Ein Labor für eine freie Gesellschaft
Am 12. April 2021 fand online die Eröffnungskonferenz „Lyzeum – Labor der freien Gesellschaft“ statt. Diese Veranstaltung war eine erste Möglichkeit, einen Einblick in das gleichnamige Projekt zu gewinnen. Dessen Hauptträger ist die Gemeinde der großen Kirche in der Altstadt Preßburg/Bratislava Staré mesto mit anderen Partnern, der Milan Šimečka Stiftung und dem Bürgerverein Punkt, der den Guten Markt auf der Panenská-Straße organisiert. Bei dieser Gelegenheit haben wir mit dem Projektmanager und alt-katholischen Priester Martin Kováč gesprochen.
Was war der erste Anstoß für euch, dieses Projekt zu beginnen?
Am Anfang stand in erster Linie die Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen für EWR-Zuschüsse, die für die Wiederherstellung des kulturellen Erbes und der Wirtschaft im Bereich Kultur gedacht sind. Das Gebäude des Alten Lyzeums hat alle notwendigen Voraussetzungen erfüllt, um diesen Zuschuss zu beantragen.
Es muss jedoch gesagt werden, dass ich, als ich 2019 angefangen habe, für die evangelische Kirchengemeinde Preßburg Altstadt zu arbeiten, nicht wusste, dass dieses Projekt meine Hauptaufgabe sein wird. Es war ein sehr natürlicher und schrittweiser Prozess.
Welche Ziele habt ihr euch in diesem Projekt gesetzt?
Das Hauptziel des Projekts ist natürlich die Restaurierung des historischen Denkmals. Das allein reicht aber nicht aus. Ein Ziel dieser Ausschreibung ist es auch, die Nachhaltigkeit des restaurierten Denkmals durch eigene Aktivitäten zu sichern. Ziel des Projekts war es daher, ein Kultur- und Gemeindezentrum im Alten Lyzeum zu schaffen – eine Art Labor für freies Denken, Glauben, Kreativität, moderne und klassische Kultur und insbesondere für den Dialog. Aus diesem Grund wurde das Projekt „LÝCEUM – Free Society Lab“ genannt.
Dazu sollten auch unsere wichtigsten Partner einen wesentlichen Beitrag leisten: die Milan-Šimečka-Stiftung, der Bürgerverein PUNKT, der norwegische Partner Kirkelig-Dialogzentrum Oslo sowie eine kooperierende Gemeinde der Evangelischen Kirche in Norwegen, die sich auf die Seelsorge für Gehörlose spezialisiert hat (Døves menighet Stavanger). Andere Organisationen, Verbände und Einzelpersonen haben sich ebenfalls für das Projekt ausgesprochen.
Wie können sich die anderen Minderheiten an dem Projekt beteiligen? Der Karpatendeutsche Verein hat ja auch engen Kontakt zur Großen Kirche und zur Pfarrerin Anna Polcková, mit der sie eng zusammenarbeiten.
Wir möchten sehr, dass das Alte Lyzeum ein Ort wird, an dem verschiedene lokale Gemeinschaften ihre Veranstaltungen organisieren. Darüber hinaus sollte die gesamte Schaffung eines Kultur- und Gemeindezentrums ein partizipatorischer Prozess verschiedener lokaler Verbände und Akteure sein, in dem alle guten Ideen willkommen sind. Gleichzeitig sind wir uns bewusst, dass wir von Anfang an nicht in der Lage sein werden, selbst einen wesentlichen Teil des Programms zu bilden. Wir freuen uns daher sehr, wenn andere interessante Organisationen und Verbände, die im Einklang mit der Vision des Projekts stehen, beschließen, ihre Veranstaltungen mit uns gemeinsam zu organisieren. Und der Karpatendeutsche Verein gehört definitiv dazu.
Die Konferenz war ein Symbol für Vielfalt. Wie nimmst du die Gesamtzusammensetzung der Konferenzteilnehmerinnen und -teilnehmer wahr?
Ich glaube, dass unsere Eröffnungskonferenz mit ihrem breiten Spektrum an Teilnehmerinnen und Teilnehmern auch widergespiegelt hat, was wir in unserem Projekt wirklich anstreben. Verschiedene Institutionen waren auf der Konferenz vertreten, von Botschaftern und Vertretern der staatlichen Verwaltung über akademische und pädagogische Organisationen, lokale Regierungen und kulturelle Institutionen, kirchliche und Minderheitenorganisationen bis hin zu Nichtregierungsorganisationen und Vertreter verschiedener sozialer und karitativer Projekte. Und natürlich freuen wir uns sehr darüber!
Für die deutsche Minderheit ist dieses Gebäude von historischer Bedeutung, da die deutschen Bürger der Stadt Preßburg/Bratislava bei der Geburt dieses Lyzeums sowohl als Gebäude als auch als Institution standen. Wie wollt ihr auf diese berühmte Vergangenheit Bezug nehmen?
Das Evangelische Lyzeum in Preßburg/Bratislava ist als Institution gewissermaßen ein Symbol der Einheit in der Vielfalt – nämlich der Vielfalt der Nationalitäten, Sprachen und Kulturen, der Bildung, des Dialogs zwischen Wissenschaft und Glauben, der Suche nach Wahrheit und Fortschritt. Es ist wie der Moderator der Konferenz, Michal Havran, an einem Punkt der Diskussion gesagt hat: „Die Latte liegt hoch!“ Wir alle im Projekt stellen uns jedoch einer sehr ernsten Herausforderung: Dieses Projekt sollte nicht nur der Wahrung der Vergangenheit dienen, sondern wir suchen nach seiner Gestalt von Heute – einem Lyzeum des 21. Jahrhunderts.
Hubert Kožár