Prediger und vieles mehr – Christian Genersich (1759 – 1825)
Zu den bekanntesten Persönlichkeiten Käsmarks gehören die drei Genersich-Brüder. Der älteste, Christian, war ebenso wie sein Bruder Johann (vgl. KB 8/2016) Theologe und Pädagoge. Darüber hinaus war er Historiker und beschäftigte sich mit Mineralogie. Seine Beschreibungen der Heimat vermittelten umfangreiches Wissen über die Region.
Christian wurde am 4. Januar 1759 in Käsmark/Kežmarok geboren. Seine Eltern, Johann Genersich und Anna Susanna Royko, waren wohlhabend und religiös.
Drei Schulen für drei Sprachen
Seine Schulbildung ist für einen Sohn aus guten Verhältnissen typisch für diese Zeit. Zuhause und in der Schule sprach man Deutsch, die ungarische und ggf. die slowakische Sprache mussten außerhalb gelernt werden. Dazu unterbrach er den Besuch der Käsmarker Schule. Ungarisch lernte er in Debrezin/Debrecín und slowakisch in Obersalz/Vyšná Slaná. Nach zwei Jahren kam er zurück und lernte in Käsmark weiter. Das Gymnasium schloss Christian Genersich in Preßburg/Bratislava ab.
Studium in Göttingen und Utrecht
Seine Eltern hatten für ihn die Laufbahn des Lehrers ausgewählt. Dazu studierte er, wie damals üblich, im Hauptfach Theologie und nach persönlichem Interesse, weitere Fächer. Das waren für ihn Philologie und Philosophie.
Das Studium begann Christian in Göttingen. Nach zwei Jahren wechselte er nach Utrecht, wo er ein weiteres Jahr studierte.
Seine erste Arbeitsstelle trat Genersich 1784 gleich als Rektor an, und zwar am Gymnasium von Sajo/Slana im Distrikt Gömör/Gemer.
Ruf nach Käsmark
In Sajo beeindruckte er durch sein Wissen und seine Redekunst. Beides zusammen brachte ihm bald einen ausgezeichneten Ruf ein, der bis nach Käsmark drang. Bereits zwei Jahre später berief man ihn an das evangelische Lyzeum in seine Heimatstadt. Auch dort kam er als “Conrector”, also stellvertretender Rektor, gleich in eine leitende Position.
Prediger mit herausragender Rhetorik
Besondere Hervorhebung fanden seine Lehrveranstaltungen zur Rhetorik. Dies mag der Grund dafür gewesen sein, dass ihn die Stadt Käsmark Anfang 1789 zum zweiten Prediger wählte. Sehr gern vertauschte Genersich das Lehrerpult mit der Kanzel. Ein wenig blieb er aber noch mit der Schule verbunden. Weitere zwanzig Jahre lehrte er am Lyzeum Mittwochs und am Sonnabend für zukünftige Theologen Fächer wie Kirchenrecht, Homiletik (Lehre von der Predigt) und Moraltheologie,
Seine Predigten bestachen durch Kraft und Frömmigkeit. Er sprach frei ebenso gut wie nach Vorbereitung. Damit galt er als bester Kanzelredner der protestantischen Kirche Ungarns.
Das Predigeramt übte Christian Genersich 36 Jahre aus. Nach einer langen Krankheit starb er am 30. April 1825.
Käsmark und die Zips
Genersich beschäftigte sich nicht nur intensiv mit der Kirchengeschichte, auch die Geschichte seiner Geburtsstadt fand bei ihm besonderes Interesse. Ein Ergebnis dieser Forschungen ist sein wohl wichtigstes Buch, das er “Merkwürdigkeiten der königlichen Freystadt Késmark in Oberungarn am Fuße der Karpathen” nennt und das 1804 in zwei Teilen erschien. Er widmet es “Den guten Bürgern Késmarks und allen Freunden des Vaterlandes, und dieser Zipser=Stadt”.
In diesem Buch beschreibt er nicht nur die Entwicklung der Stadt und deren Persönlichkeiten, im ersten Abschnitt geht er auf die Topologie ein und erfasst auch kleinste Berge, Flüsse, Seen, Wälder, Wiesen, Äcker, die Bodenzusammensetzung, das Verteidigungssystem, die Türme, Kirchen, weitere wichtige Gebäude sowie die Nachbarorte.
Im Hauptteil seiner Ausführungen schildert er sehr detailliert die Geschichte der Stadt und mit ihr die der Zips, deren Bewohner viele Kriege, Plünderungen, Not und Elend über sich ergehen lassen mussten.
Gesteinssammler oder Mineraloge?
Bei seinen topografischen Studien in den Karpaten erwachte sein Interesse für das dortige Gestein. Es faszinierte ihn so sehr, dass er Gesteinssammler wurde. Bei Bergwanderungen hatte er immer einen Hammer dabei. Seine Begleiter konnten ihn nicht von riskanten Klettereien abbringen, wenn es um ein kleines Stück Gestein an schwer zugänglichen Stellen am Berg ging.
Seine Kenntnisse in der Mineralogie vertiefte er durch Briefwechsel mit Fachleuten. Die 1797 gegründete Societät für Mineralogie in Jena, die erste geowissenschaftliche Gesellschaft der Welt (mit Goethe als Präsident von 1803-1832), nahm ihn als Mitglied auf.
Es tat ihm jedoch sehr weh, dass seine große Gesteinssammlung wegen des Nichtbeachtens der damals gültigen Mineralien-Systematik des an der Freiberger Bergakademie tätigen Abraham Werner (1749-1817) nicht stärker anerkannt wurde.
Ein Herz für die Tatra
Neben seinem Hauptwerk über Käsmark und theologischen Arbeiten wie die “Theologia pastoralis” (1790) beschreibt er in weiteren Veröffentlichungen die Tatra. Beispiele sind die “Physisch-topographische Beschreibung des Zipser Comitats” (1804), “Beschreibung des Tatra in der Zips als Theil des karpatischen Gebirges” (1807), “Der weiße und der grüne See in den Karpathen” und die “Reise in die Carpathen mit vorzüglicher Rücksicht auf das Tatra=Gebirge” (1807). Damit geht Christian Genersich nicht nur als großartiger Prediger, sondern auch als einer der Ersten, die die Augen Europas auf die Bergwelt der Tatra lenkten, in die Geschichtsbücher ein.
Dr. Heinz Schleusener