Als DAAD-Lektor in der Slowakei
Yannick Baumann arbeitet als DAAD-Lektor an der Philosoph Konstantin-Universität in Neutra/Nitra. Der 33-Jährige stammt ursprünglich aus Süddeutschland und lebt seit fast fünf Jahren in der Slowakei. Im Karpatenblatt-Gespräch verrät er etwas über seinen Weg nach Mitteleuropa, die Unterschiede zwischen dem slowakischen und deutschen Bildungssystem, seine Projekte und zukünftigen Pläne.
Verrätst uns bitte, woher du stammst und was du in der Slowakei machst?
Ursprünglich bin ich in der Nähe von Würzburg in Bayern aufgewachsen. Seit 2019 arbeite ich als Lektor des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) in Nitra und bringe jungen Menschen aus der Slowakei an der Philosoph Konstantin-Universität die deutsche Sprache, Literatur und Kultur näher.
Ist die Slowakei das erste Land für dich, das in Osteuropa liegt? Woher kommt dieses Interesse an osteuropäischen Ländern?
Nun ja, in der Slowakei hört man es ja lieber, dass man Teil von Mittelosteuropa ist (lacht). Mein Interesse an Mittelost- und Osteuropa hat sich eigentlich durch mein Interesse an der Geschichte des Holocaust entwickelt. 2010 habe ich einen Freiwilligendienst an der Gedenkstätte Theresienstadt/Terezín gemacht. 2011 habe ich die Ukraine das erste Mal besucht und war von der Vielfalt des Landes fasziniert. Das hat mich sehr geprägt und umso schockierter war ich, als ich im Frühjahr 2022 die Bilder im Fernsehen verfolgt habe von zerstörten Orten, die ich damals als Tourist besucht habe. Während eines Aufenthalts im Rahmen des EU-Programm ERASMUS+ an der Masaryk-Universität in Brünn/Brno habe ich auch das erste Mal die Slowakei besucht. 2017 habe ich dann mit einem Stipendium des DAAD in Brünn Deutsch unterrichtet. Nach zwei Jahren dort, habe ich mich dann auf die freie Stelle in Nitra beworben.
Wie bewertest du die slowakische Ausbildung? Welche Unterschiede gibt es zwischen der Ausbildung in deiner Heimat und in der Slowakei?
Grundsätzlich gibt es im Hochschulbereich durch den Bolognaprozess viele Gemeinsamkeiten. Mein Eindruck ist, dass es in der Hochschulausbildung in der Slowakei viele Pflichtfächer gibt und dass das Hochschulsystem, im Vergleich zu Deutschland, verschulter ist. Meine Studierenden nennen ihre Uni auch immer nur „škola“ (lacht). Der Unterricht ist, anders als in Deutschland, stärker wissens- und weniger kompetenzorientiert. Glücklicherweise gibt es aber, vor allem in der Lehramtsausbildung, mittlerweile immer mehr Praxisanteile, wenn auch noch nicht in gleichem Maße wie in Deutschland. Grundsätzlich steht die Hochschulausbildung in der Slowakei auf einem soliden Fundament.
Woran muss man arbeiten, um die Situation in der slowakischen Ausbildung zu ändern und zu verbessern?
Ich denke, dass der Mangel an Studierenden vor allem mit der Demographie zusammenhängt, aber auch mit der Tatsache, dass jährlich circa ein Fünftel der slowakischen Abiturientinnen und Abiturienten ein Erststudium in Tschechien aufnimmt. Die bedauerlichen Entscheidungen Deutschlands und Österreichs, den Zutritt zu ihren Arbeitsmärkten gegenüber den neuen EU-Mitgliedsstaaten 2004 einzuschränken, wirkten sich sicher negativ auf das Interesse an den deutschsprachigen Ländern aus. Der Beschluss des Kabinetts Radičová, nur noch das Englische als erste Fremdsprache zu unterrichten, war wiederum aus deutscher Sicht ein eher unglücklicher Schritt. Der Hauptgrund, warum insbesondere das Lehramtsstudium so unattraktiv ist, ist jedoch aus meiner Sicht das niedrige Gehaltsniveau. Wenn man also die allgemeine Situation verbessern möchte, dann ist eine Erhöhung der Gehälter für Lehrerinnen und Lehrer sowie Hochschuldozentinnen und -dozenten unvermeidlich, genauso wie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen.
Du hast im Haus der Begegnung des Karpatendeutschen Vereins in Preßburg/Bratislava Ende letzten Jahres einen Sprachanimationsworkshop durchgeführt. Worum ging es da?
Zuerst muss ich vielleicht erklären, was Sprachanimation eigentlich ist. Bei der Sprachanimation werden auf spielerische Weise Sprachkenntnisse vermittelt. Es geht in erster Linie darum, Menschen dazu zu motivieren, sich mit Fremdsprachen auseinanderzusetzen. In der Regel findet Sprachanimation in Tandems statt, also zwei Personen, die jeweils verschiedene Sprachen sprechen, werden quasi „gezwungen“, zu kooperieren. Tatsächlich braucht man für vieles keine Worte, sondern nur ein bisschen Mut. Wir haben im Haus der Begegnung sogar eine Sprachanimation mit drei Sprachen durchgeführt – nämlich Slowakisch, Ukrainisch und Deutsch. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren begeistert und wir haben viel gelacht.
Yannick, zu guter Letzt, erzähl uns, woran du momentan arbeitest und was du in diesem Jahr vorhast!
Gerade plane ich mit der Friedrich-Ebert-Stiftung einen Escape Room, also eine Art Rätselspiel, zum Thema „Armut“ nach Nitra zu bringen. Darüber hinaus möchte ich mit meinen Studierenden eine Reise nach Bratislava unternehmen, wobei wir uns näher mit dem alten Preßburg und insbesondere mit seinem deutsch-jüdischen Kulturleben auseinandersetzen werden. Das sind die ersten Projekte, die ich heuer angehen möchte.
Das Gespräch führt Hanna Dubinchak.