Volkszählung: Blick in die Geschichte
Eine Volkszählung wird durchgeführt, um möglichst genaue Informationen über verschiedenste statistische Parameter zu erhalten, die als Grundlage für das politische und verwaltungsmäßige Handeln genutzt werden sollen. Die Erfassung des Bevölkerungsstandes durch Volkszählungen hat eine sehr lange Geschichte.
Zu allen Zeiten waren Herrscher und Regierungen an der Ermittlung von Informationen zur besseren Organisation ihres Staatswesens sowie Aussagen über die zu erwartenden Steuereinnahmen oder die militärische Stärke ihres Reiches interessiert. Die Ziele der Erhebung und Registrierung in den jeweiligen historischen Epochen waren unterschiedlich.
Frühe Geschichte
Indirekte Ermittlungen von Bevölkerungszahlen für Steuerzwecke lassen sich bereits um 2700 vor Christus in Ägypten nachweisen. Aufgrund von Tonscherben aus der Stadt Mari lässt sich auch für die Zeit um 1700 vor Christus eine lokale Volkszählung in Mesopotamien für militärische Zwecke belegen. Belegt sind (lokale) Volkszählungen in Ägypten um ca. 1100 vor Christus. Aus den früheren Epochen sind ferner Zählungen in China (2 nach Christus), in Persien und Griechenland, außerdem in Ägypten unter Amasis (569 vor Christus). Man beschränkte sich dabei oft auf die Erfassung der waffenfähigen Männer.
Im Römischen Reich gab es seit dem 6. Jahrhundert vor Christus alle fünf Jahre Volkszählungen und Erhebungen über die Einkünfte der römischen Bürger. Für den Zensus und die Steuerschätzungen war der Censor, ein altrömischer Beamter, verantwortlich. Er legte die Höhe der Steuer fest, die jeder Bürger zu zahlen hatte und war dem Senat verantwortlich. Die Censoren waren sehr einflussreich und genossen hohes Ansehen.
Der Zensus in der Bibel
Aus der Weihnachtsgeschichte im Neuen Testament der Bibel ist die vom römischen Kaiser Augustus befohlene Volkszählung bekannt. Laut dem Lukas-Evangelium hatte der Kaiser angeordnet, dass sich jeder in seinem Herkunftsort in die Steuerlisten einzutragen habe. Aus diesem Grund seien Maria und Josef nach Bethlehem gereist, wo Jesus Christus geboren wurde: „So zog auch Josef von der Stadt Nazareth in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Bethlehem heißt; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids. Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete.“
Als Thema der christlichen Kunst wurde dieser Zensus im Gemälde „Die Volkszählung zu Bethlehem“ (1566) von Pieter Bruegel dem Älteren dargestellt. Er hat diese biblische Szene in das Flandern seiner Zeit verlegt. Das Bild ist auch auf der Titelseite dieses Karpatenblattes zu sehen. Was ist dort abgebildet? Im Vordergrund ist als Zimmermann mit seiner Säge Josef dargestellt. Ihm folgt die hochschwangere Maria in einen großen blauen Mantel gehüllt sitzend auf einem Esel.
Zählungen im Mittelalter
Im Mittelalter sind Volkszählungen in der arabischen Stadt Medina und auch in China bekannt, beide noch im 7. Jahrhundert. Nach der normannischen Eroberung Englands 1066 veranlasste König Wilhelm der Eroberer einen Zensus. In Europa gab es im Mittelalter nur wenige Volkszählungen; meist wurden die Feuerstellen registriert, doch waren die erhobenen Daten oft ungenau, so dass Angaben zur Bevölkerung in der Regel nur Hochrechnungen (zum Beispiel eine Feuerstelle = ca. 10 Einwohner) und nicht überlieferte Zahlen sind.
Verlässliche Daten sind hier meist die Urbare der Klöster und Stifte, die teils in das Hochmittelalter datieren, oft aber nur indirekte Schlüsse auf die Bevölkerung zulassen. Von Bedeutung bei der Erfassung der Bevölkerung waren kirchliche Aufzeichnungen der Pfarreien. In Venedig soll es seit dem 13. Jahrhundert Volkszählungen gegeben haben. Das älteste erhaltene Dokument einer solchen stammt aus dem Jahr 1509 und seit dem 16. Jahrhundert wurden in Venedig regelmäßig Bevölkerungserhebungen durchgeführt, deren Dokumente weitgehend in den Archiven erhalten geblieben sind. Die erste Landes-Bevölkerungszählung im modernen Sinne fand um 1528 in Litauen statt, anfangs noch als reine Erfassung der bäuerlichen Bevölkerung oder der wehrfähigen Männer, dann als Steuerkataster.
Volkszählungen in Österreich-Ungarn
Die erste Volkszählung (Seelenbeschreibung) fand in Österreich unter Maria Theresia 1754 statt. Im ungarischen Teil der Monarchie wurde von 1767 bis 1775 ein landesweites Urbarregister geschaffen. Nach 1769 wurden aber auf Grund des Widerstandes von Adel und katholischer Kirche keine vollständigen Volkszählungen mehr durchgeführt. Im Vordergrund stand die Erfassung der wehrfähigen männlichen Bevölkerung.
