Wörter, die Geschichte machten
Wir leben im 21. Jahrhundert. Vieles hat sich im Vergleich zum 20. Jahrhundert verändert und das kann man auch von der Sprache behaupten. Wir haben neue Wörter aus anderen Sprachen übernommen und Benennungen für neue Entdeckungen gefunden. Aber welche Schlüsselbegriffe haben das 20. Jahrhundert eigentlich zu dem gemacht, was es war?
Der Fernsehsender 3sat hat eine Jury zusammengestellt, die mit beratender Unterstützung der Gesellschaft für deutsche Sprache 100 Wörter ausgewählt hat, die das vergangene Jahrhundert prägten. Man kann behaupten, dass die Sprachgeschichte immer auch zugleich Sachgeschichte ist und umgekehrt. Jedes Jahrhundert ist geprägt durch Wörter, die beschreiben, was wir in dieser Zeit erlebt haben.
Eines dieser Wörter ist Faschismus. Dieses Wort leitet sich vom italienischen fascio ab, was Bund oder Bündel bedeutet. Ursprünglich kommt es aber aus dem Lateinischen. In Italien wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Fasci verschiedene Arbeiterbünde bezeichnet, die anarchistische oder sozialrevolutionäre Bestrebungen verfolgten. In diesem Zusammenhang ist auch um die Jahrhundertwende das Wort Fascismo aufgetaucht. Mussolini gründete 1919 in Italien seine antisozialistischen und nationalistischen Kampfbünde Fasci di Combattimento. Später wurde das Wort ein Symbol der Ordnungs- und Amtsgewalt. Nach Mussolinis Vorbild ahmten ihn unter anderem Franco und Hitler nach und so entstand im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts in ganz Europa ein politisches System, das als antidemokratisch, nationalistisch, meist auch rassistisch gekennzeichnet wurde. Trotz mancher Unterschiede wurde dieses System insgesamt als faschistisch bezeichnet.
Nicht nur dieses, sondern auch andere Wörter haben die Geschichte des 20. Jahrhunderts geprägt. Es sind auch Wörter, wie Republikflucht, Friedensbewegung, die Mauer, Oktoberrevolution oder Wende, die vielen von uns noch im Gedächtnis haften.
Wörter für die Wirtschaft des 20. Jahrhunderts
Nicht nur in der Politik und Geschichte sind neue Wörter entstanden, sondern auch in der Wirtschaft, die im 20. Jahrhundert einen starken Fortschritt verzeichnete. Im 20. Jahrhundert entstand die Kreditkarte. Dieses Bestimmungswort geht auf das lateinische credere zurück, was vertrauen, glauben (dass man sein Geld auch zurückbekommt) bedeutet. Außerdem bezieht es sich auf das italienische credito für Geldleihgabe. Jedoch hält sich das Kompositum unmittelbar an das englische credit card. Diese Form des Zahlens mit „Plastikgeld“ stammt aus den USA und wurde dort in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre eingeführt.
Die Kreditkarte ist heutzutage weltweit einsetzbar. Sie ist ein Mittel, mit dem man Waren und Dienstleistungen beziehen kann, ohne ins Portemonnaie greifen zu müssen. Der Besitzer der Karte legt diese beim Bezahlen vor und bestätigt die Transaktion. Wichtig ist, dass die Firmen Vertragspartner des Kartenausstellers sein müssen. Durch die Belastung des Kontos an einem späteren Abrechnungstag erlangt der Karteninhaber einen wenn auch kurzfristigen Kredit und daher kommt die Benennung „Kreditkarte“.
Das war eines der beliebten Wörter aus dem Gebiet Wirtschaft. Typisch für das 20. Jahrhundert sind aber auch die Planwirtschaft, die Globalisierung oder Steuerschlupfloch. Wir haben mit der D-Mark bezahlt, erstmals Schnäppchen gemacht und illegale Arbeit erstmals als Schwarzarbeit bezeichnet.
Auch die Umwelt hatte es im letzten Jahrhundert nicht einfach. Die Klimakatastrophe erhielt einen Namen, das Ozonloch brachte die Menschen zum Nach- und Umdenken. Recycling, Entsorgung und Umweltschutz kamen auf.
Der Fortschritt spiegelt sich in der Sprache
Die Atombombe wurde erfunden, die Biotechnologie, die Datenverarbeitung, das Flugzeug, das Handy oder auch ein einfacher Kühlschrank wurden entwickelt und erleichterten uns unser Leben in vielen Gebieten.
In der Medizin tauchten im letzten Jahrhundert Wörter wie Abtreibung, Aids, Antibiotikum, Aspirin, Krebs oder Vitamin auf. Etwas war hilfreich, etwas nicht. Die Kultur prägten wiederum Wörter wie Avantgarde, Bauhaus, Beat, Comic, Dadaismus, Design, Expressionismus, Jugendstil oder auch die berühmte Mickey Maus.
In den Medien waren es wiederum Wörter wie Fernsehen, Film, Homepage, Internet, Radio, Surfen oder auch Begriffe wie Webseite und Werbung, die heutzutage sehr angesagte Wörter sind.
Das Individuum und die Gesellschaft prägten Wörter wie Amerikanisierung, Arbeitslosigkeit, Babyboom, Behinderte, Beziehungskiste, Diskothek und Drogen, die Ellbogengesellschaft, Emanzipation und Feminismus, Freizeit, Gastarbeiter, Hippie, Mobbing oder auch Psychoanalyse.
Welche Begriffe werden für unser Jahrhundert stehen?
Für einige sind das vielleicht nur Wörter. Wenn man sich aber ein bisschen näher mit dieser Problematik beschäftigt, erkennt man, dass es nicht nur Wörter aus der Sprachforschung sind. Was hinter diesen Wörtern steckt, ist die Geschichte eines Jahrhunderts. Auch wenn sie heutzutage fester Bestandteil unseres Lebens sind, war es nicht immer so. Wir können dankbar sein, dass es so einen großen Aufschwung gegeben hat und wir die Möglichkeit bekommen haben, uns weiter zu entwickeln.
(nach „Wörter, die Geschichte machten, Schlüsselbegriffe des 20. Jahrhunderts“, herausgegeben von der Gesellschaft für deutsche Sprache, Bertelsmann Lexikon Verlag)
Anna Fábová
Pädagogische Fakultät
Comenius-Universität Bratislava/Pressburg