest des Friedens und der Familien sein. Möge es uns stets Gnade bringend an die Friedlichkeit erinnern, den vornehmsten aller Werte, den das Lamm, dieses uralte Symbol der Christenheit, darstellt. Möge Weihnachten ein Fest bleiben, das uns verhilft, den Frieden in sich selbst und mit sich selbst zu finden.