Nach der kaiserlichen Verordnung vom März 1869 wurde die erste Zählung für das gesamte Land für 31. Dezember 1869 in Österreich-Ungarn verordnet. Die Volkszählung in Österreich-Ungarn 1869 war die erste moderne Volkszählung in Österreich und der Österreichisch-Ungarischen Monarchie. Nach der Volkszählung 1869 fanden von 1880 an bis zum Ersten Weltkrieg alle zehn Jahre Zählungen statt (1880, 1890, 1900 und 1910). Mit dem Ersten Weltkrieg und dem Ende der Monarchie endete diese Serie an Zählungen.
Volkszählungen in den letzten hundert Jahren
Die erste Volkszählung in der Tschechoslowakei istmit dem Datum 15. Februar 1921 verbunden. Im Jahre 1930 folgte die nächste Volkszählung. Im Jahre 1938 wurde in der Slowakei ein außerordentlicher Zensus durchgeführt, danach fand 1940 die offizielle Volkszählung statt. Nach dem Zweiten Weltkrieg fand in der Tschechoslowakei 1946 und 1947 ein Zensus aufgrund der Ermittlung der Verluste und Neubesiedlungen in der Nachkriegszeit statt. Dann folgten die ordentlichen Volkszählungen 1950, 1961, 1970, 1980 und als letzte in der Tschechoslowakei 1991. Die letzten beiden Volkszählungen in der neuen Slowakischen Republik waren im Jahr 2001 und im Jahr 2011.
Deutsche bei den Volkszählungen
Bei der Betrachtung jedweder nationalen Minderheit spielt natürlich die Frage eine wichtige Rolle, wie viele Menschen ihr zugerechnet werden können. Seit der Volkszählung 1880 hat man auch die Zugehörigkeit zur Minderheit ermittelt, ob durch Muttersprache oder durch Bekennung zur Minderheit. Von den 2 Millionen 461 Tausend Einwohnern der Slowakei haben damals 229 Tausend Deutsch als Muttersprache angegeben, was 9,3 Prozent der Bevölkerung entsprach. Aufgrund der Assimilation ist dieser Anteil stets gesunken: auf 216 Tausend (7,8 Prozent, 1900) und 198 Tausend (6,8 Prozent, 1910).
In der Ersten Tschechoslowakei war der Anteil 4,66 Prozent (139.902, 1921) und 4,5 Prozent (147.501, 1930). In der Slowakischen Republik ist im Jahr 1940 der Anteil der Deutschen auf 5,1 Prozent gestiegen, was 135.408 Personen entsprach.
Die Folgen des Zweiten Weltkrieges haben die Deutschen in der Slowakei hart betroffen: Der größte Anteil von ihnen musste seine alte Heimat verlassen. Das spiegelte sich auch bei allen Volkszählungen in den letzten 70 Jahren wider. Tatsache ist aber auch, dass ein großer Anteil der Verbliebenen seine deutsche Nationalitätszugehörigkeit nicht angegeben hat. Die Gründe dafür waren unterschiedlich: meist Angst vor einer möglichen Verfolgung, politische Gründe, Einfluss des Umfeldes u. a. Die amtlichen Zahlen der Deutschen seit 1880 bis zur letzten Zählung ist auf dem beigelegten Bild angegeben.
Jetzt stehen wir vor der Volkszählung 2021
Die Gebäude- und Wohnungszählung findet vom 1. Juni 2020 bis zum 12. Februar 2021 statt, sie betrifft unser Vereinsleben nur indirekt. Anders ist es bei dem Zensus der Bürger, der läuft vom 15. Februar 2021 bis zum 31. März 2021. Die Zensus-Fragebögen werden auch auf Deutsch zur Verfügung stehen. Bei der Volkszählung 2021 wird es auch Fragen zur Nationalität und Muttersprache geben, aber anders als bei den vorherigen Volkszählungen. Es werden jetzt drei Fragen gestellt, um die Nationalität und Muttersprache zu ermitteln: 1. Die Frage zur Ermittlung der Nationalität wird lauten: „Was ist Ihre Nationalität?“ Da kann man auch die deutsche Nationalität eintragen. 2. Die zweite Frage lautet: „Bekennen Sie sich auch zu einer anderen Nationalität?“ Da besteht die Möglichkeit, auch eine andere Nationalität einzutragen (auch „Deutsch“, wenn dies in der Frage 1 nicht eingetragen wurde) 3. Die dritte Frage „Was ist Ihre Muttersprache?“ spielt eine wichtige Rolle im Bereich des Schulwesens, der Kultur und des Sprachgebrauchs. Ganz neu ist die Möglichkeit, sich zu zwei Nationalitäten zu bekennen.
Nutzen Sie und Ihre Familienangehörigen diese neue Möglichkeit sich zu der langen Tradition der Deutschen in der Slowakei zu bekennen und geben Sie als Nationalität und Muttersprache „Deutsch“ an!
Ondrej Pöss