Wie stark sind wir eigentlich?
Es ist eigentlich entwürdigend, dass man heute über Einschränkungen in der Öffentlichkeit überhaupt auch nur ein Wort verlieren muss.
Zweifellos stellt die Reise in einen exotischen Urlaub kein lebensnotwendiges Nahrungs- oder Gesundheitsmittel dar. Obwohl sie schon eine sehr angenehme Zutat zu einem behaglichen Dasein ist. Bei einem Tässchen Kaffee oder Gläschen guten Weins in einem luxuriösen Hotel oder am Strand auf Mallorca planscht und plaudert und klatscht es sich so gut, nicht wahr! Aber den Reiseverkehr einzuschränken oder auf ihn zeitweilig ganz zu verzichten, heißt doch nicht der Gesundheit etwa Schaden, sondern im Gegenteil ihr Nutzen zufügen. Wenn es zeitweilig im Haushalt an Luxusmitteln mangelt, so ist das für die Gesundheit aller Familienmitglieder außerordentlich zuträglich. Etwas anderes wäre es, wenn die Kartoffeln oder das Brot fehlen würden; denn das sind Lebensmittel, die für den täglichen Bedarf notwendig sind.
Verzicht als Pflicht
Wird also das ausländische Reiseangebot knapp, so müsste eigentlich jedermann nicht nur in der Slowakei wissen, dass das nicht auf die Böswilligkeit jedweder Regierung zurückzuführen ist, die dem Volk den Genuss einer Tasse Kaffee oder ein Glas guten Weins in einer luxuriösen Gegend nicht gönnt, sondern vielmehr auf eine allgemeine Notlage, die der wirtschaftlichen Zwangssituation, in der die ganze Welt sich befindet, entspringt und mit der sich deshalb jeder irgendwie abfinden muss.
Die Gründe der mangelnden Reisefreiheit oder Luxusknappheit liegen auf der Hand. Die zweite Welle der Coronakrise ist dabei, um sich zu schlagen. Oder wie es im Volksmund so schön heißt: „Selbstgemachtes Leid, ist das größte Leid“.
Besserwisser entlarvte Wolkenschieber
Es sei bei dieser Gelegenheit wiederum ein Wort an nörgelnde Besserwisser, die sich augenblicklich allerdings angesichts der Wucht der vollzogenen Tatsachen klugerweise nicht in die Debatte einmischen, in aller Offenheit gestattet. Sie sind immer nur dann zur Hand, wenn sich irgendeine Krise oder eine Mangelerscheinung bemerkbar macht. Sie können es nicht verstehen, warum wir Karpatendeutsche und mit uns zusammen das ganze Heimatland diese Zeit immer mehr zu lieben beginnen. Es sei ihnen bei dieser historischen Gelegenheit die Antwort auf diese Frage gegeben: Wir lieben diese Zeit, weil in ihr Geschichte gemacht wird. Diese Zeit lässt unsere Herzen höher schlagen, weil sie einen wahren Charakter besitzt, weil uns der gute, wahre und schöne Charakter dieser Zeit wertvoller und wichtiger erscheint als ihre temporär auftretenden Schwierigkeiten, die nun einmal mit jeder großen Zeit verbunden sind.
Den Nagel auf den Kopf getroffen
Wir können es uns einfach nicht vorstellen, dass es Menschen gibt, die sich in dieser berauschend großen Zeit wegen eines zeitweilig knapper werdenden Reiseangebots, wegen angeblichen Mangels an Freiheit der Kritik oder wegen dogmatischer oder religiöser Haarspalterei jeder Art auch nur aufregen.
Wenn eben einer dauernd von Gewalt redet, aber in dem Verdacht steht, dass er Minderwertigkeitskomplexe mit sich herumschleppt, wenn einer Bäume ausreißen will, aber so aussieht, als pflückte er lieber Butterblümchen, wenn einer ständig seine Muskeln zeigt, man aber nicht genau weiß, ob es nicht doch Watte ist, wenn einer auf Kosten anderer den starken Mann spielt, sich beim Fortbewegen selbstbewusst in den Hüften wiegt, groß tut und meistens klein ist, dann sagt der helle deutsche Jargonwitz: „Er kann vor lauter Kraft nicht laufen.“ Das trifft den Nagel auf den Kopf.
Unser Recht und unsere Moral
Dabei sind wir Karpatendeutschen nicht im Geringsten etwa selbstgerecht. Wir kennen unsere eigenen Schwächen besser als sonst wer. Wir ringen mit tiefster innerer Kraft und größter Verantwortlichkeit um ein neues Lebens- und Kulturgefühl unseres Völkchens.
Unsere Moral liegt in unserem Recht. Recht und eigene Behauptung im Rahmen aller Völker und Volksminderheiten Europas, als ein vollwertiger und nutzbringender Teil einer voll- und gleichwertigen Familie unseres Erdteils. Auch wirKarpatendeutsche wollen in Europa Klarheit und Gerechtigkeit.
Darauf sind wir bereit, ein neues auf wahren inneren Frieden beruhendes Europa aufzubauen. Heuchlerische Prahlerei und Wolkenschieberei wirkt auf uns nur noch skurril und macht den Eindruck, dass sie mit der Zeit reichlich alt geworden sind. Falsche Moral erscheint uns wie eine dicke und auffällige Schminke, mit der zahlreiche Falten und Runzeln überdeckt werden sollen.
Wir sind und bleiben jung und gesund
Wir aber sind noch immer jung, unsere Aufbauwerke sind stark und einer impulsiven immerwährenden und stets belebenden Schaffenskraft entsprungen. Zugegeben, wir haben zwar hier und da Fehler gemacht und Rückschläge erlitten, aber wir sind doch nicht selbstgenügsam gewesen und haben uns nicht in unserer Eigengefälligkeit gesonnt. Wir haben die kulturellen Probleme, die unsere geistige Welt und vor allem unser Volk betreffen, mit Mut und Tatkraft angepackt. Wir haben immer Kultur gewollt, aber wir haben auch Kultur geschaffen und schaffen sie immer noch weiter.
Es zeigt sich klar, dass wir Karpatendeutschen diese Krise als eine Gemeinwohl verspürende Volksgruppe auf uns genommen haben und dass wir ihre Bekämpfung als ein wichtiger Teil des gesellschaftlichen Ganzen weiter führen. Gänzlich fehlen bei uns zugleich die Töne eines pseudopatriotischen Rausches, der über den Ernst und die Schwere des Ringens hinwegtäuschen soll. Wir kennen die gesammelte, unpathetische Stimmung der Karpatendeutschen und sind stolz darauf, zu dieser Gruppe zu zählen. In einem Satz ist jedoch unser aller Bewusstsein in dieser Zeit enthalten: Wir sind als Volksgruppe immer so stark gewesen, wie wir uns unserer Stärke bewusst waren. Und davon gibt hier und heute auch diese Zeit ein klares Beispiel.
Oswald Lipták