Durch Wollen und Wissen zu Kraft und Wahrheit

Es wird kaum jemanden in den krisenbekämpfenden Ländern geben, der sich nicht schon offen oder insgeheim ein Bild von dem Zustand entworfen hätte, in dem sich sein Volk, unser Erdteil und die Welt nach dem Ende der Coronakrise befinden werden. Bei den meisten ist diese Konstruktion mehr das Resultat der Fantasie oder gar einer undefinierbaren Wunschvorstellung als das eines nüchternen und auf Tatsachen aufgebauten Realismus.

Wir sind seit Beginn dieser Krise nicht müde geworden, unsere karpatendeutsche Lesergemeinde und die ganze Öffentlichkeit nicht nur auf ihre Ursache, sondern auch auf ihr Wesen und bevorstehende Ziele bezüglich ihrer Bekämpfung aufmerksam zu machen. Wir erfreuen uns bei unseren nüchternen und gänzlich unpathetischen Darstellungen der Lage eines ständig wachsenden Kreises von Lesern und Zuhörern und glauben, dass die Kraft unserer realistischen Beweisführung länger durchzuhalten sein wird, als die der Irreführung von Käuzen und Besserwissern. Die Zeit arbeitet auch in dieser Beziehung für uns.

Ehrlichkeit statt Demagogie

Wir halten in der Nachrichtenpolitik die Wiederaufnahme von Methoden wie im Kalten Krieg für absolut verfehlt und sehen uns in dieser Meinung durch die Entwicklung selbst immer wieder aufs Neue bestätigt. Wir brauchen keine Agitationstricks anzuwenden, um uns Gehör zu verschaffen. Fernab von jeder eitlen Popularitätshascherei verfolgen wir den Weg einer klaren und ungeschminkten Darstellungsweise, die nur da Grenzen setzt, wo die allgemeinen gesellschaftlichen und moralischen Interessen das erfordern.

Was sollte uns auch veranlassen, diese Krisenlage rosiger zu sehen als sie ist? Sie gibt uns ohnehin jede Chance zum segensreichen Erfolg. Sie wird von uns noch viele Opfer und Anstrengungen verlangen. Aber wir halten es für richtiger, die Öffentlichkeit rechtzeitig darauf aufmerksam zu machen, damit auch wir Karpatendeutsche nicht irgendeiner Täuschung oder Panikmacherei anheimfallen.

Wägen nicht nur zählen

Wir halten nicht viel von Gegenüberstellungen von Zahlenreihen und Statistiken, aus denen der Laie die Fähigkeit zum Durchhalten schließen soll. Statistiken gewinnen erfahrungsgemäß nur durch die Menschen, die dahinterstehen, an Beweiskraft. Wenn man aus der Vergangenheit auf die Zukunft schließen darf, so hat uns bisher mindestens die Entwicklung Recht gegeben.

Es ist bekannt, dass das Angstgefühl der Gefahr gegenüber mit der Nähe zur Gefahr nicht wächst, sondern abnimmt. Auch das muss man als eine Weisheit der Natur bezeichnen, dass sie im Menschen während der Krise den Sinn für alle Möglichkeiten zu ihrer Überwindung wach hält und schärft. Je weiter er aber vom Ernst einer Situation entfernt ist, umso mehr wird er geneigt sein, ihre Schwierigkeiten zu überschätzen und für unlösbar zu halten. Der Selbsterhaltungstrieb wird dann am tatkräftigsten reagieren, wenn er am dringendsten gebraucht wird, ebenso aber auch abstumpfen, wenn man seiner nicht mehr bedarf.

Wandlungsweg durch innere Zeitlupe

Es ist klar und verständlich, dass die Frage nach der vermutlichen Dauer und dem Ausgang dieser Krise in ihrer zweiten vermutlichen Runde häufiger gestellt wird als in der ersten. Nicht nur die Coronakrise selbst, sondern auch die Menschen und Völker haben in dieser Zeit eine gewisse nicht mehr wegdenkbare Wandlung durchgemacht. Hüben wie drüben sehen sie die Dinge heute realistischer als an seinem Beginn. Taten haben gegenwärtig mehr zu bedeuten als Reden und Parolen. Die Menschen wollen Klarheit gewinnen über Sinn, Zweck und Ziel dieses gewaltigen medizinischen, wirtschaftlichen und politischen Geschehens.

Schlussfolgerung

Es ist das Vorrecht derer, die keine Verantwortung zu tragen haben, sich die Welt und das Leben so zu denken, wie sie ihren persönlichen Bedürfnissen entsprechen. Anders bei den Presse- und Medienleuten. Sie müssen die Interessen ihrer Lesergemeinden insgesamt verspüren und vertreten – und zwar nicht nur für die Gegenwart, sondern, was viel wichtiger ist, auch für die Zukunft, deren Hoffnungsträger sie ja selbst sind.

Sie haben deshalb ihren Wünschen und Handlungen auch besondere Maßstäbe zu unterlegen, die Rücksicht nehmen müssen auf die verschiedenartigen Bedingungen des Lebens ihrer Lesergemeinden, die in ihren Interessenzonen liegen. Es mag sich einer jetzt nachträglich noch einmal davon überzeugen, dass der Ablauf der Geschehnisse in keinem Augenblick den Zügeln unserer innewohnenden, aber auch vernünftig vermittelnden Lenkung entglitten ist, dass wir diese Zügel stets fest in Händen hielten und der weiteren Entwicklung immer zuverlässige und keine überstürzte Prognosen stellten.

Ein steiler Aufstieg liegt gewiss noch vor uns. Aber wir glauben, dass er eher von solchen Menschen bezwungen werden kann, die durch jahrelange harte Übung in den Strapazen des Bergsteigens geschult sind, als durch Leute, die das Bergsteigen nur in der Ebene gelernt haben. So, wie auch wir, die Karpatendeutschen, und das insbesondere auch dank unserer Medien. Wir haben keinen Grund, uns oder der Welt etwas vorzumachen. Wir sind uns über unsere Aufgaben, aber auch über unsere Chancen vollauf im Klaren. Wir wissen, was wir wollen. Aber was noch wichtiger ist: Wir wollen auch, was wir wissen.

Oswald Lipták