Karpatendeutsche Sagen und Märchen: Die drei goldenen Tulpen
In Dobschau hat sich im Volksmund ein Märchen erhalten. Die Geschichte soll sich an dem Hügel „Hiaschkohlung“ abgespielt haben. Dieser Hügel wurde schon sehr lange Zeit so genannt und wird noch bis heute bei den wenigen daheimverbliebenen Deutschen so bezeichnet.
Es wird überliefert, dass gesagt wurde, dass der Köhler hier Jahr für Jahr Hirse säte. Einige meinen, dass der Köhler mit seinem Hund da oben von Zeit zu Zeit einen Hirsch erlegte, um zu einem feinen Braten zu kommen und daher der Name rührt. Dobschau (hier auch Topschau genannt) heißt in deutscher Mundart nämlich Hirse und für den Hirsch wird nur ein einziges Wort gebraucht und zwar Hiasch. Daher rührt auch die zweifache Auslegung des Namens „Hiaschkohlung“.
Eine andere, ganz einfache, doch glaubhafte Erklärung für den Ursprung des Hügelnamens, der im Mittelpunkt unseres Märchens steht, hat der Bruder Jakob in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Dobschau geliefert, als er gegenüber einem Märchensammler und Dichter feststellte: „So, wie das Gubasgrendl nach dem Familiennamen Guba und nach dem Namen Laani die Laanishütte benannt wurde, so wurde nach dem Namen Hiasch, der diese Kohlung besessen hatte, der Meiler Hiaschkohlung benannt“. Nachdem er das erklärt hatte, soll er angefangen haben, ein Märchen zu erzählen, das sich hier vor langer, langer Zeit zugetragen haben soll und das er als kleines Kind von seiner Großmutter zuerst gehört hatte:
Eines heiteren Morgens, als Hiasch nach Quellwasser verlangte, tappte er zur nächsten Quelle und siehe da: Am Rand des Brunnes standen drei goldene Tulpen! Flink hat er diese abgerissen, in ein Säckchen geschmissen und ist nach Hause geeilt, um den Seinen eine große Freude zu bereiten. Doch als er am Montag früh wieder seinen Durst mit frischem Quellwasser am Brünnlein löschen wollte, sah er zu seiner großen Überraschung an derselben Stelle wie zuvor wieder drei goldene Tulpen stehen. Georg Hiasch grübelte nun nach und kam zu dem Ergebnis: Wollen mir damit vielleicht die Bergmännchen ein Zeichen geben? Soll ich hier vielleicht einen Schatz finden, an der Stelle, wo die drei goldenen Tulpen stehen?
Gregor Hiasch ließ nun Bergleute kommen und nahm einen Bohrer zur Hand. Als das Wasser abgeronnen war, stand er auch schon einer massiven Wand voller Kupfererz gegenüber. So hielt der Reichtum im Haus der Familie Georg Hiasch Einzug. Keine Spur war mehr von Not und Armut in seinem Hause zu vernehmen. Seidene Kittel trug nun sein Weib, edle Kleidung der Herr und seine zwei Kinder. Denn reich, sehr reich sind sie geworden.
Die Köhlerei musste schon seit langem ruhen und wurde dann auch bald eingestellt und gänzlich aufgegeben. Jeden Tag ließ der Hiasch, nun stolzer Grubenbesitzer geworden, mehr und mehr bohren. Das Erz stapelte sich, man wusste kaum, wohin damit. Hiasch spielte nun den großen Herrn und lebte auf großem Fuße und fing an das Gotteswort zu meiden. Der Übermut, wie in solchen Fällen immer, blieb nicht aus. Nicht umsonst sagt man, Übermut tut selten gut.
Die Alten waren wenigstens noch zu ertragen, doch die beiden Söhne waren übermutig geworden und ganz aus der Art geschlagen. Schnell vergessen war die Armut! Der eine holte sich aus dem Inneren Ungarns ein Weib mit rabenschwarzem Haar. Ein goldgelbes Haarband trug die andere. Diese hatte sich der zweite aus Polen hierher gebracht. Und jetzt verloren ihre Kassen die Taler recht locker! War es doch lustig daheim und noch lustiger auf Reisen in der weiten Welt, wo man unentwegt Tag und Nacht feiern konnte! Nie bekamen sie genug und eine neue Feier fing schon an, wenn die alte noch nicht beendet war. Man konnte sich nicht genug ergötzen an den reichen Schätzen.
An ihrem übertriebenen Genuss und so mancher großen Freude ließen sie die Armen nicht teilhaben. Zum Gehtnichtmehr haben sie sich ausgelebt, ihre Vernunft hatte mächtig nachgelassen. Sie wollten etwas tun, was nie und nirgendwo jemals getan wurde und vor allem – den Frommen frotzeln! Der Ältere der Brüder sagte: „Von was man viel hat, davon wird man satt! Tauschen wir doch unsere Weiber! Die werden sich wundern, die guten Leute dort unten in der Stadt!“ „Der Schwarzhaarigen zu schmeicheln wird mir neue Liebe ins Herz bringen“, sagte der Jüngere.
„Und mich wird sicher das Fieber schütteln, so verlangt mein Herz nach blauen Augen“, erwiderte der Erste. „Nur für die Dummen sind doch die Ehestandfesseln!“, gab er hinzu als hätte er die Weisheit der Welt gerade erst entdeckt.
„Und unsere Weiber, die werden lachen! Die wechseln gern alles, wie ihre seidenen Fächer und ihren reichen Schmuck“, erwiderte der Zweite.
Und was der Pfarrer nicht tun wollte, taten ohne Pfarrer sie allein. Neue Lust und neues Lachen vereinigte die zwei Pärchen. Doch pflegt nicht alles nur zu glücken, wenn wir in den freien Himmel blicken!
Denn im Bergwerk war auf einmal nur mehr der Segen wie einst vor der Zeit und ließ sich bald nicht mehr blicken. Die Tat haben sie bald bereuen müssen, denn wie heißt es doch: „Man soll beim Segen schön sich hüten, vor Weibertausch und bösen Sitten!“
Bald war die „Hiasch“ verlassen, denn so eine starke Lust, die währt nicht lange: Kein Geld im Beutel, Erz an Erzlagerstätten, verlottert ohne Sang und Klang. Und wo einst die drei goldenen Tulpen standen, blühen jetzt nur mehr der Schlehdorn und die Hagebutte.
Anna Fábová