Fünfkirchner Stadtrallye mit karpatendeutschen Persönlichkeiten
„Lerne die (ungarn-)deutsche Seite von Fünfkirchen kennen!“ Unter diesem Motto veranstaltet jedes Jahr das deutsche Kulturzentrum der Stadt Fünfkirchen/Pécs in Südungarn eine Stadtrallye für deutschlernende Jugendliche. Mit der Teilnahme von etwa 120 Schülerinnen und Schülern fand die bereits traditionelle Stadtrallye heuer auch statt – diesmal etwas anders als gewohnt, weil man bei der Organisation auch die Sicherheitsmaßnahmen berücksichtigen musste.
Die Teilnehmenden konnten ihr Wissen unter anderem in Themen, wie die sogenannte „Schwäbische Türkei“ (eine der bedeutendsten ungarndeutschen Regionen mit dem Zentrum Fünfkirchen), die Verschleppung der Ungarndeutschen in die Sowjetunion, die Gründung der ersten ungarischen Universität 1367 durch Bischof Wilhelm in Fünfkirchen, das Werk der bekannten ungarndeutschen Dichterin Valeria Koch, die Minderheiten der Stadt, die Märtyrer von Arad sowie das Wirken des aus der Zips stammenden Gründers der örtlichen evangelisch-lutherischen Gemeinde, Thomas Nendtvich, unter Beweis stellen.
Wer war eigentlich Thomas Nendtvich?
Thomas Nendtvich wurde 1782 in Kesmark geboren. Er hat Schulen in Kesmark, Debrezin, Klausenburg und Pest absolviert. Der Zipserdeutsche durfte sich 1804 mit besonderer Erlaubnis als erster Evangelikaler in Fünfkirchen niederlassen. Da es bis dahin für Protestanten überhaupt nicht möglich war, in dem starken katholischen Bischofsitz zu wohnen. Nach ihm kamen allmählich mehrere evangelische Handwerker in die Stadt, die Anspruch auf die Ausübung ihrer Religion hatten. Nendtvich als Abkömmling einer traditionsreichen evangelischen Familie brachte die unverfälschte Frömmigkeit der vom lutherischen Geist durchdrungenen Zips und die Liebe zur Kirche mit. Er war von Anfang an bestrebt, die Interessen der Evangelikalen in Fünfkirchen zu vertreten sowie die Grundlagen einer festen evangelischen Glaubensgemeinschaft zu schaffen – mit einer eigenen Kirche. Letzterer Wunsch ist auch in Erfüllung gegangen. In Fünfkirchen war eine immer aktiver werdende evangelische Gemeinschaft präsent. Thomas Nendtvich diente bis zu seinem Tode im Jahre 1858 als weltlicher Leiter dieser Gemeinschaft, den Bau eines eigenen Kirchengebäudes hat er aber nicht erleben können. Trotzdem lebt er bis heute in der Erinnerung der Fünfkirchner Evangelischen Pfarrgemeinde A.B. als großer Begründer und Vorreiter der freien Glaubensausübung weiter. Beruflich war Nendtvich Mediziner, Botaniker und Entomologe, er leitete die Apotheke zum goldenen Adler am Fünfkirchner Hauptplatz, außerdem studierte er die Pflanzen in der Gegend, vor allem in dem Gebirge Mecsek.
Hättet ihr gedacht, dass ein Zipser Sachse so einen großen Einfluss auf das Religionsleben einer südungarischen Stadt ausgeübt hat?
Kesmark und die Zipser Sachsen
Es gab noch eine Frage bezüglich der ungarnweit bekannten Bezeichnung der Zipser Sachsen „cipszerek“ (sie stammt von dem deutschen Namen ab, kein Zufall, dass die ungarische Bezeichnung ähnlich klingt) und die Teilnehmenden sollten auch eine Frage bezüglich des regionalen Zentrums Kesmark beantworten.
Zwei andere deutsche Persönlichkeiten, die aus dem Gebiet der heutigen Slowakei stammen, kamen in dem Aufgabenblatt auch noch vor. Interessant ist, dass von den großen Helden des ungarischen Freiheitskampfes 1848/49, von den 13 Märtyrern von Arad (Anführer und Generäle der ungarischen Armee, die nach der Kapitulation von den Habsburgern hingerichtet wurden) 5 deutscher Abstammung waren. Von ihnen wurde beispielsweise Ludwig Aulich 1793 in Pressburg und Georg Lahner 1795 in Necpaly (in der Turz) geboren.
Die Toten Hosen und ein spannender Wettkampf
Neben den lexikalischen Kenntnissen spielte auch die Kreativität der Schülerinnen und Schüler eine große Rolle. Sie sollten vielerorts lustige Fotos machen oder beziehungsweise das berühmte Lied der Toten Hosen „Tage wie diese“ umschreiben, so dass darin deutsche Persönlichkeiten und Orte von Fünfkirchen auftauchen.
Die Jugendlichen haben den Stadtbummel bei herrlichem Sonnenschein sichtbar genossen und die Herausforderungen gut gemeistert. Die Ergebnisse zeigen das, denn es gab ein großes Rennen um die ersten Plätze. Das Endergebnis war sehr knapp. Herzlichen Glückwunsch hiermit an alle Sieger! Wir gratulieren auch den anderen Teams recht herzlich sowie den Lehrerinnen und Lehrern für die Vorbereitung!
Hauptorganisatorin der Veranstaltung war die ifa-Kulturmanagerin des Lenau-Hauses, Anna Czenthe. Mitgewirkt haben dieses Jahr zwei Germanistikstudenten der Universität Fünfkirchen, Viktor Ratting und Martin Surman-Majeczki. Gefördert wurde die Stadtrallye durch die Deutsche Botschaft Budapest.
Martin Surman-Majeczki
Fotos: József Hubay | NNFoto und Viktor Ratting