Filmemacher und Ethnograph Martin Slivka
Am 23. September 2002 starb der Ethnograph, Dokumentarfilmer, Regisseur und Publizist Martin Slivka. Vielen ist er durch seine Filme und Bücher bekannt. Was war das Besondere im Leben und der Arbeit dieses Zipsers?
Martin Slivka wurde am 1. November 1929 in Schawnig/Spišský Štiavnik geboren. In der Familie Slivka lebte man bescheiden, es gab einen großen Zusammenhalt. Frühstück und Mittagessen wurden gemeinsam eingenommen. Der Vater als Haupt der Familie hatte seinen Stuhl am Ende des Tisches. War er einmal nicht anwesend, blieb der Stuhl frei. Das war ein Symbol der Achtung der vier Söhne und zwei Töchter gegenüber den Eltern. Martin war das älteste Kind. Seine drei Brüder starben noch im Schulalter. Die Geschwister lernten von klein an gutes Benehmen, die Worte “Danke” und “Bitte” gehörten zum Alltag.
Das erleichterte ihnen später den Weg ins Berufsleben. Sie erfuhren von ihren Eltern, wie man Ordnung hält und dass es im Leben ohne Lernen nicht vorwärts geht.
Interesse für Bücher und Bräuche
Schon als Kind beeindruckten Martin die vielen Bücher und Zeitschriften seines Vaters. Nicht nur das, bereits in dieser Zeit interessierte er sich für die Schönheit alter Gebäude und betrachtete die alten Dorfhäuser und die gotischen Bauwerke sowie die Bräuche seines Heimatortes und der Zipser Umgebung mit besonderer Aufmerksamkeit.
Kindheit und Jugend im Krieg
Als 1945 die Kriegsfront die Zips erreichte, beschlagnahmte die deutsche Wehrmacht für ihre Transporte die Pferde der Bauern. Auch die junge Stute der Slivkas wurde zum Sammelplatz am Gemeindehaus weggeführt. Der 15-jährige Martin ging zu diesem Platz und tat so, als ob er die Stute streichelte. Tatsächlich löste er die Riemen, mit denen das Pferd angebunden war und verschwand. Es dauerte nicht lange, da spürte die Stute ihre Freiheit und lief zurück zu ihrem Stall. Die Deutschen waren in Eile und verfolgten das weggelaufene Pferd nicht.
Als die Rote Armee kam, wurde die Stute wieder weggenommen. Jetzt aber musste Martin mit Pferd und Wagen Munition nach Liptau-Sankt Nikolaus/Liptovský Mikuláš fahren. Das war lebensgefährlich, weil sich auf der Straße noch Minen befanden. Er hatte bei allen Fahrten Glück, andere nicht.
Früh Halbwaise
Viel zu früh, im April 1948, starb sein Vater nach langer, schwerer Krankheit. Auf dem Sterbebett bat er seine Frau, Martin das Studieren zu ermöglichen. Für die Mutter war es eine Kraftanstrengung, alleine die drei Kinder großzuziehen und Martin studieren zu lassen. Nach der Grundschule im Heimatort besuchte Martin ein Jahr die Bürgerschule und dann das Gymnasium in Zipser Neudorf/Spišská Nová Ves.
Er fuhr dorthin mit dem Zug und nutzte die Fahrzeit, um in dicken Lexika, die er stets bei sich führte, zu lesen. Besonders interessierte ihn Folklore. Bis 1950 arbeitete Martin in der Mangangrube in Švábovce und absolvierte einen Kurs für Sprengmeister. Daneben half er der Familie bei den Arbeiten auf dem Feld.
Studium, Arbeit, Kunst, Ehe
Ab dem Schuljahr 1950/51 studierte er an der heutigen Film- und Fernsehfakultät der Akademie der musischen Künste in Prag. In dieser Zeit beginnen auch seine Arbeiten als Dramaturg und Regisseur. Wie sein Vater war Martin in einem Amateurtheater aktiv. Bei einem Auftritt in Kleinfrankenau/Malá Franková lernte er seine zukünftige Frau Oľga kennen, die wie er folkloristisch aktiv war. Sie heirateten 1956 und hatten zwei Söhne. Martins Interesse an der Ethnographie war so stark, dass er 1963 dazu noch ein Studium in Prag aufnahm.
Filmemacher und Ethnograph
Das filmische und wissenschaftliche Schaffen von Martin Slivka ist sehr umfangreich, führte bis zum DrSc. und zu internationalen Würdigungen.
Er ist Regisseur oder Drehbuchautor von mehr als 200 Dokumentarfilmen, schrieb 12 wissenschaftliche Monographien sowie viele Studien und Artikel zu den Themen Film und Ethnographie. Er war maßgeblich an der Gründung der Film- und Fernsehfakultät an der Uni Bratislava/Pressburg beteiligt und wurde deren erster Dekan.
Auszeichnungen erhielt er bei den Filmfestivals von Bratislava, Čadca, Krakau, Karlove Vary, Kroměříž, Olomouc und Nyone (Schweiz). Seinen Dokumentarfilm über Begräbniszeremonien in Bulgarien: „Leaving Man“ nahm die UNESCO in den World Heritage Fund auf.
Allen, die ihn kannten, bleibt Martin Slivka als freundlicher, herzlicher und großzügiger Mensch in Erinnerung, vielen anderen durch seine eindrucksvollen Filme.
Dr. Heinz Schleusener
(Für ihre Unterstützung danke ich der Bürgermeisterin von Spišský Štiavnik, Frau Mária Kleinová, und der Leiterin der Gemeindebibliothek, Frau Katarína Rákociová.)