Klausurtagung in Preßburg
Zur Unterstützung der deutschen Minderheiten im Osten Europas und zur weiteren Aufarbeitung des Schicksals der Heimatvertriebenen aus der früheren Tschechoslowakei gehen die Sudetendeutsche Landsmannschaft (SdL) und die Karpatendeutsche Landsmannschaft (KdL) in Bayern neue Wege. Bei einer Klausurtagung in Preßburg/Bratislava führten vom 2. bis 5. April Delegationen beider Landesvorstände gemeinsam und im engen Schulterschluss Gespräche mit Vertretern der slowakischen Regierung, des diplomatischen Korps und der örtlichen Minderheitengemeinschaften.
Rundum positiv bewerteten die Landesvorsitzenden der beiden Landsmannschaften, Steffen Hörtler (SdL) und der Landtagsabgeordnete Josef Zellmeier – zugleich stellvertretender BdV-Landesvorsitzender in Bayern – (KdL), das neue Format: „Kulturelle und politische Bildung zur Vergangenheit und dem heutigen Dasein von Minderheiten ist wichtiger denn je.“
Hochrangig begleitet wurden die beiden Landesvorstände im Rahmen ihrer verständigungspolitischen Arbeit vom Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe, Ludwig Spaenle, sowie der Bundesvorsitzenden der KdL, Brunhilde Reitmeier-Zwick. Einen fachkundigen Vortrag hielt Ortfried Kotzian, Vorstandsvorsitzender der Sudetendeutschen Stiftung. Anwesend war auch das Vorstandsmitglied des SdL, Andreas Schmalcz.
Die politische Entwicklung im Verhältnis von Tschechien, Slowakei und Bayern beziehungsweise Deutschland seit der „Samtenen Revolution“ 1989 nahmen die Botschafterin Deutschlands in Preßburg, Barbara Wolf, der frühere Botschafter Deutschlands in der Slowakei (2009 bis 2013), Axel Hartmann, und der Botschafter Tschechiens in der Slowakei, Rudolf Jindrák, in den Blick.
Minderheitenschutz mit langer Tradition
In einem Punkt waren sich die Gesprächspartner einig: Minderheitenschutz und -rechte haben in der seit 1993 eigenständigen Slowakei eine lange und gut bewährte Tradition. Dies unterstrich der Bevollmächtigte der Slowakischen Republik für nationale Minderheiten, Ákos Horony, selbst Angehöriger der ungarischen Volksgruppe. Wie er berichtete, gibt es gegenwärtig in der Slowakei 14 anerkannte Minderheiten. Über die Lage der deutschen Minderheit in der Slowakei sprach der Vorsitzende des Karpatendeutschen Vereins in der Slowakei (KDV) – und für die deutsche Minderheit Mitglied im Nationalitätenausschuss –, Ondrej Pöss. Er sowie der KDV-Vorsitzende der Region Preßburg, Michael Stolár, zeigten sich zuversichtlich, dass der politische Wechsel in der Slowakei keinen nennenswerten Einfluss auf die Unterstützung der deutschen wie aller anderen Minderheiten ausüben werde.
Auf den Bestand der nationalen Gesetzgebung gegen Antisemitismus und somit die Rückendeckung der slowakischen Regierung setzte der religiöse Vertreter der jüdischen Gemeinden, Rabbiner Misha Kapustin, seine Zukunftserwartung für die jüdische Community. Die Slowakei, betonte er, habe in der Vergangenheit rechtzeitig in Übereinstimmung mit den Vorgaben der EU-Kommission die Weichen gestellt, um gegen antisemitische Übergriffe und Missstände präventiv und reaktiv Maßnahmen zu ergreifen.
Als Bundesvorsitzende der Karpatendeutschen ließ Brunhilde Reitmeier-Zwick nicht unerwähnt, dass die historische Aufarbeitung der Vertreibung ab 1945 in der Slowakei sehr gut gelungen sei. Sie erinnerte in diesem Zusammenhang ausdrücklich an die Erklärung des slowakischen Nationalrats vor 33 Jahren. Darin hatte das Parlament 1991 das Prinzip der Kollektivschuld in Bezug auf die deutschsprachige Bevölkerung verurteilt. „Diese Erklärung war eine historische Errungenschaft“, betonte Reitmeier-Zwick.
Dank ihrer verbindenden Geschichte und Herkunft sind Sudetendeutsche und Karpatendeutsche geradezu prädestiniert, hierzu gemeinsame Wege zu suchen. Dieser Schritt wurde an der Tagung in Preßburg erfolgreich gegangen.
Frank Altrichter/Red