„Wir möchten vor allem Jugendliche motivieren und sie für die Vereinsarbeit gewinnen“
Sie ist die Leiterin des Büros des Karpatendeutschen Vereins in Kaschau/Košice – Lucia Urbančoková. Die Stiftung Verbundenheit sprach mit ihr über ihren Werdegang innerhalb der Minderheitenorganisation, die Verbindung der deutschen Minderheit aus unterschiedlichen Regionen der Slowakei und die Lage der deutschen Sprache in der Slowakei.
Frau Urbančoková, Sie sind schon seit einigen Jahren Büroleiterin des Karpatendeutschen Vereins. Wie haben Sie den Weg zur Organisation der deutschen Minderheit in der Slowakei gefunden?
Ich stamme aus einer „Minderheiten-Ehe“. Meine Mutter hat ungarische Ahnen, sie ist in der Stadt Malatzka/Malacky neben Preßburg/Bratislava aufgewachsen, mein Vater war ein Karpatendeutscher aus der Zips, seine Muttersprache war Deutsch, seine Mutter ist in Augsburg geboren. Und als 1990 der Karpatendeutsche Verein in der Slowakei gegründet wurde, war er jahrelang aktives Mitglied in der Ortsgemeinschaft Kaschau, in der er auch die Funktion des Vorsitzenden der OG ausübte. Als Kind habe ich zwar mit meinen Eltern sieben Jahre in Algerien gelebt, wo ich Französisch gelernt habe, mein Vater aber wollte schon immer, dass ich auch Deutsch lerne. So hat er mir jeden Abend Deutsch beigebracht. Ich habe auch als Au-pair ein Jahr in Hamburg und ein Jahr in Antwerpen in Belgien gearbeitet, wo ich meine Deutschkenntnisse noch verbessert habe. Im Verein bin ich seit Dezember 2000 angestellt, im Büro haben wir alle Bezug zur deutschen Minderheit, wir sind alle deutscher Herkunft, was ich auch sehr wichtig finde. Wir sind alle dem Bundesministerium des Innern sehr dankbar, dass es uns ermöglicht wurde, in unserem Lande die deutsche Kultur, die deutsche Sprache sowie die Sitten und Bräuche unserer Ahnen zu pflegen und unterstützen.
Die deutsche Minderheit in der Slowakei ist in mehreren Regionen aktiv. Preßburg, Hauerland, Oberzips, Unterzips und Bodwatal – was verbindet die Gruppen in diesen Regionen und was sind derzeit die wichtigsten Aufgabenfelder?
Alle unsere Mitglieder verbindet die Pflege der deutschen Kultur, der deutschen Sprache und die Erhaltung der Sitten und Bräuche der Karpatendeutschen. Dank des Bundesministeriums des Innern und für Heimat, des Auswärtigen Amtes und des Fonds für die Unterstützung der nationalen Minderheiten in der Slowakischen Republik können wir jedes Jahr viele kulturelle und multikulturelle Projekte für die deutsche Minderheit in der Slowakei veranstalten, bei denen die deutsche Sprache im Vordergrund steht. Die deutsche Minderheit in der Slowakei war und ist aktuell stark in der Hilfe für Flüchtlinge aus der Ukraine engagiert. Dies wurde auch in einer Ausstellung im SNM-Museum der Kultur der Karpatendeutschen Anfang des Jahres gezeigt.
Wie hat diese Hilfe ausgesehen? Wie wird sie nun ein Jahr nach Kriegsbeginn weitergeführt?
Seit dem Krieg in der Ukraine bemühen wir uns im Rahmen unserer Möglichkeiten zu helfen. Gleich die ersten Tage haben wir mehreren Personen mit dem Transport aus der Ukraine geholfen, in den ersten Tagen auch dem ifa-Kulturmanager in der Ukraine. Wir haben Unterkünfte in Kaschau/Košice gebucht, Fahrkarten gekauft, die Menschen vom Bahnhof abgeholt, mit Übersetzungen geholfen. Der Verein hatte auch eine Kulturassistentin aus der Ukraine, die Veranstaltungen zur Integration Geflüchteter organisiert hat.
Auch bei der Hilfslieferung von Generatoren hat der Karpatendeutsche Verein mitgeholfen und als Mittler den Transport an die Deutschen aus der Ukraine weitergegeben. Dies zeigt, dass gerade die Zusammenarbeit zwischen den deutschen Minderheiten großes Potenzial hat. Was würden Sie sich an Kooperationen oder Austauschen zwischen den einzelnen deutschen Minderheiten aus den verschiedenen Ländern wünschen? Schulungen? Gemeinsame Projekte?
Ja, Schulungen und gemeinsame Projekte wären sicher hilfreich, um die Kontakte zu vertiefen, die Menschen aus anderen Ländern besser kennenzulernen. Beim persönlichen Kontakt und Gespräch können auch viele neue Ideen für die künftige Zusammenarbeit entstehen.
Die deutsche Sprache ist ein Erkennungsmerkmal der deutschen Minderheiten. Man sieht an Problemen in anderen Ländern wie in Polen, dass der Unterricht in Deutsch als Minderheitensprache reduziert wird. Wie ist die Lage in der Slowakei?
In der Slowakei gibt es momentan fünf Grundschulen mit erweitertem Deutschunterricht, das bedeutet, dass an diesen Schulen mehr Stunden Deutsch pro Woche unterrichtet werden. Wir arbeiten mit diesen Schulen zusammen, helfen mit Lehrmaterial, organisieren für die Schüler Kindercamps in deutscher Sprache oder eine Kinderwerkstatt mit dem karpatendeutschen Künstler Helmut Bistika. Die Kinder treten oft auf unseren kulturellen Veranstaltungen auf, wo sie das Geübte in deutscher Sprache auf der Bühne vortragen.
Für die deutschen Minderheiten ist Nachwuchsförderung wichtig und man setzt daher auf Jugendarbeit. Wie sieht es beim KDV im Nachwuchsbereich aus?
Die Karpatendeutsche Jugend (KDJ) vereint Jugendliche in der ganzen Slowakei, die Bezug zur deutschen Kultur und Sprache haben, deutsche Vorfahren haben oder einfach nur Sympathisanten sind. Die KDJ ist Mitglied in der JEV (Jugend Europäischer Volksgruppen) und jedes Jahr organisieren wir zahlreiche Projekte für Kinder und Jugendliche.
Was sind die wichtigsten Pläne und größten Herausforderungen des KDVs in diesem und in den nächsten Jahren?
Wir bemühen uns um die Erhaltung der Sprache, Identität und Kultur der deutschen Minderheit in der Slowakei. Wir möchten vor allem Jugendliche motivieren und sie für die Vereinsarbeit gewinnen, weil die Jugend unsere Zukunft ist. Wir werden im digitalen Raum immer aktiver werden, da haben wir ziemlich große Pläne. Hoffentlich gelingt es, denn die Karpatendeutschen wollen doch auch ein Zukunftsthema sein.
Das Gespräch führte Dominik Duda von der Stiftung Verbundenheit.