Rosi Stolár-Hoffmann zum 95. Geburtstag
Am 20. Juni 2020 feierte Rosi Stolár-Hoffmann ihren fünfundneunzigsten Geburtstag. Wer sie kennt, sagt: Das gibt es nicht! Die „letzten“ dreißig Jahre war sie der Motor und der Eckstein der deutschen Gemeinde in Pressburg.
Seit der Wende 1989 arbeitete sie unermüdlich für die Erhaltung des Deutschtums der Pressburger, widmete sich der Erweiterung und Pflege der Freundschaft – nicht nur innerhalb der vernichtend klein gewordenen Gruppe der Deutschen in der Slowakei, sondern auch derer, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Obwohl sie, milde gesagt, in ihrer Heimat Schlimmes erlebte, war sie immer der Ansicht: nicht vergessen, sondern vergeben.
Ihre elektrisierende Aktivität, die alle zur Weiterarbeit trieb, hatte kein Ende. Ohne sich Ruhe zu gönnen, suchte sie Wege und Mittel, den Lauf der Gemeinde in Gang zu halten. Sie bettelte um die bescheidensten Mittel bei der Führung des Karpatendeutschen Vereins in der Slowakei, suchte Sponsoren und wenn es nichts mehr gab, so steuerte sie aus eigener, sicher nicht so reicher Tasche, Finanzen bei, um den Engpass zu füllen. So konnten wunderbare Karpatendeutsche Tage, Pressburger Treffen, Kinderlager, Ausflüge und Zusammenkünfte in einer häuslich frohen Atmosphäre verlaufen.
Sie gründete und führte jahrelang die Gruppe der „Singenden Omas“. Der Klang des deutschen Liedes war ihr das Allerliebste und so sammelte sie gleichgesinnte Damen im besseren Alter und begann mit ihnen eine jahrelange Schnur von Auftritten nicht nur in der Heimat, sondern auch im Ausland. Ihre Auftritte waren „der Höhepunkt“, „eine große Bereicherung“ der Treffen von Karlsruhe, über Wien bis nach Käsmark.
Sie versuchte unermüdlich auch die Kleinsten in die Gemeinde einzugliedern. Sie stand hinter der Gründung eines deutschsprachigen Kindergartens und auch der Schulen mit verbreitetem Gebrauch der deutschen Sprache in Pressburg. Ihre Kinderlager und Singworkshops, an denen bis zu sechzig Kinder und Lehrerinnen teilnahmen, führten zur Weitergabe der Muttersprache ihrer Vorfahren und der deutschen Bräuche in Pressburg. Die von ihr vorbereiteten Nikolooabende vor Weihnachten waren etwas Großartiges. Es kamen über hundert Kinder und jeder bekam etwas. Das „etwas“ wurde von Rosi bei Sponsoren organisiert und zur Freude der Kleinsten verteilt. Als Dank genügten die lächelnden fröhlichen Augen der Kinder.
Nicht zu vergessen sind auch ihre ökumenischen Andachten, die sie seit 1990 vorbereitete. So trug sie nicht nur zur ökumenischen Verständigung der Konfessionen, sondern auch der Religionen bei.
Und so könnte man weitere zig Veranstaltungen nennen, die sie und nur sie zustande brachte: Treffen mit Vertretern von Kultur, Politik und Diplomatie, Reisen ins In- und Ausland, Vermittlung von Freundschaften. Und als Dank genügte ihr ein Lächeln und ein liebes Wort. Wie es einer der Vertreter des diplomatischen Dienstes der Bundesrepublik in der Slowakei vor einigen Jahren aussprach: „Diese Frau muss man einfach mögen!“
Pressburger Weingärtnerfamilie
Rosina Stolár-Hoffmann wurde am 20. Juni 1925 in Pressburg geboren. Ihr Vater Gustav Adolf Hoffmann sowie ihre Mutter Rosina (geborene Albrecht) gehörten zu den ältesten Weingärtnerfamilien in Pressburg. Aus der Familienchronik ist zu entnehmen, dass die Familie Hoffmann im Zuge der Gegenreformation aus der Steiermark eingewandert ist und die Familie Albrecht aus dem Raum Augsburg kam. Die Wurzeln der Familie in Pressburg sind aber noch älter und reichen bis in die Zeit der Erneuerung Ungarns unter König Béla dem IV. aus dem Hause der Árpáds nach dem Tatareneinfall in den Jahren 1241 – 1242, sowie in die Zeit der Belagerung Wiens im Jahr 1529 und 1683 durch die Türken, als sich etliche ihrer Vorfahren an der Verteidigung Pressburgs beteiligten. Die Pressburger Weingärtner waren fast ausschließlich evangelisch Augsburger Bekenntnisses und bildeten den Grundpfeiler der deutschen Gemeinde in Pressburg.
Sie besuchte die evangelische deutsche Volksschule und die städtische deutsche Mädchenbürgerschule, später die Handelsschule. Nach deren Abschluss begann sie eine Lehre in der Union Bank, die sie aber wegen der Kriegshandlungen abbrechen musste. Sie war Mitglied im Bund der evangelischen Jugend, der nach der Entstehung des Slowakischen Staats aufgelöst wurde, wogegen sie heftig protestierte.
Im April 1945 wurde die ganze Familie vor der vorrückenden Roten Armee nach Hohenlehen in Österreich evakuiert. Nach dem Ende des Krieges in Europa im Mai 1945 entschlossen sie sich zur Rückkehr nach Pressburg. Ihr Vater wurde sofort verhaftet und im Konzentrationslager für Deutsche auf der „Patronka“ interniert. Da sie wegen einer ansteckenden Krankheit, Scharlach, nicht in das Lager eingeliefert werden konnte und eine Zusammenführung der Familie so nicht möglich war, verblieb diese im Lande. Es wurde ihr aber die Staatsbürgerschaft entzogen und alles Eigentum konfisziert. Der ganze Rest der Familie wurde aber 1945 aus ihrer Heimat vertrieben. Sie musste dann ihren Unterhalt durch verschiedene untergeordnete Arbeiten decken.
