Vor 300 Jahren in Preßburg
Vom 20. Juni 1722 bis zum 19. Juni 1723 tagte in Preßburg der ungarische Landtag, der als Wendepunkt in der frühneuzeitlichen Geschichte des Königreichs Ungarn gilt. Er verabschiedete zahlreiche Gesetze und legte die Voraussetzungen für etliche grundlegende Wirtschaftsreformen in Ungarn fest. Neben diesen haben die ungarischen Stände in Preßburg auch die „Pragmatische Sanktion“ beschlossen.
Da Karl VI., von 1711 bis 1740 römisch-deutscher Kaiser, Erzherzog von Österreich und König von Ungarn, keine Söhne hatte und befürchten musste, dass die Kinder seines Bruders Joseph mögliche Ansprüche auf den Thron stellen würden, erließ er am 19. April 1713 die sogenannte „Pragmatische Sanktion“. Dieser Erlass bestimmte, dass auch die Töchter des Hauses Habsburg die Erbfolge antreten konnten. Kaiser Karl VI. legte damit die Unteilbarkeit und Untrennbarkeit aller habsburgischen Erbreiche und Länder fest.
Der Landtag in Preßburg stimmte vor 300 Jahren zu, dass Ungarn untrennbar mit dem Rest der Habsburger Monarchie verbunden sein sollte und betonte die Notwendigkeit gemeinsamer Maßnahmen, insbesondere in Bezug auf die Verteidigung. Im Gegenzug bekräftigte Karl feierlich die Rechte des ungarischen Adels. Seine älteste Tochter Maria Theresia konnte so nach seinem Tod 1740 regierende Erzherzogin von Österreich und Königin unter anderem von Ungarn und Böhmen werden und über die Grenzen von Habsburg hinaus berühmt werden.
300 Jahre Einwanderung der Deutschen nach Ungarn
Die Niederlage des türkischen Heeres in der Schlacht am Kahlenberg (1683) führte nach dem Entsatz von Wien zur stufenweisen Zurückdrängung des osmanischen Herrschaftsbereichs und zur Befreiung des Donauraums. Viele Menschen kamen im Türkenkrieg ums Leben oder wurden verschleppt. Primär war, das Land zu bevölkern – durch die Ansiedlung fremder Völker in Ungarn. Bereits 1689 wurde das erste habsburgische Impopulationspatent zur Wiederbevölkerung des „abgeödeten Erbkönigreichs Hungarn“ erlassen.
Der Artikel 103
1722/23 richteten die ungarischen Stände auf dem Landtag in Preßburg an Karl VI. die mit Gesetzeskraft ausgestattete Forderung, „dass freie Personen jeder Art ins Land gerufen werden, die von jeder öffentlichen Steuer für sechs Jahre zu befreien sind (…)“ Der Landtag von 1722/23 lieferte durch den Artikel 103 die bis dahin fehlende Rechtsgrundlage für die Einwanderung, die von den habsburgischen Herrschern und den ungarischen Grundbesitzern mehr als hundert Jahre lang erfolgreich betrieben wurde. Nach diesem Gesetz wurde gefordert, „dass freie Personen jeder Art ins Land gerufen werden, die von jeder öffentlichen Steuer für sechs Jahre zu befreien sind (…)“
Auswirkungen
Die Einwanderungen, die sich über das ganze 18. Jahrhundert erstreckten, erreichten in den Jahren 1723 bis 1726, 1764 bis 1771 und 1784 bis 1787 drei Höhepunkte. Im Laufe des 18. Jahrhunderts gelangten einige hunderttausende Einwanderer aus verschiedenen deutschen und österreichischen Territorien in die Siedlungsgebiete Ungarns in seinen damaligen historischen Grenzen.
Die Entstehung zahlreicher neuer, gepflegter Dörfer, eine beträchtliche Steigerung der landwirtschaftlichen und gewerblich-industriellen Produktion und im Zusammenhang damit die Vermehrung der Staatseinnahmen waren als ein positives Ergebnis konsequent verfolgter Siedlungspolitik zu verzeichnen. Bei der Volkszählung 1910 hatte das damalige Königreich Ungarn 20 886 487 Bewohner, von denen 2 037 435 deutsche Nationalität angegeben hatten.
Gedenkaktion der Ungarndeutschen
Unsere Freunde in der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen sehen das Jahr 2023 als rundes Jubiläum und haben eine groß angelegte, landesweite Gedenkaktion gestartet. Ziel sei es laut der LdU-Vorsitzenden Ibolya Hock-Englender, Wissen zu vermitteln, das Geschichtsbewusstsein zu schärfen, Gemeinschaft zu stiften, das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken, ein breites Spektrum von Mitgliedern der ungarndeutschen Gemeinschaft einzubeziehen und nicht zuletzt das Ansehen der Nationalität zu stärken.
Ondrej Pöss