2053: Deutschland, die Slowakei und Europa

Zum 30. Jubiläum der deutsch-slowakischen Beziehungen wagen wir einen Blick in die Zukunft. Die Karpatenblatt-Redaktion hat daher in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Slowakei mehrere Schreib-Workshops und einen Essay-Wettbewerb zu dem Thema „2053 – Deutschland, Slowakei und Europa. Eine Vision für die Zukunft?“ organisiert. Zahlreiche spannende Essays sind bei uns eingegangen und nach einer schwierigen Entscheidungsphase haben wir sechs Artikel zur Veröffentlichung ausgewählt. Einmal monatlich lesen Sie eine dieser sechs Visionen für unsere Zukunft. Welche davon Realität wird, liegt an uns.

Die Corona-Krise, der Krieg in der Ukraine, das Erdbeben in der Türkei und Syrien… Innerhalb von 4 Jahren ist so viel Unerwartetes passiert, dass es sich nur schwer erraten lässt, was in den nächsten 30 Jahren noch kommen wird. Und so hat es durchaus keinen Sinn, darüber nachzudenken, unsere Energie in Hoffnungen oder Befürchtungen zu investieren – denn wir werden ja letztendlich von den weltweiten Entwicklungen überrascht. Aber wenn es sein muss:

Ob es überhaupt eine gemeinsame (und glückliche!) Zukunft der europäischen Länder gibt, hängt von der Lage der Europäischen Union ab. Sie sorgt für Frieden, freien Personen- und Warenverkehr oder auch für die ökonomische Stabilität der Mitgliedstaaten. Trotz dieser Vorteile gewinnen die euroskeptischen Parteien in den Ländern an Popularität. Deutschland und die Slowakei sind da keine Ausnahmen. Sollte also die EU in der Zukunft aufgelöst werden oder einer der beiden Staaten aus ihr austreten, könnten wir die engen Beziehungen vergessen. Die Zusammenarbeit würde sich auf Visumanträge und Grenzkontrollen beschränken. Man müsste neue Verträge abschließen, um Handel treiben zu können und die slowakischen Studierenden und Angestellten wären in Deutschland in einer schweren Situation – und das würde natürlich auch umgekehrt gelten. Nicht nur die zwischenstaatlichen Beziehungen wären von einem EU-Austritt betroffen, sondern auch die Länder selbst. Für die Slowakei würde er wirtschaftlichen Selbstmord bedeuten. Ein anderes Problem käme beim Schutz der Menschenrechte auf uns zu, wenn sich einige unserer Politiker nicht mehr an die Charta der Grundrechte der Europäischen Union halten müssten. Höchstwahrscheinlich würden die Mitglieder der LGBTI+ Community oder die Frauen, die sich einer Abtreibung unterzogen haben, an der Grenze brennen – so weit sind wir gedanklich hinter dem Mond. Deutschland hätte vielleicht weniger Probleme, wenn es sich auf sich selbst verlassen müsste. Es ist ein reiches Land und, wie einige aus der Slowakei dorthin gezogene Menschen sagen, ein Paradies auf Erden. Man darf aber nicht vergessen, dass die Deutschen die unangenehme Angewohnheit haben, einen Weltkrieg auszulösen, wenn ihnen etwas nicht gefällt. Na gut, diese Bemerkung war nicht fair, aber Konflikte würden drohen – wenn auch nicht von deutscher, dann von einer anderen Seite, die das zersplitterte Europa als ein leichtes Opfer betrachten würde.

Stellen wir uns vor, dass es 2053 die EU noch gibt und dass die Menschheit wie durch ein Wunder keinen Weg gefunden hat, sich zu vernichten: Dann muss sich ganz Europa, die ganze Welt mit den unabwendbaren Folgen des Klimawandels auseinandersetzen. Die Ressourcen unterirdischer Gewässer reichen laut Fachleuten für etwa 20 bis 30 Jahre. Schon 2025 wird mehr als eine Milliarde Menschen ohne Zugang zu sicherem Trinkwasser leben. Der Mangel an Trinkwasser ist nur eines der vielen Umweltprobleme, vor denen man ständig die Augen verschließt.

Vielleicht wäre es von Nutzen, wenn wir alle, in Deutschland wie in der Slowakei, uns ein bisschen mehr mit der Problematik beschäftigen und unsere persönlichen Maßnahmen treffen würden, um die Natur zu schonen. Wir könnten einfach und harmlos anfangen – z. B. bei einem Workshop über das Schreiben von Essays die Sonne in den Klassenraum lassen, anstatt elektrische Beleuchtung zu verwenden. Oder wir könnten uns vor dem Schlafengehen immer versichern, dass alle Steckdosen leer sind. Wir könnten auch zwei Minuten länger im Laden sein und recherchieren, welche Schokolade kein Palmöl enthält. Und wenn wir das alles gemacht haben, wenn wir ein paar Schritte für ein besseres Hier und Jetzt unternommen haben, dann können wir auch Philosophen spielen und nach Herzenslust darüber nachdenken, wie Europa im Jahre 2053 aussehen wird.

Von Ivana Majorošová