Regisseurin Barbora Berezňáková: „Kunst ist ein Werkzeug, um die Welt zu einem Besseren zu verändern“
Sie stammt aus dem ruthenischen Dorf Strihovce an der slowakisch-ukrainischen Grenze. Studiert und gearbeitet hat Barbora Berezňáková in Preßburg/Bratislava, Valencia, Prag und lange Zeit in New York. Heutzutage lebt sie in Berlin, kehrt aber häufig in die Slowakei zurück, um Dokumentarfilme zu drehen, die oft der Gesellschaft den Spiegel vorhalten.
Barbora Berezňáková ist Künstlerin, Regisseurin und Dokumentarfilmerin. Am Anfang ihres Kunststudiums wusste sie nicht einmal genau, was Regie eigentlich bedeutet, erinnert sie sich: „Ich habe viel gemalt, geschrieben und gelesen, aber im Nachhinein wird mir klar, dass mich diese Schritte genau dorthin geführt haben. Das Studium an der VŠMU, an der Bellas Artes in Valencia und an der New Yorker Filmakademie haben mir Wissen und viel Raum verschafft, um meine eigene Interpretationssprache zu entwickeln.“ Beeinflusst wurde Berezňaková vom Leben in einer Kleinstadt wie Bratislava, ihre „Basis“, wie sie gerne sagt, aber auch vom multikulturellen Leben in New York oder Berlin: „New York ist fantastisch, mit seiner Energie und seinem kommerziellen Markt. Früher war es eine schmutzige und billige Stadt, die Künstler und Individualisten anzog. Heute arbeiten die Menschen in der Kreativbranche hart. Es ist auch ein sehr individualistischer Ort, wo jeder auf sich allein gestellt ist.“ Die deutsche Hauptstadt biete hingegen mehr Raum für intellektuelle Entfaltung, die nicht direkt mit der wirtschaftlichen Effizienz des künstlerischen Schaffens verbunden sei.
Politische Dokumente über die Slowakei
Die Filmemacherin wusste, dass sie an künstlerischen Projekten arbeiten wollte, die sie direkt betreffen. Der Film „Skutok sa stal“ (Die Tat ist geschehen) war zunächst ein Thema für die Bearbeitung, als sie bei der Recherche entdeckte, dass es sich um ein wenig diskutiertes Thema handelt. „Der Dokumentarfilm ist entstanden, weil mir die Realität der Korruption in einer jungen demokratischen Gesellschaft wichtiger erschien, als irgendeine Fiktion zu verarbeiten. Ich bin der Meinung, dass Kunst ein Werkzeug ist, um eine gerechtere Gesellschaft zu fördern und die Welt zu einem Besseren zu verändern.“
Dieser Film war im Jahr 2020 bei der nationalen Preisverleihung „Slnko v sieti“ (Sonne im Netz) als bester Dokumentarfilm nominiert. Der Zufall wollte es, dass er ein Jahr nach der Ermordung des Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová veröffentlicht wurde, als die Gesellschaft leidenschaftlich über diese Themen diskutierte. Barbora erinnert sich noch deutlich daran: „Ja, es gab verschiedene Nachrichten, anonyme Drohungen – aber damit muss man rechnen, wenn man an kontroversen Themen arbeitet und die Gesellschaft vor allem durch politische Fälle analysiert.“ Als sie jedoch von dem Mord erfahren habe, sei sie dennoch erschüttert gewesen: „Es hat mir klargemacht, dass immer noch solche Dinge passieren.“
Die Zielgruppe ist in erster Linie sie selbst
Ein Dokumentarfilm sei immer ein „Langstreckenlauf“. Er beginne mit einem Thema, das sie persönlich berührt, und beleuchte es teilweise über mehrere Jahre hinweg aus verschiedenen Blickwinkeln. Auf die Frage, wer ihre Zielgruppe sei, antwortet sie: „Ich. Ich versuche, Filme zu machen, die auch mir gefallen würden. Nicht ganz Mainstream, denn sie müssen eine klare Geschichte haben, komplex sein und irgendwohin führen.“ Obwohl die Unterhaltung des Publikums nicht ihre oberste Priorität sei, müsse das Werk inhaltlich hochwertig sein und dürfe den Zuschauer nicht langweilen. Dies gelte auch für ihre Dokumentarfilmreihe und das Projekt „Spýtaj sa vašich“ (Frag zu Hause nach), das sich auf die Entwicklung eines generationenübergreifenden Dialogs über politische Ereignisse und Meilensteine in der Slowakei konzentriert. Da das Thema der historischen Meilensteine jedoch teilweise abgedeckt war, hatte das Werk zunächst mit der Ablehnung älterer Generationen von Filmemachern zu kämpfen. Heute erfreut es sich jedoch einer großen Reichweite, erzählt Berezňaková und fügt hinzu: „Die politischen Regime in der Slowakei haben sich im letzten Jahrhundert mehrmals geändert, was sich auf unsere Familien und unsere persönliche Geschichte auswirkte und das Denken und die Mentalität der Menschen beeinflusste. Ich hatte stets das Gefühl, dass wir immer wieder neu anfangen. Aber ich denke, die Kontinuität der Geschichte ist interessant und kann bei der Identität und Ausrichtung des Landes helfen.“
Eine etwas gespaltene Gesellschaft
Die Teilung der Tschechoslowakei und ihre Wahrnehmung durch die Bürger war das Thema des Films „Spýtaj sa vašich 93“. Nach 30 Jahren Unabhängigkeit zieht die Regisseurin folgende Bilanz: „Die Slowakei hat einen langen Weg zurückgelegt, aber es liegt noch viel vor uns. Wir sind ein kleines Land im Osten der EU und eine etwas gespaltene Gesellschaft, die keine gefestigte Identität und kein Selbstbewusstsein hat.“ Hier mischen sich laut Berezňáková widersprüchliche Einflüsse, was sich leider auch in der russischen Propaganda in der Slowakei zeige: „Diese Propaganda funktioniert und wir können sie im Zusammenhang mit den Ereignissen in der Ukraine sehen.“ Propaganda sieht sie allerdings nicht als Thema für die filmische Aufarbeitung, weil sie im Cyberspace stattfindet. Dennoch bewertet Berezňáková die Arbeit des Innenministeriums und anderer Institutionen im Kampf gegen Propaganda positiv. Mit einem Atemzug fügt sie jedoch hinzu: „Der wichtigste Weg, um im Cyberspace zu kämpfen, ist die Bildung.“
Fotos: Barbora Berezňáková privat