Covid19

Zweite Welle – Zweite Chance

Viele Menschen haben sich beim Jahreswechsel die Frage gestellt, was das neue Jahr 2021 ihnen, ihren Nächsten und ihren Völkern bringen werde – ob Stagnation, Rückschlag oder aber neue Herausforderungen. Das Jahr 2020 hatte seine Umwege und war ganz anders verlaufen, als wir es uns alle vorgestellt hatten.

Es gibt Phasen in einer großen historischen Entwicklung, die dem geschichtlich denkenden Menschen manchmal gänzlich unverständlich erscheinen. Das Schicksal ist immer gerecht. Es macht manchmal Umwege, um zum Ziel vorzustoßen, aber es geht nie am Ziel vorbei. Es schenkt seine Gunst den Menschen, ja ganzen Völkern, die sie verdienen, und versagt sie denen, die ihrer unwürdig geworden sind. Alles Glück und aller Erfolg, jeder Triumph und jeder Sieg wird nur angeboten; und zwar handelt es sich immer um ein Angebot auf Zeit.

Die ganz großen historischen Gelegenheiten sind nur selten gegeben. Sind sie aber da, dann ist die zwingende Notwendigkeit zum Handeln gekommen. Dann heißt es: Das Eisen schmieden, solange es glüht. Wenn die Funken nicht mehr sprühen, dann hat es auch seine Formkraft verloren.

Unser Reifen

Die Karpatendeutschen waren und sind überall bekannt dafür, dass sie fleißig und erfindungsreich, genügsam und hart, klug und arbeitsam, planvoll und umsichtig sind. Corona in ihrer ersten Welle zwang uns erst zur großen Probe, als wir alles Menschenmögliche getan hatten, um ihr gewachsen zu sein. Und wir behaupteten uns dabei glänzend. Das kann und muss in aller Deutlichkeit klar zum Ausdruck gebracht werden.

Das kleine Völkchen der Karpatendeutschen lebt im zweiten Jahr der Coronapandemie in einem harten politischen Klima. Das ist gut so. Je härter das Klima, desto verbissener die Entschlossenheit, mit den Schwierigkeiten fertig zu werden. Denn die Erfahrung lehrt, dass Völker, die vom Leben schwer gezeichnet werden, dadurch nicht etwa an Kraft verlieren, sondern nur an Kraft gewinnen. Wir Karpatendeutschen wären nicht so, wie wir sind, wenn uns alles leicht gemacht worden wäre.

Chance unserer Neu-Behauptung

Es liegt nur daran, dass wir diese turbulente Entwicklung dieser epochalen Pandemie Tag für Tag in ihren einzelnen Phasen miterleben, wenn auch wir manchmal den Blick für ihre Dimensionen verlieren. Sie wird zweifellos später einmal in unserer Geschichte als die großartigste Chance bewertet werden, die auch uns Karpatendeutschen jemals geboten wurde. Wir sind also in der konsequenten Nutzung dieser Chance eigener Bewährung und Rechtfertigung in dieser Coronazeit nicht nur uns selbst verantwortlich; wir tragen auf unseren Schultern das Erbe ungezählter Leiden und Blutopfer uns vorangegangener karpatendeutscher Generationen. Wir sind aber auch gebunden an die Verpflichtung kommenden Generationen gegenüber, die von uns verlangen können, dass wir eine einmalige Chance auch wahrnehmen. Und das ist auch recht so. Diese geschichtliche Pandemie schlägt nicht nur Wunden, sie heilt auch Wunden. Aber nur mit und durch uns.

Uns allerdings geziemt es, hart und gelassen zu bleiben, realistisch zu denken und niemals den Boden unter den Füßen zu verlieren, alle mit Corona verknüpften Probleme anzugehen, wo sie sich zeigen, und das neue Jahr mit derselben Entschlossenheit zu beginnen, mit der wir das alte, vergangene gemeistert haben. Dann werden wir es bezwingen und alles schaffen, komme was kommen mag.

Wir Mitgestaltende

Wir Karpatendeutschen von heute besitzen zu der Coronazeit, die wir durchleben und die wir aber alle auch mitgestalten dürfen, nicht so viel Abstand, dass wir sie jetzt schon in ihrer ganzen Weite und Größe überschauen könnten. Wir sind Kinder dieser Zeit.

Der Einzelne darf dabei niemals in den Fehler verfallen, seinen eigenen Anteil an diesem wahren Krieg mit dieser Pest der Neuzeit zu überschätzen. Insbesondere aber ist es gänzlich unangebracht, für alles, was er an Unbequemlichkeiten mit sich bringt, den Staat oder die Regierung oder irgendwelche Organisationen verantwortlich zu machen.

Der Kampf, den wir heute führen, ist ein Kampf aller Völker und aller Menschen aller Erdteile ohne jedwede Ausnahme. So wie jeder von uns einmal in den Genuss der Erfolge dieses Kampfes kommen wird, so muss das ganze Volk, und zwar ohne Ausnahme, auch an seinen Lasten teilhaben. Man darf sich nicht auf den Standpunkt stellen, dass, während die einen kämpfen und sogar ihr Leben einsetzen, die anderen das Recht haben im Schutz ihres komfortablen Abseits eigener Passivität Ruhe und Frieden zu predigen und zu spielen. So etwas widerspricht dem Geist unserer Eigenschaft und der ganzen heutigen Zeit selbst.

Dankende Schlussfolgerung

Es gibt nichts Schöneres auf Erden, als im Wirken eines begnadeten Menschen das Walten der Göttlichkeit zu verspüren. Bei Mozart zum Beispiel wird uns dieser höchste Genuss in verschwenderischer Fülle zuteil. Wenn über der Stadt Wien, der er seine besten Jahre schenkte, in seiner Todesstunde die Glocken läuteten, dann war die ganze musikalische Welt bei ihm.

Heute allen Menschen guten Willens unsere tiefe Verbundenheit und eine aus allen Kammern unseres Herzens strömende Dankbarkeit für alles bisher im Kampf gegen die Coronapandemie Geleistete hierzulande zu bekunden, ist uns eine menschliche Freude und Genugtuung in dieser schwierigen, von Corona gezeichneten Zeit. Es ist klar, dass dieser Kampf in seinem zweiten Jahr eine Unmenge von Problemen aufwirft, an die wir in normalen Zeiten niemals gedacht hätten. Eine wahre immerwährende Chance bietet sich dennoch sowohl im Leben des Einzelnen wie auch im Leben der Völker als ein Fingerzeig Gottes an. Oder anders gesagt, selbstgemachtes Leid pflegt immer auch das größte zu sein.

Wir wissen, dass wir um unser nationales und in den meisten Fällen auch um unser individuelles Dasein kämpfen. Wir machen uns gegenseitig nichts vor, nähren unsere Hoffnungen nicht an trügerischen Illusionen, sind uns durchaus bewusst, welcher Anstrengungen es bedarf, um zum Erfolg zu kommen, und sind auch bereit, diese zu leisten und auf uns zu nehmen.

Was wir heute besitzen, das haben wir uns auch selbst erkämpfen müssen. Wir dürfen nichts davon aufgeben, im Gegenteil, wir müssen etwas dazu gewinnen. Dieses Bewusstsein macht uns stark und unüberwindlich.

Oswald Lipták