Der Heilige Vinzenz – ein mitgebrachter Schutzheiliger
Meinen letzten Urlaub vor der Covid-Pandemie habe ich im Sommer 2019 in Österreich in der herrlichen Gegend nördlich des Dachsteinmassivs und in Deutschland in der Umgebung von Berchtesgaden verbracht. Ich wusste, dass unter anderem aus dieser Gegend ab dem 18. Jahrhundert Holzfäller in die Wälder der Westkarpaten kamen. Nachgedacht habe ich damals auch, ob man dort etwas findet, was darauf hinweist.
Die Bemühung zu einer effizienteren Nutzung der Wälder veranlasste die Inhaber der Wälder der Kleinen Karpaten (Städte Bösing/Pezinok, Modern/Modra, Familie Pálffy), modernere Techniken einzuführen und die Forstwirtschaft stärker zu organisieren. Zu diesem Zweck luden sie ab den 30er Jahren des 18. Jahrhunderts aus den deutschsprachigen Gebieten einerseits Forstbeamte, aber gleichzeitig auch Holzhacker (davon stammt die slowakische Benennung „huncokár“) mit ihren Familien auf ihre Herrensitze ein.
Familiennamen der Holzhacker
Die ältesten Aufzeichnungen über die Holzhacker aus den Kleinen Karpaten findet man seit den 40er Jahren des 18. Jahrhunderts auch in den Kirchenbüchern der Städte und Gemeinden am Fuße der Kleinen Karpaten. In den Kirchenbüchern stehen Nachnamen wie Amon, Achenschwandner (oft Oschenschwandner geschrieben), Eckhardt, Fabian, Gschwandner (Geschwandner), Graus, Grosshapl, Gschill, Haverl, Hirner, Hofer, Kern, Kraus, Kschill, Langer, Lintner, Meierhofer, Nietschneider, Reisenauer, Reisinger, Schwandner, Seewald, Steinacker (Steinecker), Tanglmaier, Trautenberger, Wajkuni. Traditionsgemäß kamen die Holzhacker meistens aus der Steiermark und aus Niederösterreich. Schlägt man dort die Telefonbücher auf, findet man auch heute in diesen Gebieten diese Nachnamen sehr häufig.
Die Mundart
Die Holzhacker brachten in ihre neuen Besiedlungen ihre deutsche Umgangssprache aus ihren ursprünglichen Regionen mit. Nachforschungen der letzten Jahre an der Universität der Hl. Cyrill und Method in Tyrnau/Trnava zeigen, dass die Mundart der Holzhacker zu den mittelbayerischen Dialekten gehört. Geografisch fallen darunter die Gebiete von Südost-Bayern und auch das Salzkammergut und Oberösterreich. Diese Forschungen bestätigen also, dass zu den Heimatgebieten auch Oberösterreich, das Salzkammergut und Südbayern gehört.
Der Schutzpatron der Holzhacker
Alle wichtigen Stationen im Leben des Holzknechts wurden von der Religion begleitet. Für die Holzknechte gab es besondere Schutzheilige, die bei dieser gefährlichen Arbeit auch immer wieder zu Hilfe gerufen wurden. Im bayerisch-österreichischen Gebiet waren Vinzenzimärkte und Vinzenzifeste der Waldarbeiter weit verbreitet und fanden am 22. Januar statt, dem Tag des Heiligen Vinzenz. Vinzenz war der Legende nach Diakon des greisen Bischofs Valerius von Saragossa. Zur Zeit der Christenverfolgung wurden beide verhaftet. Vinzenz starb auf grausame Art und wird als Märtyrer verehrt. Er ist der Schutzpatron von Portugal, darüber hinaus gilt er unter anderem auch als Patron der Holzfäller im gesamten Gebiet Österreichs und Südbayerns.
Vinzenz in Hallstadt im Salzkammergut
Eine der schönsten Städte, die ich je besucht habe, ist Hallstatt am Hallstatter See. Die katholische Pfarrkirche von Hallstatt gemeinsam mit dem weltberühmten Beinhaus und dem beschaulichen Bergfriedhof ist ein Besuchermagnet für Gäste aus aller Welt. Der spätgotische Flügelaltar von Meister Leonhard Astl ist weit über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt. Dieser Altar, der ungefähr 1520 vollendet worden sein dürfte, zeigt auf einem Gemälde an der Predella den Hl. Vinzenz von Saragossa mit einer mächtigen Hacke. Es handelt sich um eine richtige Holzknechthacke mit einer merkwürdig langen Klinge und einem kräftigen Schaft. In Hallstatt wurde also um 1520, also über 200 Jahre vor der Ankunft der Siedler in den Wäldern der Karpaten, der Hl. Vinzenz als Holzknechtpatron dargestellt. Das müsste das bislang früheste Zeugnis dieses Holzhauer-Patronates im Salzkammergut sein.
Der Hl. Vinzenz im Berchtesgadener Land
Das Wappen der Gemeinde Ramsau in der Förstprobstei Berchtesgaden zeigt den Hl. Vinzenz, den Schutzpatron der Holzfäller, mit einer Axt und einem Griesbeil (slowakisch Capina) in der Hand. Das Griesbeil wurde beim Triften der entrindeten Baumstämme verwendet. Der Hl. Vinzenz ist sogar in der Ramsauer Kirche im rechten hinteren Seitenaltar in einem barocken Relief dargestellt, auf dem er Handwerksgeräte der Holzknechte und ein Griesbeil trägt. Der Hl. Vinzenz wurde und wird also von den Ramsauer Waldarbeitern besonders verehrt.
In Ruhpolding begeht man das Fest des Hl. Vinzenz seit Jahrzehnten an dem Samstag, der dem 22. Januar am nächsten liegt. In einem Festzug ziehen die Vereinsmitglieder mit Blasmusik zum Festgottesdienst in der Kirche, voraus die Kirchenfahne, die die Aufschrift „Verein der Holzknechte Ruhpolding gegründet 1619“ trägt.
Bei der traditionellen Feier des Jahrestags der Holzhauer am 22. Januar im Berchtesgadener Land bedankten sich die Bayerischen Staatsforsten mit einem feierlichen Vinzenziamt bei allen Beschäftigten und Partnern und bitten für ein unfallfreies neues Jahr. In der Stiftskirche in Berchtesgaden findet eine feierliche Heilige Messe zu Ehren des Namenstages des Hl. Vinzenz statt.
Mitgebrachter Schutzpatron
In der neuen Heimat gehörte der 22. Januar zu den bedeutendsten Feiertagen der deutschen Holzhauer in den Kleinen Karpaten. Dieser war in dem neuen Siedlungsgebiet bis ins 18. Jahrhundert gar nicht als Schutzpatron der Holzhauer bekannt. Es ist eindeutig, dass sie ihn bei der Besiedlung der Wälder mitgebracht haben. Beten und Arbeitsruhe waren Pflicht, gegenseitige Besuche mit lustiger Unterhaltung durften nicht fehlen.
Ondrej Pöss