Ein Vierteljahrhundert Tradition in Metzenseifen: das Kindersprachlager

Als sich die Betreuer im August 2019 nach erfolgreich abgehaltenem Kinderlager von Peter Sorger und Wilma Bröstl als Vertretern des Karpatendeutschen Vereins verabschiedeten, war man sich einig: Im nächsten Jahr muss es etwas Besonderes geben, denn dann wird das Kinderlager in Metzenseifen zum 25. Mal stattfinden!

Tatsächlich können beide Seiten mit einem gewissen Stolz auf diese stattliche Tradition blicken, die 1995 durch den ehrenamtlichen Einsatz einiger Studenten mit zumeist sudetendeutschem Familienhintergrund begann. Die einen können stolz darauf sein, den Startpunkt dieser Institution gesetzt zu haben und – das dürfte besonders bemerkenswert sein – nach zweieinhalb Jahrzehnten noch immer aus der entfernten Bundesrepublik Deutschland den Weg nach Metzenseifen zu finden; und die Metzenseifener können es wohl ihrer Herzlichkeit und ihrem schönen Ort als Verdienst anrechnen, über einen so langen Zeitraum hinweg Anziehungspunkt für die freiwilligen Helfer zu sein.

Tatsächlich musste nur ein einziges Mal, im Jahr 2015, das Kinderlager aus einigen widrigen Gründen ausfallen, bevor für 2016 eine neue Leitung gefunden war, die jedoch tatkräftige Unterstützung von erfahrenem Betreuerpersonal der „ersten Stunde“ erhielt.

War nun das 25. Sprachlager etwas Besonderes oder nicht?

Langfristige und aufwendige Vorbereitungen, die einem solchen Jubiläum angemessen gewesen wären, entfielen jedenfalls, da über Monate hinweg unklar, wenn nicht höchst zweifelhaft war, ob es unter den Ereignissen und Bedingungen, die über Europa und die Welt im Frühjahr 2020 hereingebrochen waren, überhaupt stattfinden könne. Ja, selbst die Möglichkeit der Einreise in die Slowakei war keinesfalls gesichert. Nach zermürbender Wartezeit mit schwindender Hoffnung erhielten die Bundesdeutschen wenige Wochen vor dem anberaumten Termin überraschend grünes Licht aus Metzenseifen: Die Verantwortlichen des Karpatendeutschen Vereins hatten die Entscheidung gefällt, das Kinderlager solle stattfinden!

Nun wurde auf die Schnelle herumgefragt, und tatsächlich fand sich kurzfristig eine unerwartet stattliche Gruppe Ehrenamtlicher aus Deutschland zusammen. Das Besondere: vier von ihnen hatten bereits das allererste Kinderlager begleitet! Aus dem Studentenalter waren sie natürlich längst herausgewachsen. Stattdessen brachten sie schon eigene Kinder jugendlichen Alters mit, so wie auch andere frühere Betreuer, die nicht selbst kommen konnten, ihre ältesten Sprößlinge schickten, welche nun mit Eifer erstmals leitende Aufgaben übernahmen wie zum Beispiel das Programm für die Gruppe der jüngsten Teilnehmer. So sieht die „alte Garde“ hoffnungsfreudig auf die nachrückende Generation, die die Zukunft des Metzenseifener Kindersprachlagers sichern soll.

Doch braucht ein Kinderlager, um stattfinden und erfolgreich sein zu können, nicht nur motivierte Betreuer, sondern vor allem natürlich auch – Kinder. Ein wenig geringer als im vorigen Jahr war ihre Zahl zwar diesmal, was sicherlich der zum Teil noch in der Bevölkerung vorhandenen Verunsicherung geschuldet war. Als gutes Zeichen zu werten ist auf jeden Fall, dass manche Kinder bereits zum vierten oder gar fünften Mal dabei waren. Sie und ihre Eltern scheinen also mit dieser Art der Feriengestaltung zufrieden zu sein und die Betreuer konnten merklich die Früchte ihrer Arbeit der vergangenen Jahre ernten, da viele Regeln des Miteinanders bereits zur Selbstverständlichkeit geworden waren.

Als besonders erfreulich empfanden die durchweg nicht der slowakischen Sprache mächtigen Bundesdeutschen, dass wieder mehr Kinder recht gut Deutsch verstanden oder gar sprechen konnten, was die  Arbeit natürlich sehr erleichterte. Verantwortlich hierfür war ganz offensichtlich nicht der Schulunterricht, sondern stets die Verwendung des Mantakischen oder Hochdeutschen innerhalb der Familie. Dies möge als Appell an alle karpatendeutschen Eltern und Großeltern aufgefasst werden!

Lagerthema Luft

Was die Betreuer sich unter dem ungewöhnlich anmutenden Lagerthema „Luft“ ausgedacht hatten, war vielfältig. So ziemlich alles, was Luft kann und wozu man Luft braucht, wurde in Liedern, Basteleien und Experimenten erfahren: Luftballons, Vögel und Papierflieger, Fächer, Froschquaken, Pfeifen und Flöten, Windmühle, Floßbau mit leeren Flaschen – all dies und noch viel mehr kam in den fünf kurzen Tagen zum Einsatz. Die aus Einheimischen und Gästen aus Deutschland bestehende Gruppe der älteren Kinder bis 14 Jahre beschäftigte sich darüber hinaus mit „Luftigkeit“ der besonderen Art in Hans Christian Andersens Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ – wer es nicht kennt, dem sei es, auch Erwachsenen, zum Nachlesen empfohlen -, welches sie beim Abschlussabend sprachlich und schauspielerisch überzeugend zum Besten gab.

Da Luft auch nötig ist, um mittels eines Blasebalges ein ordentliches Schmiedefeuer in Gang zu halten, gehörte diesmal ein Besuch bei Metzenseifens letztem Hammerschmied Hannes Bröstl zum Programm. Leider hielt ein bösartiger, mit einer Wasserpistole um sich schießender Kobold den Eingang versperrt, weshalb die Kinder zuerst gruppenweise mehrere Aufgaben lösen mussten, die sie erkennen ließen, dass das Zusammenspiel aller vier Elemente für den Betrieb der Schmiede notwendig ist. Als die Lösungssprüche gefunden waren, wurden die Elemente herbeigerufen, die gemeinschaftlich den Kobold besiegten und den Weg in das Innere der Schmiede freimachten.

Luft ist lebensnotwendig und kann als sehr erfrischend empfunden werden. In Anbetracht ihrer hochsommerlichen Temperaturen rückte allerdings hin und wieder ein anderes Element in den Vordergrund: So mancher Luftballon wurde umgewandelt in eine Wasserbombe, was zum Lagerabschluss für eine kaum zu bändigende Abkühlungsorgie sorgte…

Betrachtet man all die genannten erfreulichen Entwicklungen und bedenkt man obendrein, dass der Elternnachmittag zu einem Gartenfest mit reichhaltigem Buffet und ausgiebigen Gesprächen erweitert wurde und dass sich neben weiteren Gästen sogar der Bürgermeister die Ehre gab, den Darbietungen der Kinder zu folgen, dann darf man guten Gewissens den Schluss ziehen, dass in Metzenseifen im August 2020 ein würdiges Jubiläum begangen wurde, das zugleich Lust auf und Vertrauen in die Zukunft weckte.

Sieglinde Wedekind