100 Jahre Bratislava als amtliche Bezeichnung
Der Erste Weltkrieg, auch Großer Krieg genannt, hatte für Preßburg weitreichende Folgen in Politik, Wirtschaft und Kultur. Die politische Bindung an Budapest wurde aufgelöst, die Wirtschaftsbeziehungen mit Ungarn wurden gelockert, die mit Böhmen und Mähren hingegen vertieft. Der Herbst 1918 brachte den Preßburgern wegen ihrer zukünftigen Staatsangehörigkeit unsichere Zeiten.
Die Deutschen (1910 rund 41,9 Prozent der Bevölkerung) neigten zu Wien oder auch Budapest, die Madjaren (40,5 Prozent) zu Budapest, die Slowaken (14,9 Prozent) zu Prag. Einige ganz seriöse Kreise wollten nach dem Vorbild von Danzig mit Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht Preßburg sogar zu einer Freistadt mit dem Namen Wilson erklären. Diese „Umbenennung“ wurde aber wirkungslos und schon am 12. November 1918 wurde dieses Vorhaben eingestellt.
Entscheidung der Siegermächte
Entschieden haben aber die Siegermächte: Nach der Gründung der Tschechoslowakei wird Pressburg Bestandteil des neugegründeten Staates. Aufgrund dieser Entscheidung bekamen in den letzten Tagen des Jahres 1918 die tschechoslowakischen Legionäre und die italienischen Heerscharen den Befehl, Preßburg zu besetzen. Aus einer Provinzstadt Ungarns wurde Preßburg de facto zur Hauptstadt der Slowakei.
Viele haben aber diese Besatzung nur für vorübergehend gehalten und den Anschluss von Preßburg an die Tschechoslowakei nicht anerkannt. Nach der feierlichen Übersiedlung des Ministeriums für die Verwaltung der Slowakei am 4. Februar 1919 an der Spitze mit Dr. Vavro Šrobár nach einem provisorischen Aufenthalt in Sillein nach Preßburg, hat sich die angespannte Situation zugespitzt.
Etliche von den Preßburger Deutschen und Madjaren protestierten spontan gegen die Machtübernahme. Die Geschäfte blieben geschlossen, in den Cafés streikten die Kellner, der Streik der Eisenbahner, der Angestellten der Post und der Arbeiter in den Betrieben hat sich zu einem Generalstreik ausgeweitet.
Auf einer Protestversammlung am 14. Februar vor der Markthalle kam es zu Zwischenfällen. Gegen die Teilnehmer der Versammlung gingen Soldaten mit Bajonetten und Maschinengewehren vor. Acht Tote und mehr als 500 Verletzte waren die traurige Bilanz dieses „blutigen Mittwochs“. Auf der anderen Seite wurden in Preßburg auch mehrere Soldaten getötet oder verletzt.
Preßburg, Pozsony oder Bratislava
Die Ereignisse wurden auch durch den Streit um den Namen Preßburg belastet. Die Deutschen im Lande hielten sich an den Namen Preßburg, die ungarische Bevölkerung an Pozsony und der überwiegende Teil der Slowaken hatte sein Prešporok oder Prešpork. Die slowakischen Patrioten deklinierten terminologische Varianten von Vratislava bis Bratislava, auch mit Berufung auf die Regelung der slowakischen Schriftsprache (1843) von Ľudovít Štúr. Dazu kam, zwar schon selten, aber immer noch, die Neubildung von den letzten Monaten 1918 Wilsonstadt, bzw. Wilsonovo hinzu. Es herrschte ein sprachliches Wirrwarr. Vom Gesichtspunkt eines einheitlichen Militärkommandos war die Lage unhaltbar. Deshalb wandte sich am 10. Februar 1919 das Verteidigungsministerium an das Präsidium des Ministerrates mit der Bitte, einen Stadtnamen für den Dienstverkehr zu bestimmen.
Am 16. Februar hat der Ministerrat den Entwurf Šrobárs „im dienstlichen Verkehr zur Bezeichnung der Stadt Prešpurk den Namen Bratislava einführen“ angenommen. Die Zentralregierung in Prag hat die offizielle Benennung der Stadt „Bratislav“ (tatsächlich ohne „a“) beschlossen. Nach Rücksprachen und lebhafter Korrespondenz teilte das Innenministerium in Prag mit: „Richtig ist der Name Bratislava“.
Im Amtsblatt des Komitates Preßburg vom 27. März 1919 erschien die Kundmachung über die Einführung des neuen Stadtnamens, was der letzte Schritt für die Umbenennung der Stadt war. Die Benennung „Bratislava“ wurde zwar für unübersetzbar erklärt und alle anderen älteren Namen wurden bei Strafandrohung verboten. Das hat sich glücklicherweise jedoch nicht durchgesetzt und die alten Namen „Preßburg“ und „Pozsony“ benützt man bei vielen Gelegenheiten auch heute noch.
Ondrej Pöss