Spuren der Erinnerung – Vor 77 Jahren an der Grenze
Von unseren Brucker Landsleuten wurden wir eingeladen, uns am 23. Juni 2022 bei dem schlichten Kreuz, das an die tragischen Geschehnisse der Nachkriegsmonate 1945 erinnert, zum Gedenken zu treffen. Solche Momente der Besinnung führen dazu, alle diese schrecklichen Erlebnisse in unseren Erinnerungen wach zu halten, auch wenn uns die heute so schnelllebige Zeit dazu verleitet zu vergessen.
Dieses Kreuz an der Grenze zwischen der heutigen Slowakischen Republik und der Republik Österreich wurde am 27. Juli 2020 gesegnet und soll an einen der qualvollsten Tage der Einwohner von Bruck, heute Most pri Bratislave, auf der Schüttinsel erinnern. Was geschah damals im Frühsommer 1945?
Die Vertreibung der Brucker
Die Brucker, die auf eine Vertreibung aus dem Land nicht vorbereitet waren, wurden plötzlich aufgefordert, sich binnen einer halben Stunde auf dem Marktplatz zu versammeln. Es war nur möglich, die Männer von der Arbeit vom Feld zu holen. Am späten Nachmittag wurden um die 2000 Einwohner aus ihrem jahrhundertelang bewohnten Heimatort vertrieben. Zuerst dachten sie, dass es einen oder zwei Tage dauern wird, aber es war der Beginn eines grausamen Leidensweges dieser Menschen. Nach einem nächtlichen Fußmarsch von mehr als 20 Kilometern wurden sie in das Konzentrationslager „Patronka“ getrieben. Es folgte ein qualvoller dreiwöchiger Aufenthalt in diesem „Tábor pre Nemcov“ (Lager für Deutsche), wo viele Kinder, alte Männer und Frauen starben. Dann wurden sie in einem weiteren, mehr als 10 Kilometer langen Fußmarsch durch die Stadt Preßburg und weiter über die Donau und Engerau zur Grenze getrieben. Zu nächtlicher Stunde kamen sie auf einer Wiese an der tschechoslowakischen Grenze zu Österreich an. Was haben wohl diese entkräfteten, hungrigen, durstigen Menschen damals gedacht und gefühlt? Kann man dies begreifen? Es ist sehr schwer und erfüllt uns mit Trauer, aber auch mit Demut.
Bittere Erinnerungen & friedvolles Zusammensein
In dieser Gedenkstunde, geführt von Pater Alois Saghy, wurden Berichte von Zeitzeugen wie Gertie Tcherko und Robert Kudlicka sogar übers Handytelefon vorgetragen. Diese und der Vortrag des Obmannes der Karpatendeutschen Landsmannschaft in Österreich, Karl Putz, erneuerte so manche Erinnerung an diese schwere Zeit. Anwesend waren außer den Mitgliedern der Landsmannschaft und Vertretern der vertriebenen Brucker auch der Bürgermeister von Kittsee, Johannes Hornek mit Gattin, der heutige Bürgermeister von Bruck, František Mastný, und Dr. Steffanides von der österreichischen Landsmannschaft. Den Karpatendeutschen Verein vertraten der Vorsitzende der Region Preßburg, Michael Stolár, die Ortsgruppenleiterin von Preßburg, Judita Kubincová, und einige weitere Mitglieder wie Rosi Stolár-Hoffmann und Heddy Tanzer.
Nach dieser „Stunde der Erinnerung“ besuchten unsere Freunde noch die Ortskirche in Kittsee, wo weiter an die schreckliche Vertreibung gedacht und darüber diskutiert wurde. Hier kam noch der Vorsitzende des Karpatendeutschen Vereins, Dr. Ondrej Pöss, dazu.
Auch wenn dieses Treffen eigentlich an traurige Zeiten erinnern sollte, hat es uns gelehrt, dankbar zu sein, dass wir nunmehr von solchen bitteren Erfahrungen bewahrt sind, dass uns nach vielen schweren Erlebnissen nun auch friedliche und freudvolle Tage geschenkt sind.
Rosi Stolár-Hoffmann, RNDr. Michael Stolár