Jede Medaille hat zwei Seiten – auch das Arbeiten im Ausland
„Manchmal kehrt man sehr gerne in die Slowakei zurück und manchmal kommen einem dabei Gedanken, wie es wäre, das ganze Leben an einem Arbeitsort, der zufällig extra schön ist, zu verbringen.“ So beschreibt Martin Šutvay sein Studium und seine Berufserfahrungen im Ausland.
Martin kann als Elektroingenieur bezeichnet werden. Er arbeitet mehr oder weniger in den Bereichen Elektrotechnik, Automatisierung und IT. Derzeit leitet er ein Team von sechs Elektroingenieuren. Er ist seit 30 Jahren auf diesem Gebiet tätig.
Weil er sich immer für Technologie interessierte und ihm die Natur, die Menschen und die Gesellschaft nicht gleichgültig waren, entschied er sich, dieses Fachgebiet an der Universität zu studieren. Er meint: „Es liegt wahrscheinlich an den persönlichen Einstellungen und an den vorherrschenden Interessen. Also diese Prioritäten waren bei mir bei allen Entscheidungen da – war es die Schule, Arbeit oder Hobbys. Ich bin praktisch mein ganzes Leben lang nahe bei der Elektrotechnik geblieben.“
Ein oder mehrere Arbeitsorte?
Mit der allmählichen Entwicklung im Elektrotechnik-Bereich, wo Martin zuerst als Junior-Techniker, später als technischer Senior und dann als Leiter eines kleinen Teams arbeitete, begann auch der Wechsel des Arbeitsorte:. „Heutzutage reise ich, weil ich in einem globalen Konzern arbeite und viele meiner Kollegen oder Arbeitsorte außerhalb der Slowakei liegen.“
Unergründliche Welt
Laut Martin sind die Vorteile des Reisens zur Arbeit ins Ausland das schnelle Lernen neuer Dinge oder persönliche Erfahrungen, die am besten zum persönlichen Wachstum beitragen. Auf der anderen Seite betrachtet er als Nachteile, die vergeudete Zeit beim Reisen, die Trennung von der Familie oder auch die Sicherheits- und Gesundheitsgefahr in exotischen oder ausgefallenen Ländern.
Er reiste und reist in viele Länder, einschließlich Deutschland, China, Nigeria, Russland oder die Vereinigten Arabischen Emirate. Natürlich macht er bei jeder Dienstreise unterschiedliche Erfahrungen. Deutschland beschreibt er zum Beispiel als ein gutes Arbeitsland: „Ich reise gern nach Deutschland, das tägliche Leben da ist mir vertraut und ich kann mich voll auf die Arbeit konzentrieren. Auch für informelle Gespräche mit lokalen Kollegen habe ich wenigstens eine grundlegende Übersicht über Sport oder Kultur.“
Hongkong sei für ihn auch eine interessante Geschäftsreise gewesen. Dort habe Martin eine sehr angenehme Erfahrung gemacht – trotz des Problems mit dem Jetlag. Große Die Professionalität zeichne die Menschen dort aus. Außerdem könne man sich in dieser Stadt auch ohne Auto sehr gut bewegen. Seine Reisen nach Russland oder in die Vereinigten Arabischen Emirate verbindet er allerdings eher mit negativen Erfahrungen.
In Moskau hatte Martin kurz an einem Gebäudeaisierungssystem fürs Ostankino-Fernsehstudio gearbeitet. Das war ungefähr ein Jahr nach der Russischen Verfassungskrise (1993), wobei Anti-Jelzin-Protestierende einen bewaffneten Anschlag auf das Fernsehstudio ausübten. Bei seinem Besuch waren noch die Kugelspuren am Eingang zu sehen. „In solchen Situationen verliert man schnell das angenehme Gefühl von Sicherheit, an das wir alle gewöhnt sind.“
In den Vereinigten Arabischen Emiraten wurde ihm sein Pass fast abgenommen: „Die lokalen Arbeitsleiter wollten unsere Reisepässe behalten und haben uns für den Aufenthalt nur Xerox-Kopien gegeben. Das war auf der Baustelle damals ganz normal und alle Mitarbeiter aus Indien, den Philippinen usw. hatten kein Problem damit. Ich habe das natürlich verweigert und habe meinen Pass nicht aus der Hand gegeben.“
Zum ersten Mal
Martin sagt, dass er gute Gefühle hatte, als er die Grenzen der damaligen Tschechoslowakei zum ersten Mal überquerte. Im Ausland faszinierte ihn alles. Die Möglichkeiten und Erfahrungen waren für ihn bunter und vielfältiger. Und er fügt hinzu: „Dazu war ich auch sehr behutsam, weil mich bei dem finanziellen Unterschied zwischen Ost und West eine Geschwindigkeitskontrolle oder falsches Parken ein monatliches Gehalt hätten kosten können.“
Wenn er jedoch nach Hause zurückkehrt, vergleicht er immer noch alle Aspekte des Lebens außerhalb und in der Slowakei. Er glaubt, dass die Slowakei ein kleines Land ist, das jedes größere Land leicht kaufen könnte. Aber er freut sich, dass die Grenzen offen sind und dass es im europäischen Umfeld so viele Geschäftsbeziehungen gibt. Er empfindet Reisen aus der und in die Slowakei immer weniger als Grenzüberschreitung, sondern immer mehr als eine normale Reise von Ort zu Ort.
Habenichts aus dem Osten?
Martin sieht auch, wie er als Slowake im Ausland vor und nach dem Fall der Berliner Mauer wahrgenommen wurde. Am Anfang sei er als ein Habenichts aus dem Osten wahrgenommen worden – nicht nur in Westeuropa sondern auf der ganzen Welt. Finanzielle Unterschiede spiegelten sich auch in der Kommunikation mit ausländischen Kollegen wider, beispielsweise bei Luxusferien „reicherer“ Kollegen oder bei der Buchung eines Hotels, für das eine Kreditkarte erforderlich war.
Einen Unterschied habe er auch in den Arbeitsbeziehungen gespürt, zum Beispiel im Vergleich mit ausländischen Kollegen. Derzeit sieht er seine Position positiver. Die Tatsache, dass er für einen globalen Konzern arbeitet, sichere ihm Respekt – ungeachtet der kulturellen Unterschiede. Derzeit sieht er die Unterschiede zwischen östlichen und westlichen Ländern als viel kleiner als vor 30 Jahren an. Obwohl seiner Meinung nach die Grenzöffnung nicht aisch soziale Gleichheit bedeute, habe es in den letzten Jahren positive Entwicklungen gegeben, die auch zu mehr Selbstbewusstsein beigetragen hätten.
Ausland versus Heimat
Wie würde Martin sich heute entscheiden? Pendeln oder nur in der Slowakei arbeiten? Wie er selbst zugibt, hätte er in der Vergangenheit eine andere Option als heute gewählt: „Vor 25 Jahren war ich überzeugt, dass ich die Slowakei verlassen werde. Die wirtschaftliche und politische Lage war katastrophal. Irgendwie ist das nicht geschehen und heute würde ich lieber die Möglichkeit „nur in der Slowakei“ als das Ausland wählen.
Die Slowakei habe noch viele Reserven und es gebe wirklich wunderschöne Orte in der Welt zum Leben, aber: „Wenn man dazu alle sozialen und gesellschaftlichen Kontakte rechnet, wäre es das für mich heute nicht mehr wert, mein Land wegen der Arbeit zu verlassen.“
Andrea Šutvayová/Katarína Longajová