Erst Anfang der fünfziger Jahre wurde ihr die Staatsbürgerschaft zurückerteilt und sie konnte im Jahr 1951 bei der Außenhandelsgesellschaft Koospol als deutsche Korrespondentin antreten. Als diese nach Prag übersiedelte, arbeitete sie in der Landesleitung der Staatlichen Handelsgenossenschaft. Leider kam es als Folge der langen Entbehrungen zu einer schweren, einige Jahre dauernden Lungenerkrankung mit langen Spital- und Kuraufenthalten, bis diese endgültig geheilt werden konnte. Danach fand sie Arbeit als Übersetzerin und Dolmetscherin in einer Sport-Tageszeitung. Von hier ging sie dann in Rente.
Im Jahr 1956 heiratete sie Michal Stolár. Aus dieser Ehe entstammen zwei Söhne: Michael und Martin. Durch ihre Erziehung wurde ihr Deutschtum gefestigt und beide bekennen sich zur deutschen Nationalität.
Engagement für den Verein
Im Jahr 1990 hatte Sie sich mit ihren beiden Söhnen zusammen mit Ing. Aurel Roth, Prof. Otto Sobek, Eduard Wenzl, Wilhelm und Heinrich Gall maßgeblich bei der Gründung des Karpatendeutschen Vereins in der Slowakei in Pressburg beteiligt. Sie begann mit ihrer unermüdlichen Arbeit für den Verein zuerst in ihrer Wohnung, dann in einem kleinen Büro, später in größeren gemieteten Räumen und zuletzt im vom deutschen BMI gekauften Haus der Begegnung, das mit großem Dank bis zum heutigen Tag benützt wird. In der den Deutschen fremdgewordenen Umgebung, dient dieses Haus als Zufluchtsort und Heimat. Ihre Tätigkeit bestand und besteht bis heute darin, das Geschehen in der Stadt Pressburg, aber auch in den angrenzenden Orten, in denen noch Deutsche verblieben sind, zu koordinieren, zu pflegen und zu dokumentieren.
So konnte sie im Jahr 1992, den I. Karpatendeutschen Tag zustande bringen, der am 22. – 23. August in Pressburg im Saal des Kulturparks stattfand und an dem mehr als tausend Landsleute aus allen Regionen des KDV, aus Österreich und Deutschland teilnahmen, und den auch viele namhafte Regierungsvertreter mit ihrer Anwesenheit beehrten. Es ist ihr auch gelungen, den II. und III. Karpatendeutschen Tag und bis heute unzählige internationale Pressburger Treffen erfolgreich zu organisieren.
Nach vielen Vorarbeiten und Vorsprachen im Bildungsministerium ist es ihr gelungen, in Pressburg einen Kindergarten mit erweitertem Deutschunterricht zu eröffnen. Später wurde dann dem Verein auch eine Grundschule mit erweitertem Deutschunterricht zugeteilt, und weitere Schulen sind dazu gekommen. Mit allen Schulen, an denen Deutsch unterrichtet wird, hat sie gute Kontakte, es werden gemeinsam Wettbewerbe und kulturelle Aktivitäten veranstaltet.
Die Botschaft der Bundesrepublik ist ihr bis zum heutigen Tag immer sehr wohlwollend und anerkennend entgegengekommen. Desgleichen auch die Vertreter der österreichischen Botschaft. Nicht zu vergessen sind ihre engen Kontakte mit den Landsleuten im In- und Ausland, zahlreiche literarische Beiträge, Gedichte und Lieder im Karpatenblatt, Karpatenpost und Heimatblatt sowie Publikationen über die Weingärtner in Pressburg.
Im Rahmen der Kulturveranstaltungen veranstaltete sie unzählige ökumenische Gottesdienste, die von allen Beteiligten immer sehr positiv eingeschätzt wurden. Die regelmäßigen Kulturnachmittage im Haus der Begegnung runden den bunten Reigen ihrer Aktivitäten nur ab.
Hohe Auszeichnungen
Für ihre großen Verdienste fand sie im Laufe der Zeit auch öffentliche Anerkennung. Die Stadt Bratislava/Pressburg ehrte am 24. April 2015 fünf herausragende Pressburger Persönlichkeiten, darunter Rosina Stolár-Hoffmann. Der Primator (Oberbürgermeister) der Stadt nahm die Ehrung im Primatialpalais vor. Bereits am 25. Jänner 2010 war ihr das Goldene Verdienstzeichen der Republik Österreich verliehen worden. Am 19. November 2010 erhielt sie das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland und am 26. September 2014 verlieh ihr Frau Brunhilde Reitmeier-Zwick, die Vorsitzende der Karpatendeutschen Landsmannschaft, die Silberne Ehrennadel der Karpatendeutschen Landsmannschaft in der Bundesrepublik Deutschland.
Wie nah bei den Menschen sie trotzdem geblieben ist, zeigt ihr Spitzname: Alle Welt nennt sie nur „Schwesti“. Ja, liebe Schwesti, wir gratulieren Dir ganz herzlich zu Deinem 95. Geburtstag und wünschen Dir für Dein weiteres Leben Gottes Segen, Gesundheit und Zufriedenheit.
Für alle Gratulanten grüßt Dich Dein Cousin Andreas Metzl