Gedanken zum 17. November
In den letzten Jahren verbrachte ich die ersten Novembertage meistens in Berlin auf der Sitzungen der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten. Wir hatten zwar dieses Jahr wie gewöhnlich von früh bis abends ein besonders dicht gefülltes Programm, aber bei der Rückkehr ins Hotel konnten wir diesmal eine andere Atmosphäre als gewöhnlich erleben: In Berlin hat man an den 30. Jahrestag des Mauerfalls erinnert.
Beim Brandenburger Tor, bei mehreren Präsentationen und beleuchteten Bühnen kamen mir verschiedene Erinnerungen an den Sommer und Herbst vor 30 Jahren ins Gedächtnis. Es waren Monate, die für mich und uns alle das Leben in den darauffolgenden Jahrzehnten stark beeinflusst haben. Ich war an dem Ort, wo die Berliner Mauer stand.
Sie war seit 1961 Sinnbild der Teilung Europas in zwei unterschiedliche, politische Lager, die durch den Eisernen Vorhang geteilt waren. Seit den 1980er Jahren bekam aber der Eiserne Vorhang immer tiefere Risse. Mit der Wahl von Michail Gorbatschow zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion 1985 änderte sich die Politik der Sowjetunion. Er erkannte die wirtschaftlichen und politischen Schwächen des kommunistischen Systems und versuchte es, erfolglos, durch Reformen zu retten. 1989 gestand er den Ostblock-Staaten mehr politische Eigenständigkeit zu.
In Polen beispielsweise entstand die Gewerkschaft Slolidarnosc, die sich auch nach dem Verbot 1981 immer stärker für soziale Rechte, Demokratie und Meinungsfreiheit einsetzte. Den Weg zur Deutschen Einheit ebnete 1989 Ungarn. Die Soldaten begannen am 2. Mai die Grenzzäune zu Österreich zu zerschneiden und damit wurde der erste Weg in die Freiheit für DDR-Bürger eröffnet. In Prag verkündete an der deutschen Botschaft der damalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher am 30. September 1989: „Liebe Landsleute, wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland möglich geworden ist.“
Damit fiel auch für den Mauerfall in Berlin ein weiterer Startschuss. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach es in seiner Rede klar aus: „Ohne Mut, ohne den Freiheitswillen der Polen und Ungarn, der Tschechen und Slowaken wären die friedlichen Revolutionen in Osteuropa und die Deutsche Einheit nicht möglich gewesen.“
Der Fall der Mauer am 9. November 1989 gehört zu den Glücksmomenten der deutschen Geschichte. Dasselbe könnte man über die Samtene Revolution in der Tschechoslowakei sagen, an deren Beginn wir uns am 17. November auch schon zum 30. Mal erinnerten. Der Fall der Mauer und die Samtene Revolution sind zum Symbol für die Kraft des Freiheitswillens geworden.
Ondrej Pöss