“Ich will Funken in der Fantasie wecken”
Leben, Tod, Freude oder Leid. Kind oder Erwachsener. Provokative Kunst oder Sehnsucht nach Freiheit. Statt „oder“ reicht ein „und“. Und wenn es kein „und“ gäbe, wäre das künstlerische Werk von Helmut Bistika nicht geschaffen.
Im letzten Monat habe ich mich auf die Suche nach karpatendeutscher Kunst und Kultur gemacht und den mantakischen Ort Metzenseifen/Medzev in der Nähe von Kaschau/Košice besucht, um Herrn Bistika und seine Kunst kennenzulernen. Helmut Bistika (*1963) ist ein freischaffender Künstler, Maler und Graphiker. Er hat die Holzbearbeitungsschule in Neuhäusel in der Liptau/Liptovský Hrádok besucht und Soziale Arbeit in Neutra/Nitra studiert. Heutzutage ist er vor allem in der Ostslowakei als Künstler und spezialisierter Pädagoge bekannt.
Auch schlechte Werbung ist Werbung
Unsere nette Begegnung fängt in seinem Atelier an, wo er gerne experimentiert und sich frei fühlt. Diese Freiheit erlaubt ihm neue Horizonte zu begreifen, das Unbekannte zu erforschen und somit künstlerisch tätig zu sein. „Die Menschen sind an einen gewissen kommerziellen Standard gewöhnt, doch mich interessiert, was sich auf der anderen Seite dieser Barrikade befindet. Ich will etwas Neues zeigen, Funken in der Fantasie wecken. Es ist selbstverständlich, dass es nicht jedem gefallen muss.“
Wir unterhalten uns über seine Ausstellungen und Workshops in Deutschland, anderen deutschsprachigen Ländern sowie in der Slowakei und den Nachbarländern und ich finde seine Zusammenarbeit mit berühmten Parfümerien besonders interessant. Er erzählt: „Ich habe verschiedene Erfahrungen gemacht, doch das beste Erlebnis für mich war, als ich das Schaufenster einer unbenannten Parfümerie in Kaschau gestalten konnte und in der Gestaltung komplett frei war. Wer würde denn nur Nägel, Kissen, Fernseher oder ähnliche Objekte in einem Parfümerieschaufenster erwarten? Natürlich hat das viel Unruhe gebracht. Der Eigentümer war aber glücklich und meinte, auch schlechte Werbung sei Werbung.“
Freiheit in der Welt und in der Kunst
Inhaltlich beschäftigt sich Bistika mit Freud und Leid des Lebens: „Einmal bist du glücklich, einmal traurig, das Leben dreht sich immer darum, wie du dich damit auseinandersetzt. Bei mir sind auch die positiven Erlebnisse und Ereignisse Inspiration. Dabei fühle ich mich wie ein Kind und bin neugierig, doch einmal muss ich erwachsen werden. Und da in der Mitte, wo sich das Kind und der Erwachsene treffen, stehe ich und kämpfe.“
Sein Werk beeinflusst seit mehreren Jahren besonders die künstlerische Arbeit mit behinderten Kindern. Zuvor machte er als Lehrer oder Erzieher Erfahrungen an der Kunstgrundschule. Bistika ist überzeugt: „Die Kinderwelten sind einfach rein, aufrichtig und dankbar, dort kalkuliert man nicht und spielt nichts vor. Entweder kommst du mit einer reinen Seele und bist stark oder sie lehnen dich ab.” Bei dieser Arbeit gehe es um die Integration, darum, sie an den Händen zu greifen und mit auf einen Spaziergang zu nehmen, darum, mit ihnen eine Farbe auf die Leinwand zu werfen und in dem Chaos eine Ordnung oder einen Weg zu finden: „Es fasziniert mich dabei so frei zu sein, denn es ist in dieser Welt nicht einfach.“
Bücher statt billigem Bier
Helmut Bistika ist auch durch sein nettes, kleines Café in Metzenseifen bekannt, in dem wir später eine Tasse Kaffee genießen. Dank seiner Sprachkenntnisse, die er in seinem Leben besonders wichtig findet, und seiner langjährigen Erfahrungen in Deutschland beobachtete er viele Unterschiede zwischen der deutschen und der slowakischen Gesellschaft. Dies motivierte ihn auch dazu, ein eigenes Café zu eröffnen: „Ich wollte einen kultivierten Ort schaffen, an dem ich mich wohlfühle und auch unsere Kunst ausstellen kann. Das Ganze hier, sprich alte Stühle und Tische, habe ich alleine mit meiner Ehefrau bearbeitet und praktisch aus dem Nichts gemacht.” Wenn er und seine Frau aber nicht das Einfamilienhaus gehabt hätten, hätten sie es sich niemals leisten können, erzählt Bistika. „Leider bin ich viel Hass und Unannehmlichkeiten begegnet, da ich statt hartem Alkohol und billigem Bier, Bücher und Kunst angeboten habe.“
Bistika habe auch viel darüber nachgedacht, wie es wäre, nach Deutschland zu ziehen, aber er sagt: „Deutschland ist ein Land mit vielen Möglichkeiten. Was würden sie mir aber nützen, wenn meine Familie und Freunde hier zuhause geblieben wären? So habe ich versucht, die Möglichkeiten auch im Kleinen hier zu schaffen, obwohl es nicht einfach war. Mein ganzes Leben lang wollte ich etwas ausprobieren und etwas tun – und nur, wenn du ehrlich bist oder versuchst, etwas richtig zu machen, kann es auch gelingen.“
Ein Künstler in der Slowakei, besonders in Zeiten der Corona-Pandemie zu sein, ist meiner Meinung nach ein wirklich hartes Brot. Dennoch freut es mich sehr, dass ich Helmut Bistika kennengelernt habe und ihn Ihnen, liebe Leserinnen und Leser kurz vorstellen durfte. Zurzeit ist seine Kunst in Deutschland sowie in Prag oder Kaschau zu sehen. Falls Sie andere Tipps zu karpatendeutschen Künstler haben, schreiben Sie gerne eine Mail an karpatenblatt@gmail.com.
Ľudmila Glembová